Newsnational Montag, 30.06.2025 |  Drucken

Warum extreme Ungleichheit die Demokratie untergräbt

Ex‑Millionär Sebastian Klein warnt: Überreichtum gefährdet unsere Gesellschaft. Zakat und natürliche Abzinsung ein bewähretes Mittel

Sebastian Klein, 1982 geboren, gründete gemeinsam mit Freunden die Wissens-App Blinkist. Der Verkauf machte ihn mehrfach zum Multi‑Millionär – eine Phase, die er heute reflektiert als ein Leben, „in dem Geld den Raum und die Zeit für das Wesentliche verdrängt“. Nachdem er 90 % seines Vermögens abgegeben hat, engagiert er sich aktiv gegen die gefährliche Konzentration von Reichtum. Klein ist heute Mitgründer des gemeinwohlorientierten Fonds Karma Capital – mit dem Ziel, zukunftsfähige Initiativen zu fördern – und des Magazins Neue Narrative, das als Verantwortungseigentum geführt wird. Klein beschreibt, wie Geld ihn und viele andere reiche Menschen isoliert: Man misstraut, vermutet, andere interessierten sich nur für das eigene Vermögen. Gleichzeitig vergleiche man sich stets mit noch wohlhabenderen Personen – eine Spirale, in der man sich selbst als „armen Würstchen“ fühle.

Der Mann, der einst mit Blinkist Millionen verdiente, erklärte, er fühle sich längst im „toxischen“ Verhältnis zu Geld gefangen. Er betont, dass ein gewisses Maß an Geld zwar Sicherheit schenkt, aber übersteigender Besitz Menschen nicht glücklicher, eher entfremdeter mache. Für ihn bedeutet Wohlstand heute: keine finanziellen Sorgen, Zeit für Familie, Natur und Sinnhaftigkeit im Tun. Warum extreme Ungleichheit die Demokratie untergräbt Klein argumentiert: Extremes ReichtumsSystem ist tendenziell undemokratisch. Die reichsten 0,1 % in Deutschland halten über ein Fünftel des gesamten Vermögens, die obersten 10 % gar 63–74 %.Ein Prozent der Superreichen trägt laut eines Bostons‑Consulting‑Studie 23 % des Vermögens – die ärmere Hälfte weniger als drei. Solche Verhältnisse bedingen Einflussnahme durch Lobbyarbeit, medienpolitische Macht oder Steuerpolitik – oft im Hintergrund – und gefährden das Prinzip gleicher Stimmen.


Gefährliche Konzentration von Reichtum

Klein plädiert daher für umfassende Reformen des Steuer- und Eigentumssystems: Vermögens‑ und Erbschaftssteuern statt weiterwachsender Ungleichheit. Verantwortungseigentum als Unternehmensform – bewährt etwa bei Bosch oder Zeiss – zur Entmachtung einzelner Stimmen. Idee eines Grunderbes: ein Startkapital zum Erwachsenwerden, um Chancen ungebunden vom Elternhaus zu ermöglichen. Der Kern seiner Botschaft: Reichtum ohne Regulierung fördert Oligarchie, nicht Demokratie. Seine persönliche Veränderung sieht Klein als befreiend an: Die Übertragung des Großteils seines Vermögens auf gemeinnützige Anlagen sei für ihn Entlastung – und nicht Verlust.Er setzt sich dafür ein, Reichensteuer und Vermögenssteuer ernsthaft zu diskutieren – passend zu demokratischen Grundwerten und ökologischen Notwendigkeiten. Diese Maßnahmen seien keine radikale Utopie, sondern praktische Bausteine für eine faire Gesellschaft.

Zakat: Ein bewährtes Prinzip gegen Kapitalüberhitzung Ein bemerkenswerter, oft übersehener Ansatz zur Verhinderung von übermäßiger Kapitalanhäufung findet sich in der islamischen Finanzethik: die Zakat. Diese jährliche Abgabe – traditionell etwa 2,5 % aufruhendes Vermögen – wirkt wie ein natürliches Abzinsen übermäßigen Kapitals. Wer sein Vermögen nicht produktiv oder gemeinwohlorientiert einsetzt, verliert nach und nach Teile davon – eine wirksame strukturelle Bremse gegen grenzenlose Akkumulation. In diesem Modell wird Kapital nicht verteufelt, sondern in seiner sozialen Verantwortung gesehen. Es schafft einen Anreiz, Vermögen sinnvoll einzusetzen, zu teilen oder zu investieren, statt es brach liegen zu lassen. Klein würde dem Gedanken zustimmen: Auch in säkularen Gesellschaften ließe sich über systematische Umlenkung von Kapitalüberschüssen nachdenken – sei es über Steuern, Fondsmodelle oder eben kulturell eingebettete Mechanismen wie die Zakat.



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