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Warum wir vor einem neuen Einbürgerungstest keine Angst zu haben brauchen - Von Aiman A. Mazyek
Für ideologiefreie Debattenkultur ohne Parteitaktik - Links zu konträren Positionen von TGD und IGMG
Als ich vor ein paar Tagen einen neuen bundesweiten Einbürgerungstest begrüßte, erlebte ich eine Welle der Entrüstung in meiner Community und in den türkischen Medien. Da war die Rede davon, dass ich naiv sei zu glauben, dass hier eine neue sachliche Seite aufgeschlagen werde. Oder: Alles, was die CDU vorschlägt, kann nur gegen uns sein. Viele sind auch fälschlich davon ausgegangen, dass ich einen Gesinnungstest gutheiße.
Die Stimmung kommt nicht von ungefähr, und ich kann sie in Teilen nachvollziehen. So haben das zulasten der Türken verschärfte Zuwanderungsgesetz, die Leitkulturdebatte und eben der damalige baden-württembergische Gesinnungstest für Muslime Spuren hinterlassen. Man traut der Politik nicht mehr und erfährt oft: Fremder, bleib fremd, hier gehörst du nicht hin.
Dabei war für uns immer klar: Gesinnungs- und Suggestivfragen sind schon aus verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen. Wissensfragen über Staat, deutsche Geschichte und Verfassung aber sind gut und notwendig. Der Zentralrat hat dies damals gesagt und tut dies heute auch. Wir brauchen in unserem Land beim Thema Einwanderung Identitätsstiftung und eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung und Wertschätzung.
Ich bin überzeugt, dass ein Einbürgerungsritual ein wichtiger Bestandteil dieser neuen Integrationskultur sein kann. Von einem Einbürgerungstest wird übrigens am Ende der Neudeutsche am meisten profitieren. Er kann sich auf 310 Fragen vorbereiten – wie etwa für eine Führerscheinprüfung. Über Härtefallreglungen – wie etwa für Jahrzehnte hier lebende ausländische Analphabeten – kann und sollte diskutiert werden.
Ich appelliere dafür, Parteitaktik und ideologische Scheuklappen einmal zu Hause zu lassen und einen Einbürgerungstest nicht per se abzulehnen. Vielmehr sollten wir unseren Sachverstand bei der Beurteilung der Fragen und bei der Umsetzung der Tests anbieten.
Ein Blick über den Teich zeigt, wie identitätsstiftend und erfolgreich eine funktionierende Einwanderungspolitik, zu der auch ein Test gehört, ist. Der Einbürgerungswillige bereitet sich dort intensiv auf den Test vor. Er freut sich zusammen mit Kind und Kegel, in einem feierlichen Akt seinen Beitritt zu den Vereinigten Staaten von Amerika zu bekunden – keine Naivität, sondern gelebte Praxis.
Ich frage mich, warum können wir in Deutschland nicht auch einen Feiertag daraus machen? Darüber sollten wir allesamt nachdenken und nicht miesepetrig dagegen opponieren.
Ich weiß, das ist angesichts vergangener Fehlleistung in der Integrationspolitik nicht immer einfach.
(Erstveröffentlichung in der WELT vom 18.06.08, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion)
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