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Dienstag, 11.10.2005 | Drucken |
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Ohne Not setzt NRW-Regierung den „Fetisch“ Kopftuch auf die politische Agenda - Kommentar
ZMD:„Völlig überflüssig“ - Muslimische Lehrerinnen schon bald auf der Strasse?
Ohne Not versucht jetzt die NRW-Regierung das Kopftuch auf die politische Agenda zu setzen. Die Fraktionen der schwarz-gelben Regierungskoalition im Düsseldorfer Landtag werden nach den Herbstferien ein gesetzliches Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen in Nordrhein-Westfalen einleiten.
Zu dem Verbots-Vorhaben der nordrhein-westfälischen Regierungskoalition hat der Zentralrat der Muslime in Deutschland vor mehreren Wochen bereits geäußert, das Verbot sei „völlig überflüssig“. Es habe in den vergangenen Jahren an den Schulen in NRW keine Probleme mit dem Kopftuch gegeben, sagte der Zentralrats-Vorsitzende Nadeem Elyas. Die wenigen muslimischen Lehrerinnen, die zum Teil seit Jahrzehnten erfolgreich und integrativ im NRW-Schuldienst tätig sind, werden wohl schon bald auf der Straße stehen oder vom Staat zurück an „den Herd“ beordert werden. Kein gutes Signal für die Integration in NRW.
Die katholische Kirche hat nach eigenen Angaben zu dem bevorstehenden Gesetz „große Bedenken“. Sie wird aber umgehend von der CDU wohlweislich beruhigt. "Ein Kopftuchverbot bedeute keineswegs die Verpflichtung des Staates, auch das christliche Kreuz, die Ordenstracht oder die jüdische Kippa zu verbieten". Na, dann ist ja alles klar, manche Religionen sind halt „gleicher“ als andere.
„Es geht beim Kopftuchverbot nicht um eine Bewertung von Religionen oder gar bestimmten Glaubenswahrheiten“, erläuterte der FDP-Fraktionschef Gerhard Papke. Klug daher geredet, doch gerade das geschieht jetzt: Staat und Regierung beanspruchen die Interpretationshoheit über den Islam und erklären das Kopftuch trotz massiver anders lautenden Aussagen und Praxis der Muslime, der kopftuchtragenden Lehrerinnen und der muslimischen Organisationen als „Fundi-Objekt“. „Der freiheitliche Staat müsse sich einmischen, wenn an den Schulen fundamentalistische Haltungen Einzug hielten“, beteuert Papke heldenhaft. Wohlwissend, dass die Warnung vor dem Fundamentalismus heute bereits ausreicht, um Gesetze zu ändern.
Die Bevormundung des Islam in Deutschland nimmt weiter seinen Lauf und kaum einer scheint sich darüber sonderlich aufzuregen, schließlich gehe es ja im Großen um die Abwehr der schleichenden Islamisierung der Gesellschaft. Da muss man es mit dem Grundgesetz nicht immer so genau nehmen.
Erinnern wir uns noch an den Beginn der Debatte, wo die Kopftuchverbieter scheinheilig versprachen, dass es nur um die Lehrerin in der Schule geht. Heute kann ungeniert darüber debattiert werden, das Kopftuchverbot auf Schülerinnen, Frauen in öffentlichen Einrichtungen und Gerichten auszuweiten. Wo und wie endet diese Debatte? Das Kopftuch wird zum Fetisch und diesmal sind nicht mal die Muslime daran schuld.
Erinnern wir uns auch, was das Grundgesetz (Artikel 3, Absatz 3) einmal vorgesehen hat: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Die Realität sieht wohl etwas anders aus. In Zukunft müssen sich unsere muslimischen Frauen warm anziehen – pardon – ausziehen. (Hany Jung)
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