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Mittwoch, 03.10.2007
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"Zwangsverheiratungen wirksam bekämpfen und verhindern" - Bundesfamilienministerium mit einem wissenschaftlichen Sammelband"Zwangsverheiratungen stellen eine schwere Menschenrechtsverletzung dar, die wir konsequent verhindern und bekämpfen müssen" erklärt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Hermann Kues, heute bei der Vorstellung des Sammelbandes "Zwangsverheiratung in Deutschland" in Berlin. "Diese Form von Gewalt ist nicht - wie oft behauptet wird - vom Wesen her an den Islam gebunden und auch nicht ausschließlich ein Problem der Bevölkerung mit türkischem Migrationshintergrund", so Kues weiter."Grund sind vielmehr patriarchale Strukturen. Wir müssen daher daran arbeiten, die betroffenen Frauen und Männer auf ihre Rechte aufmerksam zu machen und ihr Selbstbewusstsein zu stärken, damit sie sich zur Wehr setzen können." Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer, erklärt: "Gesicherte Daten und Forschungsergebnisse sind für die Bekämpfung von Zwangsverheiratungen unerlässlich. Darüber hinaus brauchen wir mehr Aufklärung sowohl für die Betroffenen und ihre Angehörigen als auch für diejenigen, die Zwangsverheiratungen durch frühzeitiges Einschreiten verhindern können. Ich denke hierbei insbesondere an Lehrerinnen und Lehrer. Deshalb möchte ich gemeinsam mit Lehrerfortbildungsinstituten Aufklärungsmaterialien für Pädagogen entwickeln. Außerdem plane ich eine Medienkampagne für das Recht auf freie Partnerwahl, die sich gezielt an die entsprechenden Migrantengruppen richtet." Um die oft sehr kontrovers geführte Diskussion um Zwangsverheiratungen zu versachlichen, hat das Bundesfamilienministerium im Oktober 2006 einen Sammelband zum Thema "Zwangsverheiratung in Deutschland" in Auftrag gegeben. Der Band wurde vom Deutschen Institut für Menschenrechte konzeptionell erarbeitet und redaktionell betreut. Die Autorinnen und Autoren untersuchen die Erscheinungsformen und Ursachen von Zwangsverheiratungen, identifizieren rechtlichen Reformbedarf und diskutieren Möglichkeiten von Prävention und Intervention vor Ort. Das Ministerium legt damit die erste Zusammenfassung des Expertenwissens aus Wissenschaft und Praxis zum Thema in Deutschland vor. Der Sammelband empfiehlt u. a. folgende Handlungsansätze: * "Empowerment" von Migrantinnen: Durch verbesserte Bildungs- und Berufschancen werden Migrantinnen gestärkt, um sich leichter gegen eine Zwangsverheiratung wehren zu können. * Präventions- und Unterstützungsangebote: zuständig sind in erster Linie Länder und Kommunen. * Aufklärung: In den Migrantengemeinschaften muss in Zusammenarbeit mit den Selbstorganisationen deutlich gemacht werden, dass Zwangsverheiratungen nach dem Koran verboten sind. Aktivitäten des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Online-Beratung für Betroffene Weil es bislang an angemessenen Beratungs- und Unterstützungsangeboten für betroffene Migrantinnen und Migranten fehlt, fördert das Bundesfamilienministerium in einem Modellprojekt den Aufbau einer niedrigschwelligen und anonymen Online-Beratung, mit der die Betroffenen gut zu erreichen sind. Die bereits bestehende Internetberatung in Berlin soll ausgebaut, in Hannover und Stuttgart spezifische neue Angebote aufgebaut werden. Die Beratung erfolgt zentral von Berlin aus. Zusätzlich sollen Beratungsangebote für den Freundeskreis der Betroffenen, professionelle Helfer und Helferinnen sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren geschaffen werden. Die wissenschaftliche Auswertung des Projekts soll weitere Erkenntnisse über die Betroffenen und wie man sie erreichen kann sowie über Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen liefern. Die Ergebnisse kommen auch dem erforderlichen Ausbau von Beratungs- und Unterstützungsangeboten der Ländern und Kommunen zugute. Mit der Durchführung hat das Ministerium die Kriseneinrichtung für junge Migrantinnen Papatya in Berlin beauftragt. Die Laufzeit des Projekts beträgt drei Jahre (Juni 2007 bis Mai 2010). Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen Unter Federführung des Bundesfamilienministeriums wird derzeit der 2. Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen erarbeitet. Ein Schwerpunkt des Aktionsplans ist die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund. Der Aktionsplan wird voraussichtlich im Oktober vom Bundeskabinett beschlossen und dann vom Ministerium vorgestellt werden. Schwerpunkt ist ein Konzept, das verschiedene Maßnahmen u. a. im Bereich von Prävention und Intervention bündelt und so den Schutz von Frauen verbessert. Stärkung der Rolle von Migrantinnen Das Bundesfamilienministerium unterstützt verschiedene Modellprojekte zur Stärkung der Rolle von Migrantinnen: Im Projekt "Transkulturelles und interreligiöses Lernhaus der Frauen" finden sich in Köln, Berlin und Frankfurt/Main Frauen unterschiedlicher ethnischer und kultureller/religiöser Prägung zusammen. Die Teilnehmerinnen sollen später als Multiplikatorinnen und Kulturmittlerinnen tätig sein. Das Mentoringprojekt "Network.21" begleitet Oberstufenschülerinnen und Studierende mit Migrationshintergrund am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn, um die jungen Frauen durch die erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt zu stärken. Überprüfung der Praxis Eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesfamilienministeriums wird von Herbst 2007 an die Anwendung des SGB VIII (Kinder- und Jugendhilferecht) in Fällen von Zwangsverheiratung untersuchen. Ziel ist es, Defizite in der Praxis zu benennen und Lösungsvorschläge zu machen. Gegebenenfalls soll die Arbeitsgruppe Empfehlungen für die Arbeit der kommunalen Behörden formulieren. So sind beispielsweise die Jugendämter nach § 42 Abs. 3 SGB VIII verpflichtet, die Erziehungsberechtigten zu informieren, wenn ein Mädchen bei drohender Zwangsverheiratung in einer Zufluchtsstätte Schutz sucht. Informieren die Behörden die Familie auch über den genauen Ort der Unterbringung, kann dies die Betroffene massiv gefährden. Die Jugendämter können allerdings die Familie auch nur über die Tatsache der Inobhutnahme informieren, den konkreten Ort aber verschweigen. Hier könnte ein Hinweis an die Jugendämter auf die Gefahrenlage bei Zwangsverheiratungen sinnvoll sein. Lesen Sie dazu auch:
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