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Mittwoch, 06.02.2013 | Drucken |
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„Die historische Kontextualisierung soll keineswegs religiöse Rituale relativieren“
Mouhanad Khorchide wehrt sich gegenüber der Kritik von Mohammed Khallouk, der an bestimmten Stellen in seinem Buch eine Relativierung von Glaubensfragen erkennt
Zur Erinnerung: Mohammed Khallouk schrieb kürzlich auf islam.de eine Kritik über das Buch von Mouhanad Khorchide „Islam ist Barmherzigkeit“. Nun meldet sich der Autor und Islam-Hochschulprofessor an der Uni Münster, Mouhanad Khorchide, selbst zu Wort mit einer Erwiderung. Man darf gespannt auf den weiteren Verlauf dieser Dabette mit ernsten Hintergrund sein. Im Hinblick macher facebook-Eintragungen in den letzen Tagen, bleibt zu hoffen, das diese Debatte konstruktiv, denn polemisch geführt wird (Anm. Redaktion).
Über die Absichten eines Menschen, kann im besten Fall nur der Mensch selbst etwas sagen. Zu meinen Absichten mit diesem Buch schreibe ich in der Einleitung folgendes: „Mein Ziel ist es, dieses Bild vom Islam als Angebot an Muslime zu richten, die bereit sind, ihren Glauben zu reflektieren, und die offen für Antworten sind, die sie bisher noch nicht kannten. Wer es ernst mit seinem Glauben meint, der muss, meine ich, für jeden Gedanken offen sein, auch wenn dieser Gedanke im ersten Moment »anders« als gewohnt klingt. Ich lade die muslimischen Leser ein, sich die Chance zu geben, diese Gedanken kennenzulernen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Das Buch richtet sich aber auch an Menschen, die ein stark verzerrtes Bild vom Islam haben, das einer restriktiven und gewaltbereiten Religion. Auch diese Leser haben hier die Möglichkeit, einen neuen Islam kennenzulernen: einen, der nicht nur mit Demokratie und Menschenrechten vereinbar und bemüht ist, einen Beitrag zu einem konstruktiven Miteinander aller Menschen zu leisten, sondern der auch den Wert des Menschen als würdevollstes Geschöpf Gottes betont, unabhängig davon, welche Weltanschauung der einzelne Mensch haben mag.“
Der Islam hat uns gelehrt, dass man sich nie anmaßen soll, über die Absichten eines anderen Menschen zu spekulieren. Und insbesondere diese und ähnliche Werte stehen im Mittelpunkt der Frömmigkeit, zu der der Islam mit Nachdruck aufruft. Gerade muslimische Intellektuelle sollten sich an diese Werte erinnern und sie möglichst vorbildlich vertreten. Dazu folgende Erzählung, die sich zur Zeit des Propheten Mohammed ereignet hat: Ein Gefährte des Propheten namens Usama nahm eines Tages die Verfolgung eines feindlichen Soldaten auf. Als er diesen Soldaten einholte und ihn gefangen nahm, sprach dieser sofort das Glaubensbekenntnis des Islam. Obwohl Usama dies hörte, tötete er ihn, in der Annahme, dass sein Ausspruch nur ein Versuch gewesen sei, dem Tod zu entrinnen. Als der Prophet Mohammed davon erfuhr, war er sehr wütend. Er sagte: „Usama! Du hast einen Menschen umgebracht, der das Glaubensbekenntnis sprach.“ Usama erwiderte: „O Gesandter Allahs, es kam nicht aus seinem Herzen.“ Daraufhin sagte der Prophet: ‚Hast du denn sein Herz aufgeschnitten und hineingeschaut?!“
Ich weiß nicht, wie sich ein Wissenschaftler anmaßt, zu behaupten, die eindeutige Intention eines Autors zu wissen, bevor er sein Buch gelesen hat. Geschweige davon, dass er in seinem Artikel suggeriert, dass das Islambild, das ich hier vertrete, von Frömmigkeit getrennt ist. Jeder, der dieses Buch mit neutralen Augen liest, wird feststellen, dass diese Kritik der Relativierung des Islam am Inhalt des Buches vorbei geht. Die sich mehrfach wiederholende falsche Schreibweise meines Namens ist nur symptomatisch für die Missverständnisse im Beitrag.
Die Muslime werden immer fünf Mal am Tag beten, im Ramadan fasten und einmal im Leben nach Mekka pilgern
Hier einige Zitate aus meinem Buch zur konstituierenden Bedeutung von religiösen Ritualen für die Identität des Islam:
„Seine Identität bekommt dieser Islam durch spezifische Elemente, die nur für Muslime gelten, wie das fünfmalige Pflichtgebet am Tag in Richtung Mekka, das Fasten im Monat Ramadan, die Pilgerfahrt nach Mekka usw. Man kann also sagen, dass gerade die fünf Säulen des Islam (Glaubensbekenntnis, Gebet, Fasten, soziale Abgabe und Pilgerfahrt) die identitätsstiftenden Merkmale für den Islam im spezifischen Sinne sind.“ (S. 88f.)
„Während Konsens unter allen muslimischen Gelehrten darüber besteht, dass Regelungen von religiösen Ritualen (dazu gehören vor allem die sogenannten fünf Säulen des Islam: Glaubensbekenntnis, das rituelle Gebet, das Fasten, die soziale Abgabe und die Pilgerfahrt) sowie Regelungen mit ethischem Charakter, wie das Gebot der Güte und Aufrichtigkeit, einen ahistorischen Charakter besitzen, d. h. für alle Musliminnen und Muslime für alle Zeiten gelten“ (S. 122)
„Zum zweiten Argument der Relativierung von religiösen Ritualen durch die historische Kontextualisierung des Koran will ich Folgendes bemerken: Bei den religiösen Ritualen, wie bei dem rituellen Gebet, dem Fasten im Monat Ramadan, der sozialen Pflichtabgabe oder der Pilgerfahrt nach Mekka handelt es sich um religiöse Praktiken, die vom gesellschaftlichen Wandel unabhängig sind. Daher gelten sie im siebten Jahrhundert in Mekka und Medina genauso wie im 21. Jahrhundert in Europa. Die Muslime werden immer fünf Mal am Tag beten, im Ramadan fasten und einmal im Leben nach Mekka pilgern. Dies gilt auch für weitere religiöse Gebote, die dem gesellschaftlichen Wandel nicht unterliegen, wie die Speisevorschriften im Koran.“ (S. 148f.) „Die historische Kontextualisierung soll keineswegs religiöse Rituale relativieren“ (S. 150)
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