Newsnational Montag, 21.02.2022 |  Drucken


Schweigemarsch in Washington - Bernhard Docke (Alexander Scheer) und Rabiye Kurnaz (Meltem Kaptan), Copyright: Andreas Höfer | Pandora Film
Schweigemarsch in Washington - Bernhard Docke (Alexander Scheer) und Rabiye Kurnaz (Meltem Kaptan), Copyright: Andreas Höfer | Pandora Film

Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush - eine Filmrezension von Volker-Taher Neef

Bei der 72. Berlinale zeigte man in der Sektion Wettbewerb den Spielfilm „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" des Regisseurs Andreas Dresen. Der Film hat eine Länge von knapp zwei Stunden.

Der Spielfilm geht auf das Schicksal des 1982 in Bremen geborenen türkischen Staatsbürgers Murat Kurnaz ein. Murat möchte seine islamischen Kenntnisse erweitern und fliegt aus diesem Grunde 2001 nach Pakistan, um dort zahlreiche Koranschulen zu besuchen. Im gleichen Jahr verhafteten pakistanische Polizeibeamte ihn und man lieferte Kurnaz den US-Streitkräften, die im benachbarten Afghanistan stationiert waren, aus. Die US-Behörden bringen Murat nach Guantanamo auf Kuba. Dort ist er von Januar 2002 bis August 2006 inhaftiert, ohne jemals angeklagt zu werden. Die Bedingungen in der Haft sind grausam. Folter, Schlafentzug, jeden Tag grelles Licht in dem fensterlosen Haftraum und laute Musikberieselung sind Murats tägliche Begleiter. Zu den Foltermaßnahmen zählen auch das Waterboarding. Dem Gefangenen wird suggeriert, man werde ihn zum Ertrinken bringen. Die Peiniger legen ein Tuch über das Gesicht ihres „Kunden“ und dieses wird langsam mit Wasser übergossen. Der Gefangene leidet unter größter Atemnot. Mal hatten die Verhörer auch eine Waffe durchgeladen und diese ihm an die Schläfe gedrückt.

Murat Kurnaz hat seine Erinnerungen an diese schreckliche Zeit niedergeschrieben. Seine autobiografische Schilderung kam 2007 heraus und trägt den Titel „Fünf Jahre meines Lebens“. Das Werk hat man mittlerweile in 12 Sprachen übersetzt.

Das Buch war der Aufhänger für Regisseur Andreas Dresen zu diesem Film. Andreas Dresen ist seit 1999 ein gerngesehener Gast auf der Berlinale. Sie zeigte auf diesem Filmfestival sein Werk „Nachtgestalten“. Mit weiteren Filmen wie z. B. „Halbe Treppe“ und „Als wir träumten“ errang er große Aufmerksamkeit auf der Berlinale. 2013 saß der Filmregisseur sogar in der Jury dieses Filmfestivals.


Berlinale- Pressekonferenz: Alexander Scheer, Meltem Kaptan, Andreas Dresen (von li. na. re.)

Berlinale- Pressekonferenz: Alexander Scheer, Meltem Kaptan, Andreas Dresen (von li. na. re.)
Auf der Pressekonferenz teilte er mit, dass es ja sehr oft anders käme, als geplant. „Eigentlich wollte ich Murat in den Vordergrund stellen. Als ich aber dieses Energiebündel Rabiye Kurnaz, seine Mutter, kennengelernt hatte, nahm der Film eine andere Richtung ein“. Das Drehbuch von Laila Stieler hatte dann die Zeit der Gefangenschaft aus der Sicht der Mutter im Auge. Rabiye, die in einem Arbeiterstadtteil in Bremen wohnt, kümmert sich um den Mann und drei Kinder. Ihr Mann verdient bei einem Autobauer sein Geld und alle wohnen gemeinsam in einem kleinen, schmucken Reihenhaus. Die Mutter hatte nie etwas mit „Politik am Hut“ und setzt alle Hebel in Bewegung, um „das Muratchen wieder zum Mamachen“ zu bringen. Das geht sie mit starken Auftritten einer riesigen „Glucke“ und erdigem Alltagswitz an.

Meltem Kaptan kennt man als Autorin, Comedienne und Moderatorin. Bei der Berlinale gab sie ihr deutsches Kinodebüt. Sie stellt sehr glaubwürdig den Werdegang von der türkischen Hausfrau aus ihrem Reihenhaus in Bremen-Hemelingen direkt in die Weltpolitik und schließlich vor den Supreme Court in Washington dar. Den Kampf gegen US-Präsident George W. Bush jun. nimmt sie an verklagt den US-Präsidenten.

An ihrer Seite steht der idealistische Menschenfreund und Rechtsanwalt Bernhard Docke. Ihn stellt Alexander Scheer dar. Er kann u. a. 2009 die Ehrung als „Schauspieler des Jahres“ und 2019 den Deutschen Filmpreis für seine Hauptrolle in „Gundermann“ aufweisen. Charly Hübner, Nazmi Kirik und Sevda Polat sind in weiteren Rollen zu sehen. Andreas Dresen ist in die Schuhe von Sir Alfred Hitchcock geschlüpft in Sachen „Cameo“. Damit sind kurze Auftritte des Regisseurs in seinem eigenen Film gemeint. Dresen ist im Supreme Court als einer der Richter zu sehen. Eine Rolle, die Dresen auch im echten Leben einnimmt. Seit 2012 ist er auf Vorschlag der LINKEN zum Laienrichter für Verfassung im Land Brandenburg berufen worden.

Auf der Berlinale- Pressekonferenz teilte Meltem Kaptan mit: „Als ich das erste Mal auf Rabiye getroffen bin, war es so gewesen, als würden wir uns schon jahrelang kennen. Sie ist eine taffe Frau und gute Mutter. Jede Mutter auf der Welt will immer ihren Kindern helfen“.

Viele Fragen sind bis heute unbeantwortet. Der damalige Außenminister „Joschka“ Fischer (GRÜNE) berief sich immer darauf, Murat nicht helfen zu können, da dieser ja türkischer Staatsbürger sei. Ob er Rabiye mit dieser Aussage nur abwimmeln wollte und wirklich nicht mehr tun konnte, bleibt unbeantwortet. Als Bundeskanzlerin Merkel 2005 ihr Amt angetreten hatte, schreibt Docke ihr einen Brief. Das große Wunder geschieht: Bereits nach vier Tagen erhält er ein Antwortschreiben. Bei ihrem ersten Besuch in den USA spricht die Bundeskanzlerin die Gefangenschaft von Murat an. Der US-Präsident soll ihr geantwortet haben: „Den wollte ich Euch doch schon vor Jahren geben. Ihr wolltet ihn doch nicht haben“. Als der Anwalt von diesen-angeblich- gefallenen Worten erfährt, bricht für ihn seine kleine Welt zusammen. Unter ROT-GRÜN und Bundeskanzle Schröder tat sich nichts in Sachen Freilassung für seinen Mandanten, den er noch nie gesehen hatte. Bewiesen ist: Angela Merkel (CDU) ist kaum im Amt und die Akte Murat nimmt volle Fahrt auf. Im Film ist zu sehen und zu hören, dass Docke, der sich selber politisch im Links-Grünen Spektrum beheimatet sieht, von zahlreichen Politikern aus den eigenen Reihen alleingelassen fühlt. 

Andreas Dresen drückte dieses Verhalten auf der Pressekonferenz so aus: „Es ist an der Zeit, dass der ein oder andere politisch Verantwortliche Worte der Entschuldigung findet. Das ist doch das mindeste, was man verlangen darf. So ein Verhalten unterscheidet auch einen Staatsmann von einem Politiker“. Ebenso wies er darauf hin: „Murat ist in Deutschland geboren worden, ging hier zur Schule, machte hier eine Ausbildung. Er ist ein Teil unserer Gesellschaft, ob nun mit türkischem oder deutschem Pass“.

Ein sehr sehenswerter Film im Sektor Wettbewerb mit überragenden Schauspielerleistungen und einer fantastischen Drehbuchautorin sowie dem begnadeten Regisseur Andreas Dresen ist mit „RABIYE KURNAZ GEGEN GEORGE W. BUSH“ den Cineasten auf der Berlinale präsentiert worden. 

Die Jury hat die großartigen künstlerischen Leistungen mit zwei Silbernen Bären geehrt. Eine Ehrung erhielt Hauptdarstellerin Meltem Kaptan, die andere ging an Drehbuchautorin Laila Stieler.



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