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Montag, 20.05.2019

„Rückblick auf die Integrations- und Migrationspolitik der letzten Jahre“ - Sachverständigenrat veröffentlicht Jahresgutachten

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hat am 07. Mai 2019 in Berlin sein zehntes Jahresgutachten „Bewegte Zeiten: Rückblick auf die Integrations- und Migrationspolitik der letzten Jahre“ vorgestellt.

Das Gutachten arbeitet den Balanceakt heraus, den die Asyl- und Flüchtlingspolitik im letzten Jahrfünft zu meistern hatte: einerseits Migration zu kontrollieren und wirksam zu steuern, andererseits die in Deutschland lebenden Flüchtlinge rasch und erfolgreich zu integrieren. Es erläutert, wie die Politik Elemente der Verschärfung mit Aspekten der Liberalisierung verband, bewertet die politischen Maßnahmen und formuliert den Handlungsbedarf auf nationaler, europäischer- und internationaler Ebene.

Zentrale Ergebnisse lauten:


Der Anteil der Erwerbsmigration an der gesamten EU-Zuwanderung wird in der öffentlichen Wahrnehmung unterschätzt: Er beträgt mindestens fünfzig Prozent. Die EU-Binnenmigration deckt einen Teil des steigenden Fachkräftebedarfs – ebenso wie einen Bedarf in der Saisonarbeit und im Bereich niedrig qualifizierter Tätigkeiten. Insgesamt ist die EU-Freizügigkeit ein Gewinn für unseren Arbeitsmarkt, allerdings stellt die auch stattfindende Armutszuwanderung aus der EU für einige Kommunen eine enorme sozialpolitische Herausforderung dar.

Zukünftig wird Deutschland stärker auf die Zuwanderung von Drittstaatsangehörigen angewiesen sein. Dazu muss es sich als Einwanderungsland mit klaren Regeln positionieren. Das geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist ein wichtiger Schritt; es schafft deutlich erweiterte Möglichkeiten für beruflich qualifizierte Fachkräfte, nachdem für Hochqualifizierte Deutschland schon seit längerem ein liberales Zuzugsregime herrscht. Das ist sehr zu begrüßen. Es sollte nun zügig verabschiedet und konsequent umgesetzt werden. Allerdings hält das Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Grundsatz daran fest, dass die Gleichwertigkeit der ausländischen Berufsausbildung nachzuweisen ist. Dies hatte der SVR bereits 2018 als zentrale Hürde erkannt; es bleibt abzuwarten, ob das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wirklich eine erhebliche Steigerung der Zuwanderung in diesem Bereich zur Folge haben wird. Ebenso wichtig wie die Rechtssetzung ist die Rechtsumsetzung. Die behördliche Infrastruktur muss ausgebaut werden, z. B. in Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden, sonst laufen rechtliche Neuerungen ins Leere.

Zentrale Aufgaben der Migrationspolitik lassen sich nur multilateral bewältigen. Die Reform der Dublin-Verordnung steht jedoch still und die Regelungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) werden uneinheitlich angewendet. Das SVR-Jahresgutachten bedauert, dass die Europäisierung der Asylpolitik derzeit nicht vorankommt, und plädiert für ein Europa der geteilten Verantwortung. Die EU muss eine Form der Kooperation suchen, die die vielfältigen Interessen und Voraussetzungen aller Seiten – der EU-Mitgliedstaaten wie der außereuropäischen Herkunfts-, Transit- und Aufnahmeländer – ausgleicht und den Schutz von Schutzbedürftigen gewährleistet.

Innerhalb kurzer Zeit kamen viele Flüchtlinge nach Deutschland. Im Bildungsbereich bestand die Herausforderung darin, die geflüchteten Kinder ohne Vorlaufzeit in den schulischen Alltag zu integrieren. Dies ist gelungen: Von den sechs- bis zwölfjährigen Flüchtlingen, die zwischen 2013 und 2016 eingereist waren, gingen im Jahr 2016 bereits 95 Prozent zur Schule. Ein Erfolg ist auch, dass einige zentrale Bildungskennziffern stabil geblieben sind oder sich sogar verbessert haben. Allerdings hat sich der Anteil der selbst zugewanderten Jugendlichen, die keinen Schulabschluss haben, mehr als verdoppelt, und die frühkindliche Betreuung bei Kindern mit Migrationshintergrund ist rückläufig.

Etwa ein Drittel der erwachsenen Personen, die seit 2015 aus den Hauptherkunftsländern von Flüchtlingen nach Deutschland gekommen sind, hatte im Herbst 2018 einen Arbeitsplatz. Der SVR empfiehlt, die Angebote zur Arbeitsmarktintegration und die Verfahren zur Feststellung und Anerkennung beruflicher Kompetenzen systematisch zu erfassen und zu evaluieren. Um die Arbeitsmarktintegration zugewanderter Frauen zu verbessern, gerade der Geflüchteten, sollten u. a. die Teilnahme an Teilzeitmaßnahmen erleichtert und Kinderbetreuung ausgebaut werden.

Das SVR-Jahresgutachten konstatiert im Bereich der Kriminalität zwei Entwicklungen: Zum einen hat sich das Ausmaß der erfassten fremdenfeindlich motivierten Hasskriminalität von 2014 auf 2015, als die meisten Flüchtlinge zugezogen sind, mehr als verdoppelt. Zum anderen ist auch die Kriminalität von Ausländerinnen und Ausländern, einschließlich Flüchtlingen, deutlich gestiegen – nicht nur bei Bagatelldelikten. Ein großer Teil der gestiegenen Kriminalität ist durch soziodemografische Faktoren zu erklären, vor allem Alter und Geschlecht: Die meisten Straftaten begehen seit jeher und in allen Herkunftsgruppen junge Männer, und in dieser Gruppe sind Flüchtlinge deutlich überrepräsentiert.

Die soziale Integration von Zugewanderten ist im Alltag mittlerweile Normalität: Eine große Mehrheit der Personen mit Migrationshintergrund verfügt über eher gute oder sehr gute deutsche Sprachkenntnisse; auch bei den Geflüchteten hat sich das Sprachniveau deutlich verbessert. Die meisten Zuwanderinnen und Zuwanderer haben häufig Kontakt zu Personen ohne Migrationshintergrund und fühlen sich Deutschland zugehörig. Sprachkenntnisse und Zugehörigkeitsgefühl steigen mit der Aufenthaltsdauer; in der zweiten Zuwanderergeneration sind sie deutlich stärker ausgeprägt als in der ersten. Nur eine Minderheit fühlt sich wegen der Herkunft benachteiligt. Kritische Bereiche sind hier besonders der Wohnungs- und der Arbeitsmarkt.

Das SVR Jahresgutachten 2019 finden Sie hier.




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