Blutigster Tag der jüngeren Geschichte Ägyptens
Stellungnahme des Zentralrates: „Trauer um die Toten und sofortiger Gewaltverzicht gegenüber den Demonstranten“ – Reaktionen der UNO, EU, Deutschland und USA
Die offizielle Zahl der Toten durch die Staatsgewalt ist auf 525 gestiegen, inoffiziell ist von bis zu 2000 Toten die Rede. Landesweit seien zudem 3717 Menschen verletzt worden. Vize-Präsident Mohammed el-Baradei reichte als Reaktion auf die Eskalation der Gewalt seinen Rücktritt ein. Die Übergangsregierung verhängte für einen Monat den Notstand. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland nahm heute Stellung zu den jüngsten Gewaltexzessen in Ägypten. In einer soeben herausgegebenen Pressemitteilung heißt es:
"Wir sind geschockt wegen der brutalen Gewalt und der vielen Toten und Verletzten der letzten Tage in Ägypten. Wir trauern um die Toten und mit ihren Angehörigen.
Der ohnehin schleppende Weg zu Demokratie ist derzeit zum Erliegen gekommen. Einmalmehr hat sich gezeigt, dass staatliche Repression das falsche Mittel ist, denn sie führt nur zu weiterer Eskalation. Es drohen die algerischen Verhältnisse der 90er am Nil.
Die Politik des Schießens muss sofort eingestellt werden. Die arabische und westliche Welt müssen die neuen Machthaber zum sofortigen Gewaltverzicht gegen die Demonstranten auffordern. Zudem verurteilen wir jegliche Gewalt, von welcher Seite auch immer. Wenn das Blutvergießen weitergeht und die Menschenrechte brutal mit Füssen getreten werden, verlieren Ägypten und die Demokratie vollends. Gewinner sind dann die Hardliner und Terroristen".
Das Gegenteil von demokratie ist der Putsch
Zudem äußerste sich der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek in einem längeren Interview gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur zu den jüngsten Geschehnissen seit dem Militärcoup in Ägypten und was diese Entwicklung für den Demokratieprozess insgesamt in der arabischen Welt bedeutet.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf den ägyptischen Sicherheitskräften „exzessive Gewalt gegen Demonstranten mit katastrophalen Folgen“ vor. Amnesty untersuche an Ort und Stelle, ob dabei Menschenrechtsverletzungen begangen worden seien. Zusagen der Regierung, tödliche Waffen nur als letztes Mittel einzusetzen, seien „anscheinend gebrochen“ worden, erklärte der Nahost-Direktor von Amnesty, Philip Luther, am Mittwoch. Die Sicherheitskräfte müssten „dringend Maßnahmen“ ergreifen, um weiteres Blutvergießen zu verhindern.
Reaktion aus Deutschland, Frankreich, EU und den USA
Die Vereinten Nationen und die EU haben Ägypten zur Beendigung der Gewalt aufgerufen. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte „auf schärfte Weise“ die Ausschreitungen bei der gewaltsamen Räumung von Protest-Camps in Kairo durch Sicherheitskräfte
Die USA und die Europäische Union verurteilten die Gewalt aufs Schärfste. Alle Seiten müssten an der Wiederherstellung demokratischer Strukturen durch Wahlen arbeiten und die friedliche Teilnahme aller politischen Kräfte zulassen, verlangte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. „Die heutigen Ereignisse sind beklagenswert und laufen dem ägyptischen Streben nach Frieden, Zusammenhalt und echter Demokratie zuwider“, sagte US-Außenminister John Kerry. Der Notstand müsse so schnell wie möglich aufgehoben werden. Der einzige Ausweg sei eine politische Lösung.
Außenminister Westerwelle berief wegen des Blutvergießens den Krisenstab des Auswärtigen Amts ein und forderte bei einem Besuch in Tunesien: „Das Blutvergießen muss beendet werden, und zwar durch Gespräche und Verhandlungen.“ Er appellierte erneut an alle Deutschen in dem Land, die Reisehinweise des Auswärtigen Amts im Internet zu beachten.
Aus Sorge vor einer weiteren Eskalation griffen internationale Politiker auf diplomatischem Wege in die Krise ein: Bundesaußenminister Guido Westerwelle bestellte den ägyptischen Botschafter ins Auswärtige Amt in Berlin ein. Damit wolle er der ägyptischen Regierung noch einmal sehr deutlich machen, dass das Blutvergießen ein Ende haben müsse, sagte Westerwelle bei seinem Besuch in Tunesien: "Es darf jetzt keine Spirale der Gewalt beginnen."
Auch Frankreichs Präsident François Hollande rief am Donnerstag den ägyptischen Botschafter zu sich. Das Treffen habe am Morgen begonnen, teilte das Büro des Staatschefs mit. In Frankreich ist es ungewöhnlich, dass der Präsident und nicht der Außenminister einen Botschafter zu sich bestellt. Aus dem Präsidentenbüro hieß es, das Ausmaß des Blutvergießens in Ägypten habe dies notwendig gemacht.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan forderte wegen der Zuspitzung der Lage in Ägypten eine Sitzung des Weltsicherheitsrates. Er warf den ägyptischen Sicherheitskräften erneut vor, beim gewaltsamen Vorgehen gegen Protestlager der Muslimbrüder in Kairo Massaker begangen zu haben.
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