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Freitag, 08.06.2007 | Drucken |
Housten, wir haben ein Problem! Zum Stand des islamisch-protestantischen Dialoges. Von Aiman A. Mazyek
„Der Dialog muss dahin führen, in guter Nachbarschaft zusammen zu leben und den gesellschaftlichen Herausforderungen gemeinsam zu begegnen.“
Dieser Satz kommt nicht etwa aus dem Munde eines muslimischen Sprechers des Koordinationsrat der Muslime (KRM) vergangene Woche beim Spitzengespräch mit der EKD in Mannheim, wo die umstrittene protestantischen Dialog-Handreichung kritisiert worden ist. Nein, es ist vielmehr der einleitende Satz einer Resolution zur Unterstützung des christlich-islamischen Dialoges, verfasst vom evangelischen Leiter der Beratungsstelle für christlich-islamische Begegnung Bernd Neuser. Diese soll am Kirchentag an diesem Samstag von vielen namhaften Christinnen und Muslminnen unterschrieben werden.( zwischen 11-13 Uhr, Halle 3.2, Messegelände).
In der Tat knirscht es im Gebälk des evangelisch-islamischen Dialoges. Gemäßigte und moderate Kräfte auf beiden Seiten haben wohl derzeit das Nachsehen. Man wird zudem angesichts jener Aussagen das Gefühl nicht los, dass es dem einen oder anderen Kirchenvertreter manchmal mehr um öffentliche Inszenierung als um das Gespräch mit den Muslimen geht.
Das schafft kein gegenseitiges Vertrauen, jener Kitt, der so nötig ist, die wirklich kritischen und wichtige Fragen und Herausforderungen unserer Tage, wie die Globalisierung, Zukunftsängste der Menschen oder die drohende Arbeitslosigkeit und Werteverluste gemeinsam zu diskutieren. Dazu kommt, dass oft Muslime im Gespräch mit ihren christlichen Gesprächsteilnehmern nur die „Schokoladenseite“ ihrer muslimischen Kultur präsentieren und damit nicht selten unglaubwürdig daher kommen, angesichts der vielen z.T. katastrophalen Aktionen und Entwicklungen, die vermeintlich im Namen des Islam in der Welt geschehen; mit dem es sich ein Muslim eben aber auch selbstkritisch auseinandersetzen muss.
Um den interreligiösen Dialog aus der Sackgasse zu führen müssen Christen und Muslime wieder aktiv miteinander sprechen, Der heutige Kirchentag bietet zweifellos solche eine gute Gelegenheit. Die EKD-Handreichung aber eben wiederum nicht.
Die Muslime und auch viele Christen, wie oben zu sehen, empfanden die Empfehlung der EKD als eine Förderung von Klischees und Vorurteilen gegenüber Muslimen und waren angesichts Jahrzehnte langer und erfolgreichen kontruktiv-kritischen Dialoge brüskiert.
In der Tat, die EKD-Handreichung bedeutet einen Rückschritt im islamisch-protestantischen Dialog. Dennoch, zum Dialog gibt es keine Alternative und das Gespräch mit Vertretern der evangelischen Amtskirche wird trotz aller Rückschläge weiterhin zu suchen sein.
Immerhin, gaben Einige am Rande zähneknierschend zu, dass durch solche Veröffentlichungen die Scharfmacher und Hardliner auf beiden Seiten regen Zulauf bekommen.
Auch offene Fragen sind durch diese Handreichung entstanden, die nicht geklärt sind.
Wenn es denn z.B. umstritten ist, wie einige Protestanten behauptet, und Muslime und Christen nicht an den einen und selben Gott glauben, wie sieht dann das Verhältnis zu den katholischen Glaubensbrüder aus, die ja durch das zweite Vatikanische Konzil, ausdrücklich bejahten, dass Muslime und Christen an den einen „barmherzigen“ Gott glauben?
Warum tut sich die EKD so schwer mit dem Vorschlag, den Dialog auch auf die Ebene des Trialoges zu hieven, ohne eben bestehenden bilaterale und existentiell notwendige Gespräche zwischen Juden und Christen damit substituieren zu wollen?
Ist die Handreichung für die einzelnen Pfarrerinnen und Pfarrer verbindlich. Wenn ja, dann wird es in der Tat erhebliche Probleme geben, da neuerdings Dialogveranstaltungen nach EKD-Lesart auch Missionsveranstaltungen werden sollen. Da kann man nur noch sagen: Houston, wir haben ein Problem!
In welcher Richtung sollte also zukünftig die Dialogbemühungen gehen? Einfach so weiter zu machen ist jedenfalls sicherlich nicht ratsam. So könnte der ins Stocken geratene Dialog zwischen Christen und Muslime möglicherweise durch einen mehr praktischen als akademischen Dialog wieder an Fahrt gewinnen.
Denn schließlich ist der akademische Dialog nicht die alleinige Variante des Gespräches zwischen Christen und Muslimen. Immer notwendiger werden gemeinsame Taten an Stelle von Papier, Studien und Erklärungen.
Wichtiger ist daher weniger das ausschließliche Gespräch unter Theologen – die weiterhin natürlich die Grenzen und Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten der beiden Religionen schärfen sollten – als vielmehr den Dialog als Forum von Menschen zu begreifen, die bereit sind, in der Gesellschaft gemeinsam Verantwortung zu tragen.
Der Dialog sollte auch die Grenzen aufzeigen und vorsichtig eine Hermeneutik beschreiben, die so formuliert werden kann: "Lasst uns zusammenkommen mit dem Wissen, den anderen niemals genauso verstehen zu können und zu müssen, wie er sich selber versteht und wahrnimmt!" Dadurch entsteht mehr Gelassenheit und Vertrauten. Eigenschaften, die in der Hitze des Gefechtes in der letzten Zeit etwas verloren gegangen zu sein scheinen.
Zudem können Muslime von kirchengeschichtlichen Prozessen und Erfahrungen ihrer christlichen Gesprächteilnehmer viel lernen. Zum Beispiel ist es bedeutsam, wie der deutsche Protestantismus die demokratischen Grundrechte, die Menschenrechte und die weltanschauliche Neutralität des Staates im letzten Jahrhundert anerkannte.
Diese Kenntnis der Geschichte seitens der Muslime könnte sie dazu ermuntern, eigene ungeklärte Fragen vor dem Hintergrund kirchenpolitischer Erfahrungen besser zu begreifen und sich für ihre eigenen Entwicklungsprozesse mehr Zeit zu lassen.
Wenn diese – sicherlich nicht erschöpfenden – Punkte künftig an so wichtigen Plätzen und Foren, wie in Kirchen, in Moscheen, auf den Strassen des Kirchentages und im Campus um diese Themen lebhaft debattiert und „gestritten“ wird, braucht man sich keinen Sorgen um den interreligiösen Dialog zu machen. Denn dann wird deutlich: Dialog bedeutet nichts anders als „nackte Friedensarbeit“ und sie ist eben keine Veranstaltung „selbstverliebter naiver Gutmenschen.
(Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Erstveröffentlichung in der TAZ vom 08.06.07.)
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