Artikel Donnerstag, 27.09.2018 |  Drucken

Unwandlung von Evangelischer Kirche in Moschee: Grußwort zur Eröffnung der Al-Nour-Moschee in Hamburg-Horn Pastor Dr. Klaus Schäfer, Direktor des Zentrums für Mission und Ökumene in der Nordkirche

Sehr verehrter Herr Samir El-Rajab, Imam der Al-Nour-Moschee hier in Hamburg-Horn

sehr geehrter, lieber Herr Daniel Abdin, Vorsitzender des Vorstands des Islamischen Zentrums Al-Nour e.V.,

sehr geehrter Herr Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime,

sehr geehrter Herr Staatsrat Dr. Christoph Krupp, Leiter der Senatskanzlei

sehr verehrter Herr Hamad al Hazim, Vizebotschafter des Emirats Kuweit in der Bundesrepublik Deutschland,

sehr verehrter Herr Dr. Lars Castellucci, Sprecher für Migration und Integration und Beauftragter für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin,

Exzellenzen, verehrte Ehrengäste, meine Damen und Herren,
Ich freue mich, heute und hier für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland ein Grußwort sagen zu dürfen und Ihnen unsere Glückwünsche zur Fertigstellung und Eröffnung der Al Nour-Moschee überbringen zu können. Ich tue das als Direktor des Zentrums für Mission und Ökumene in der Nordkirche und ich bin in der Nordkirche im Augenblick für den christlichislamischen Dialog zuständig.

Kirchen und Moscheen sind ganz besondere Gebäude. Sie sind Orte, an und in denen wir Menschen die Begegnung mit Gott suchen, in denen unsere jeweilige Gemeinschaft des Glaubens sich sichtbar konstituiert; sie sind Stätten, an denen wir in Gebet und Lobpreis, aber auch im Wort und Angesprochensein von Gott her Orientierung für unser Leben suchen. Kirchen und Moscheen sind, jedenfalls evangelisch gedacht, nicht eigentlich Wohnungen Gottes, wohl aber Begegnungsräume mit dem und Erfahrungsräume des Heiligen.

Hier in der ehemaligen Kapernaum-Kirche haben Menschen dies über Jahrzehnte erfahren und erlebt. Hier fanden Gottesdienste statt, Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten und auch Trauerfeiern anlässlich der Beerdigung von Menschen. Es war ein Raum, in dem Menschen – Alte und Junge, Familien und Einzelne - im Auf und Ab ihres Lebens, in Freude und Leid, Segen vonGott her gesucht und auch erfahren haben. Das gibt kirchlichen Gebäuden – wie auch Moscheen – ihre ganz besondere Bedeutung und Würde.

Und wir alle wissen es: Die Kirche, die 1961 errichtet und als Kapernaum-Kirche in Dienst genommen wurde, war dann im Zuge demographischer Veränderungen schon im Jahre 2002 entwidmet und an einen Investor verkauft worden. Ich bin sicher, damals war es für die Gemeinde nicht leicht, die Kirche, mit der Menschen so viele Erinnerungen verbinden, aufzugeben und sich als Gemeindeglieder neu zu orientieren.

Heute nun erleben wir in dieser Feierstunde, dass die ehemalige Kapernaum-Kirche eine neue religiöse Nutzung bekommt. Hier wird nicht eine Religion durch eine andere abgelöst. Hier werden auch nicht zwei Religionen vermischt; eine Kirche ist eine Kirche und eine Moschee ist eine Moschee.

Und doch haben wir hier im Verlauf der letzten Jahre miteinander eine ganz besondere Geschichte erlebt, die heute einen gewissen Höhepunkt – aber sicher nicht Endpunkt - erfährt. Das Besondere ist die Geschichte eines gewachsenen Vertrauens zwischen Christen und Muslimen, für das wir nur dankbar sein können. Kirche und Moschee leben hier nicht einfach nur nebeneinander her, sondern suchen gute Nachbarschaft zu pflegen und zu gestalten und auch gemeinsam weiterzuentwickeln.


Ich finde bemerkenswert, dass Sie, lieber Daniel Abdin, den Umbau dieser entwidmeten und damals leer stehenden Kirche als ein interreligiöses Projekt verstanden und interpretiert haben. Sie haben Gespräche gesucht, sich um Transparenz bemüht; Sie haben Kirchengemeinden und kirchliche Gruppen eingeladen – und tun dies ja auch weiterhin -, Brücken gebaut, Vertrauen geschaffen und dadurch Respekt und Vertrauen aufgebaut. Und auch umgekehrt haben Menschen / Christen aus den Gemeinden hier im Umfeld und auch darüber hinaus in unserer Kirche insgesamt den Bau der Moschee begleitet, sich informiert und lebhaft Anteil genommen an dem, was hier geplant und gebaut wird. Diese Transparenz, dieses Miteinander ist bemerkenswert und macht die Al Nour-Moschee zu einem leuchtenden Beispiel interreligiöser Offenheit und interreligiösen Gesprächs. Dafür sind wir dankbar!

Wir wissen, dass es am Anfang auch skeptische Stimmen gegeben hat, und es ist uns auch bewusst, dass dies hier eine besondere und sicherlich einmalige Geschichte ist. Hier wird die Identität unserer beider Religionen gewürdigt, und doch zugleich eine Gemeinschaft erfahren, die wohl nur in dieser Konstellation und diesem Umfeld möglich war. So freuen wir uns heute darüber, dass die ehemalige Kapernaum-Kirche eine neue religiöse Nutzung erfährt und die AlNour-Gemeinde hier eine neue Heimat findet. Manche von uns, wie etwa Pastor Axel Matyba, der ehemalige Beauftragte für den Christlich-Islamischen Dialog der Nordkirche, haben sich auch auf der kirchlichen Seite sehr dafür eingesetzt, dass möglich werden konnte, was wir heute miteinander feiern - bis hin zum Marathon-Lauf in New York zu Gunsten der Al Nour-Moschee in Hamburg-Horn.

In manchen Ländern gibt es Streit und Gewalt um religiöse Stätten und Gebäude. Da werden Moscheen zerstört, um Tempel zu bauen. So etwas wollen wir hier nicht erleben. Und wir sind auch entschieden nicht der Meinung, dass deutsche Staatsangehörigkeit oder Nationalität mit einer bestimmten Religion verbunden ist oder als ob Nation und Religion gleich geschaltet oder in eins gesetzt werden könnten. Nein, eine Gleichsetzung von Nationalität oder nationaler Zugehörigkeit und Religion ist weder mit dem Grundgesetz und dem Menschenrecht auf Religionsfreiheit noch mit dem Wesen von Religion überhaupt, die immer eine Angelegenheit des persönlichen Gewissens ist, vereinbar. Deshalb sind solche Schmierereien, wie sie am 3. September hier an der Al Nour-Moschee angebracht worden sind – ich will die dummen und beleidigenden Slogans jetzt gar nicht zitieren – entschieden zu verurteilen. Wir haben dies von Seiten der Kirche auch getan!

Gebäude für religiöse Zwecke sind wichtig, keine Frage. Und es ist sehr richtig, dass – wie Sie, lieber Herr Abdin immer gesagt haben – der Islam auch repräsentative Gebäude braucht, um in unserer Gesellschaft wirklich anzukommen und seinen wichtigen und wertvollen Beitrag für unser Zusammenleben leisten zu können. Worauf es aber ankommt, sind letztlich die Menschen: Christen und Muslime, die je ihre eigene Religion und Überzeugung leben, sich dabei aber tolerant und pluralismusfähig zeigen und gute Nachbarschaft mit der je anderen Religionsgemeinschaft pflegen. Wir sind sehr dankbar für die Weggemeinschaft in interreligiösen Begegnungen und Gesprächen, die wir in Hamburg allgemein - im Umfeld der Al Nour-Moschee und weit darüber hinaus, wie auch in der Bundesrepublik überhaupt – in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten erlebt haben.

Hier ist viel gewachsen: Es gibt heute, gerade hier in Hamburg-Horn, die sehr offene und gute Nachbarschaft mit der Martinskirche; es gibt sehr viel Interesse und freundlichen Nachbarschaftsgeist von zahlreichen anderen Gemeinden in der Region des Kirchenkreises HamburgOst. Da gibt es eine besondere Nähe zum und Zusammenarbeit mit dem Rauen Haus hier in Hamburg-Horn, deren Mitarbeitende und Freunde kürzlich nach den Schmierereien zu einem Solidaritätsbesuch zu Ihnen in die Moschee gekommen waren.

Und natürlich pflegen wir auch auf der Ebene der Nordkirche intensive Beziehungen: Wir senden Grüße zu den religiösen Festen, wir freuen uns immer wieder über Einladungen zu IftarEmpfängen und sind dankbar für die jeweils einem gemeinsamen Anliegen oder Thema gewidmeten Begegnungen zwischen unserem Vorstand und dem Vorstand der Schura. Und nicht zuletzt gibt es die Zusammenarbeit im Interreligiösen Forum hier in Hamburg, das noch einmal eine sehr viel weitere wichtige interreligiöse Kontaktfläche zwischen den Leitungspersonen verschiedenen Religionsgemeinschaften darstellt. Ich bin sehr glücklich über diese interreligiösen Kontakte, und ich wünsche mir, dass die unter uns gewachsene Begegnungs- und Dialogkultur durch die Ausstrahlung dieser Moschee noch vertieft werden wird.

Wir brauchen den Dialog, um einander besser verstehen zu lernen. Wir brauchen ihn aber auch, weil wir nur so – gemeinsam - als Kirche und Moschee einen Beitrag zur Integration und zum friedlichen Zusammenleben in unserer demokratisch geprägten Gesellschaft zu leisten in der Lage sein werden.

Dieser interreligiöse Dialog hat eine starke Basis, auf der wir ihn zu gestalten suchen.

Er beruht:

- auf dem Respekt für die Verschiedenheit unserer religiösen Überzeugungen, mit denen wir als Christen oder als Muslime unser Leben im Glauben an Gott und in der Liebe zu unseren Nächsten zu gestalten suchen;

- auf der Wertschätzung für die Gemeinsamkeiten, die wir in vielen Begegnungen zu sehen und zu würdigen gelernt haben und die wir immer wieder neu und immer tiefer entdecken;

- auf der Bereitschaft zum Gespräch, da wo es Fragen aneinander gibt oder wo Irritationen auftreten mögen; und schließlich

- auf der Entschiedenheit zur Kooperation, wenn es darum geht – in biblischer Sprache mit dem Propheten Jeremia gesprochen – „der Stadt Bestes“ (Jeremia 29,7) – also das Wohl unseres Gemeinwesens hier in Hamburg und in Deutschland – suchen.

Viele Menschen in unserer Gesellschaft – die einen skeptisch, die anderen erwartungsvoll – schauen auf uns, die wir unseren Glauben in Kirche und Moschee leben wollen: Zeigen wir ihnen, dass wir gemeinsam für ein friedliches und tolerantes Miteinander in Hamburg wirken!

Die Geschichte hier in Hamburg-Horn ist eine wunderbare Geschichte! Wir freuen uns auf eine weiterhin und noch vertiefte gute Nachbarschaft von Kirche und Moschee – und wir gratulieren herzlich zur Eröffnung!

Herzlichen Dank!

Für Rückfragen: Claudia Ebeling, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Zentrum für Mission und Ökumene in der Nordkirche, 040 88181-415, 0151 17595017, c.ebeling@nordkirche-weltweit.de


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