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ZMD für eine Pro-Zakat-Diskussion
Sollten Muslime eine Moscheesteuer ähnlich der Kirchensteuer bezahlen? Darüber wird derzeit in Deutschland diskutiert. Doch wie sollte das funktionieren und was würde das bringen? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen
Im Original erschienen auf ZEITonline am 27. Dezember 2018
Sollten Muslime eine Moscheesteuer ähnlich der Kirchensteuer bezahlen? Darüber wird derzeit in Deutschland diskutiert. Doch wie sollte das funktionieren und was würde das bringen? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen:
Warum überhaupt eine Moscheesteuer?
Deutsche Politiker von CDU, SPD und Grünen sehen in einer Moscheesteuer nach dem Vorbild der Kirchensteuer eine Möglichkeit, Moscheen von Zahlungen und damit auch vom Einfluss aus dem Ausland unabhängiger zu machen.
Derzeit werden beispielsweise die Imame der Moscheen, die der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) angehören, von der türkischen Religionsbehörde Diyanet entsandt und bezahlt. Darum sehen Kritiker in ihnen ein Instrument der türkischen Regierung und des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, Einfluss auf Muslime in Deutschland zu nehmen. Ähnliche Befürchtungen gibt es auch im Hinblick auf viele arabische Staaten.
Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, hält allerdings dagegen: Abgesehen von der Imamfinanzierung durch Diyanet gebe es kaum Spenden aus dem Ausland. Wenn sie vorkämen, seien sie die Ausnahme. Die Zeiten, in denen etwa Saudi-Arabien über die Islamische Weltliga Moscheen regelmäßig alimentiert habe, seien längst vorbei. Die meisten Moscheen in Deutschland würden auch heute schon hauptsächlich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge aus dem Inland finanziert, so Mazyek.
Wie funktioniert die Kirchensteuer?
Die Kirchensteuer ist eine deutsche Besonderheit. Sie ist in Deutschland die wichtigste Einnahmequelle der großen christlichen Kirchen. In fast allen anderen Ländern finanzieren sich Religionsgemeinschaften im Wesentlichen über Spenden.
Damit eine Religionsgemeinschaft die Kirchensteuer erheben kann, muss sie von einem Bundesland als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sein. Diesen Status haben keineswegs nur die katholische und die evangelische Kirche, sondern auch viele andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften wie etwa die Zeugen Jehovas oder verschiedene Freikirchen, orthodoxe Kirchen und auch jüdische Gemeinden. Doch nicht alle machen von ihrem Recht, Steuern zu erheben, auch Gebrauch.
Die Höhe der Steuer wird von der Kirchenleitung festgesetzt, die Parlamente in den Bundesländern müssen dem allerdings zustimmen. Eingezogen wird die Steuer dann von den Finanzämtern der jeweiligen Länder.
Wie wird eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft eine Körperschaft des öffentlichen Rechts?
Grundvoraussetzung ist zunächst einmal, dass man überhaupt als Religionsgemeinschaft anerkannt ist. Auch dafür gibt es bestimmte Voraussetzungen. Das Weitere regelt dann der Artikel 140 des Grundgesetzes, der entsprechende Artikel der Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 übernimmt. Damals wurde beschlossen, dass alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die bereits vor 1919 Körperschaften des öffentlichen Rechts waren, diesen Status behalten sollten. Allen anderen Religionsgemeinschaften "sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten". Dazu gehören nach der gegenwärtigen Praxis der Länder nicht nur eine gefestigte Organisationsstruktur und eine ausreichende Finanzausstattung, die Religionsgemeinschaft muss auch seit einer bestimmten Zeit – in der Regel 30 Jahre – in Deutschland tätig sein.
Als weitere Voraussetzung verlangt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Rechtstreue der Religionsgemeinschaft: Will sie Körperschaft des öffentlichen Rechts werden, dann muss sie das geltende Recht beachten und die Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die fundamentalen Prinzipien der deutschen Verfassung und die Grundrechte Dritter nicht gefährdet (BVerfGE 102, 370, 394 ff.). Maßgeblich sind dabei nicht der Glaube oder die Lehre der Religionsgemeinschaft, sondern ihr tatsächliches Verhalten. Nicht jeder einzelne Verstoß gegen ein Gesetz stellt die Rechtstreue in Frage. Die Religionsgemeinschaft muss aber grundsätzlich bereit sein, Recht und Gesetz zu achten und sich in die verfassungsmäßige Ordnung einzufügen.
Gibt es bereits muslimische Gruppen, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben?
Die aus Indien stammende Gruppierung Ahmadiyya Muslim Jamaat, die in Deutschland 50 Moscheen betreibt, ist in Hessen und Hamburg als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt, ebenso die Alevitische Gemeinde Deutschlands mit insgesamt 150 Ortsgemeinden in einigen Bundesländern. Beide verlangen zurzeit aber keine Steuer von ihren Gläubigen.
Passt eine Moscheesteuer zum Islam?
Die Berliner Moscheegründerin Seyran Ateş hält es für keine gute Idee, die bestehenden Verbände zu Körperschaften des öffentlichen Rechts zu erklären. Bei diesen gäbe es oft genug Aktivitäten, die den Verfassungsschutz tätig werden ließen, sagte sie im ARD-Morgenmagazin. Sie plädiert für eine bessere Lösung: Zu den fünf Säulen des Islam gehöre die sogenannte Zakat, sagte Ateş. Diese soziale Pflichtabgabe betrage 2,5 Prozent jenes Teils des Einkommens, der nicht für den Lebensunterhalt benötigt wird. Die Zakat könne von den Islamverbänden selbst eingezogen werden.
Auch Mazyek vom Zentralrat der Muslime verweist auf die Zakat. Diese müsse nicht notwendig vom Staat eingezogen werden, denkbar sei auch eine Stiftung. Doch wenn der Staat bei der Organisation helfe, sei das nicht schlecht.
Bei der Einführung einer Moscheesteuer nach dem Vorbild der Kirchensteuer sieht Mazyek praktische Probleme: Die Gläubigen seien im Islam nicht automatisch Mitglied in der Moscheengemeinde, der sie sich zugehörig fühlen. Die Organisationsstrukturen seien viel lockerer. So könne man beispielsweise auch soziale oder religiöse Dienstleistungen in Anspruch nehmen, ohne offiziell zu einer bestimmten Gemeinde zu gehören, erläutert Mazyek. Die Zahl der Mitglieder sei zumeist sehr viel niedriger als die Zahl der Gläubigen, die regelmäßig eine bestimmte Moschee besuchten. Von einer Steuer seien aber im Zweifelsfall nur die Mitglieder betroffen. Dass viele Gläubige nirgends als Mitglieder registriert seien, erschwere – neben politischen Vorurteilen – auch die Anerkennung von Moscheeverbänden als Religionsgemeinschaften und damit als Körperschaften des öffentlichen Rechts, sagt Mazyek.
Macht eine Moscheesteuer die Gemeinden wirklich unabhängiger?
Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für islamische Theologie an der Universität Münster, ist skeptisch. Eine Steuer werde nur dann zu mehr Unabhängigkeit vom Ausland führen, wenn es auch klare Kriterien und Kontrollmechanismen dafür gebe, was mit der Steuer finanziert werden. "Ansonsten besteht die Gefahr, dass durch die Förderung von Moscheegemeinden durch eine Moscheesteuer Maßnahmen gefördert werden, die nicht gerade im Sinne des konstruktiven Zusammenlebens stehen", sagt Khorchide. Eine Moscheesteuer, die eingesetzt werde, um ausländische Agenden oder den politischen Islam zu unterstützen, werde das Problem nur noch verstärken.
Khorchide sieht in der Auslandsfinanzierung von Moscheegemeinden nur ein Teilproblem. Die eigentliche Herausforderung betreffe die religiöse Ausrichtung, also die Frage, welchen Islam die jeweiligen Moscheegemeinden in Deutschland vertreten und wie weltoffen dieser Islam ist.
Auch Mazyek betont: Wichtiger als die Frage, wie sich Spenden aus dem Ausland verhindern ließen, sei die Ausbildung von Imamen in Deutschland. Eine Moscheesteuer könne allerdings ein Instrument sein, diese Imame dann auch zu bezahlen.
Mit freundlicher Genehmigung von Katharina Schuler (ZEITonline)
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