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Donnerstag, 02.08.2001
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Diskussion über Klonen in den USA voll entbrandtVon den Grenzen der Wissenschaft und der WeisheitDrei Stunden lang rangen sie miteinander, mit ihrem Gewissen und ihrer Unwissenheit im Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten. Sie bezichtigten einander des Mordes an Embryonen und des Totschlags an Millionen Schwerkranker durch unterlassene Hilfeleistung. Sie ereiferten sich und klagten einander an, sich zu Schöpfern aufzuwerfen, die es wagen, Leben zu gewähren und Heilung verweigern. Und sie wirkten dabei elend und verlassen von ihren Kollegen und ihren Wählern. Denn die Kammer war leer; kaum zwei Dutzend Abgeordnete führten Amerikas Debatte über Leben und Tod und wie sie es mit der Religion halten. Jede Seite berief ihre Geister zu Zeugen. Josef Mengele und Aldous Huxley, Galileo und die Päpste, Dolly und Frankenstein, Faust und anonyme Wunderheiler, endlich die namenlose Maus, der im Labor das Herz infarziös gebrochen und mit Stammzellen wiederhergestellt wurde - sie alle wurden in einem bizarren Panoptikum beschworen für das Grauen des Handelns wie für eine Hybris der Unterlassung. Als endlich alles gesagt und viel zu wenig ausgesprochen war, verbannte das amerikanische Unterhaus - inzwischen mit herbeigeeilten Abgeordneten gefüllt - jede Form des Klonens mit 265 gegen 162 Stimmen und stellte es unter schwere Strafe. Zehn Jahre Haft und mindestens eine Million Dollar Geldstrafe drohen Wissenschaftlern in den USA, falls das Gesetz den Senat passiert. Nicht einmal der Import von geklontem Zellmaterial wäre zugelassen. Amerika fürchtet Gott mehr als schlechte Geschäfte.Der ohnehin schwach ausgeprägte Fraktionszwang war, wie es sich geziemt, aufgehoben. Es stimmten 63 Demokraten und zwei Parteilose mit 200 Republikanern für den Gesetzentwurf Dave Weldons, eines Republikaners (und Biomediziners) aus Florida. Präsident George W. Bush, der vor der Debatte für die Regierung seine strikte Ablehnung auch des therapeutischen Klonens kundgetan hatte, rühmte das "starke ethische Statement" der Kammer: "Wir müssen die Sache und die Verheißung der Wissenschaft voranbringen, aber in einer Weise, die das Leben ehrt und respektiert." Ganz anders sah das James Greenwood, Republikaner aus Pennsylvania, dessen Gegenentwurf therapeutisches Klonen unter strengen Auflagen zulassen wollte und für reproduktives Klonen ein Moratorium von zehn Jahren vorsah. Er verspottete das Abstimmungsergebnis als finsteres "Die-Erde-ist-eine-Scheibe-Denken", weder wissenschaftlich begründet, noch mitfühlend. Seine siegreichen Kollegen seien im Glauben so stark wie in ihrer Vernunft jämmerlich. "Unerbittliche Dinformation", nannte die Debatte schließlich ein gewisser Mike West, Chef des Unternehmens Advanced Cell Technology in Massachusetts, das Experimente mit therapeutischem Klonen plant. Und natürlich kann ein Experte das so sehen. Mit den biotechnologischen Details waren die zwei Dutzend Aufrechten im Repräsentantenhaus wie fast alle Politiker in der Welt überfordert. Sie teilen das mit ihren Wählern. Mehr zu fühlen als zu wissen, wovon sie reden, disqualifiziert sie nicht im Streit um die ethischen, moralischen, religiösen Dimensionen des Klonens. Aber es könnte sein, wie James Greenwood im Namen vieler Fachleute beanstandete, dass sie sich in eine tröstliche Schimäre flüchten, wenn sie für Stammzellenforschung eintreten, therapeutisches Klonen aber verteufeln. Das sei so ähnlich und so naiv, als konstruiere man die ersten Flugzeuge mit der Auflage, nie Militärmaschinen zu bauen. Selbstverständlich herrschte Verwirrung - über Begriffe, den Stand der Forschung, die Wünsche und das Wunschdenken des Volkes, selbst unter den Belesenen und aufrichtig Zweifelnden im amerikanischen Unterhaus. Was embryonale oder adulte Stammzellen vermögen, war so umstritten wie die Glaubensfrage, ob ein "Klumpen aus 300 Zellen" eine Person mit Menschenrechten repräsentiert oder neutrales, vormenschliches Spielmaterial der Natur. Wer gegen therapeutisches Klonen auftrete, verurteile Millionen kranker Amerikaner zum Tode. "Wie können wir, die wir selbst Opfer dieser schrecklichen Krankheiten werden können, die wir Familien und Freunde haben, die krank werden können, und denen wir alle Hoffnung nehmen, wie können wir solch eine Selbstherrlichkeit verantworten", erregte sich Greenwood. "Gebt den Menschen der Erde dieselbe Chance wie einer Maus." Das sei barer, ehrabschneidender Unsinn, empörten sich Weldons Leute. Der Gedanke, das Embryonen wie kommerzielle Waren verramscht, ausgebeutet und nach Gebrauch getötet werden dürften, sei monströs. Und dazu komme, so argumentierte Dave Weldon, dass die Behandlungschancen für Querschnittgelähmte und für an Parkinson, Diabetes oder Alzheimer leidende Menschen nicht mehr als ein "Wolkenkuckucksheim" darstellten. Drei Prozent Erfolgsrate bei den Klonversuchen, so Weldon weiter, die das Schaf Dolly hervorbrachten, schrecklichste Missbildungen und perverse Kreaturen, die in menschlicher Form sich vorzustellen alle Fantasie übersteige. An die Büchse der Pandora, die von der Eugenik der Nazis aufgebrochen und geschändet und unter großen amerikanischen Opfern wieder versiegelt wurde, dürfe nie mehr getastet werden. "Es geht nicht um die Grenzen der Wissenschaft", rief der Demokrat David Wu aus, ein Befürworter der legalisierten Abtreibung wie der Stammzellenforschung, "sondern um die Grenzen der menschlichen Weisheit". Sie quälten sich, und die Sprache verriet oft eine gereizte Unsicherheit, die mit brutalen Metaphern überspielt werden sollte. Es war die Rede von "schlechter Science Fiction" und "medizinischen Schrottplätzen", von "Designerkids" und "Embryonen, die statt Vater und Mutter eine Firma haben". Aber man bewahrte Haltung, Würde, Respekt, so schwer es zuweilen fiel. Die Abstimmung ist ein erstes und gewichtiges, aber keinesfalls das letzte Wort der amerikanischen Politik zu dem Thema. Noch wird der Senat darüber abstimmen. Und Präsident Bush muss in den kommenden Wochen entscheiden, ob er Bundesmittel für Stammzellenforschung bewilligen will oder nicht. Er versprach im Wahlkampf der religiösen Rechten und kürzlich dem Papst in Rom, dass der Staat nicht Beihilfe leisten werde zu einer Forschung, die nicht nur in der Führung der katholischen Kirche als Mord gilt. Aber Bush hat ein Problem mit seinen Wählern. Nach jüngsten Umfragen befürworten 88 Prozent der Amerikaner staatliche Stammzellenforschung (und lehnen fast ebenso entschieden das Klonen ab), fast zwei Drittel der amerikanischen Katholiken verweigern bei diesem Thema dem Heiligen Stuhl die Gefolgschaft. Ob sie wirklich wissen, wovon sie reden, ist eine andere Frage. |