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Mittwoch, 09.05.2007

Leserbriefe



Sandra M. schrieb:
Leserbrief zu:"Bevor die Islamkonferenz baden geht..."


Ich kann mich dem Beitrag von Raida Chbib nur anschließen, vermisse aber ein solch starkes muslimisches Selbstbewußtsein in der öffentlichen Debatte.

Die Islamkonferenz dient nur einem Zweck: den Muslimen ihre Religionsfreiheit abzuverhandeln. Was wir freiwillig hergeben, muss Herr Schäuble uns nicht unter Zwang wegnehmen. Das sähe ja im Ausland so schlecht aus, das (so z.B. die USA) ohnehin mit Sorge auf den bizarren Umgang der Europäer mit den Muslimen guckt. Stattdessen lassen wir uns permanent beleidigen und so lange an die Wand quatschen, bis wir einknicken und was tun?
Selber glauben, dass wir mit der "deutschen Werteordnung" nicht vereinbar sind? Dem Glauben abschwören?

Ich bin gebürtige Deutsche mit beiden juristischen Staatsexamen. Ich brauche keine Konferenz, die mich hier integriert. Schon die Idee ist eine Beleidigung. Für mich wie für sämtliche Schwestern und Brüder. Wenn der Staat Religionsfreiheit auch für die Muslime garantieren würde, gäbe es viele Schwierigkeiten nicht. Die restlichen Probleme wären zu beseitigen, wenn die strukturelle Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund abgestellt würde. Beides sind Leistungen, die der Staat zu erbringen hat. Nicht wir.

Wenn man sich eingehender mit der Historie Deutschlands zwischen 1880 und 1933 beschäftigt, kann man sich ausrechnen, welche Möglichkeiten wir haben: völlige Assimilation, wie es die Regierung will. Nützt aber nichts, denn den Juden hat das Schweinefleischfressen auch nicht geholfen (leider fällt mir gerade nicht mehr ein, wer diesen etwas brutalen, aber leider wahren Satz gesagt hat). Ins private Versinken, d.h. Religion nicht leben? Eine Möglichkeit, aber wenig lebenswert und letztendlich auch keine Rettung, wie die Geschichte gezeigt hat. Dritte Möglichkeit: selbstbewußt sein und sich gegen die ständigen Übergriffe wehren. Wenn wir hier bleiben möchten, wird uns - so meine ich - nichts anderes übrig bleiben. Ich kann nur jedem Muslim, der noch ernsthaft an die Integrationsbereitschaft der deutschen Mehrheitsgesellschaft - also auch der von dieser gewählten Regierung - glaubt, einen Blick auf den "Berliner Antisemitismusstreit" von 1880/81 empfehlen, in dem man bereits alles finden kann, was wir heute auch täglich lesen müssen. Auch die "Integration" kommt schon drin vor. Nur waren es damals die Juden, "die sich integrieren müssen". Das Ergebnis ist bekannt. Spätestens beim Lesen der Originalquellen, die zum Teil wörtlich mit heutigen Artikeln über und Forderungen an uns übereinstimmen, dürfte auch die letzte Naivität verschwinden.

Warum kippen wir die Konferenz nicht? Und setzen unser Recht auf freie Ausübung der Religion notfalls in jedem Einzelfall vor dem Verfassungsgericht durch? Es geht nämlich tatsächlich nicht um diese Einzelfragen, die in lächerlicher Weise von Regierungsseite überspitzt werden. Außer mir scheint sich hier z.B. niemand mehr erinnern zu können, dass das getrennte Unterrichten von Jungen und Mädchen seinerzeit eine Forderung der deutschen Frauenbewegung war. Weil getrennte Ausbildung das Selbstbewußtsein der Mädchen stärkt. An den erfolgreichsten Schulen der USA wird sie heute selbstverständlich als Errungenschaft der Frauenbewegung praktiziert (Bsp.: Wellesley, wo Madeleine Albright und Hillary Clinton studierten). Interessiert hier nicht mehr, denn wenn der böse Muselmane das gut findet, dann kann es nur schlecht und frauenfeindlich sein.

Und was soll überhaupt verhandelt werden? Egal, was Herr Schäuble mit Kelek und Ates bespricht: muss mich das interessieren? Spätestens, wenn wir wegen Klassenfahrt und Schwimmunterricht vor das Verfassungsgericht ziehen (ein
langer und mühsamer Weg, aber die einzige Chance) wird sich zeigen, was diese Konferenz - so sie jemals ein Ergebnis bringt - rechtlich überhaupt wert ist: nichts. Ihr Zweck ist die "freiwillige" Aufgabe unserer Religionsfreiheit und das Niederknüppeln muslimischen Selbstbewußtseins.

Ach ja, die vierte Möglichkeit, die ich selbst immer mehr in Betracht ziehe, habe ich oben vergessen: Emigration.


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