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Groß-Scheich Mohammed Said Tantawi ist tot
Geliebt, nicht unumstritten und manchmal sogar gefürchtet hat der Großscheich sich vor allen Dingen dem interreligiösen Dialog zugewandt und islamisch-theologische Streitfragen auch im Westen begreifbarer gemacht
Groß-Scheich Mohammed Said Tantawi ist gestorben. Möge Allah (t) seiner Seele Barmherzigkeit schenken.
Ägyptische Staatsmedien berichteten am Mittwoch, der 82 Jahre alte Religionsgelehrte, habe während eines Besuches in Saudi-Arabien eine Herzattacke erlitten. Tantawi war 1996 zum Vorsitzenden des Al-Azhar-Institutes in Kairo ernannt worden. Das Al-Azhar-Institut, zu dem auch eine islamische Universität gehört, ist einer der bedeutendsten Institutionen des Islam, zu dem sich die Mehrheit der Muslime bekennt. Wie aus Familienkreisen bekannt wurde, wird sein Leichnam in der Prophetenstadt Medina begraben.
Geliebt, nicht unumstritten und manchmal sogar gefürchtet hat der Großscheich sich vor allen Dingen dem interreligiösen Dialog zugewandt und islamisch-theologische Streitfragen auch im Westen begreifbarer gemacht.
Vor seiner Berufung zum 43. Al-Azhar-Großscheich im Jahr 1996 war Tantawi Großmufti von Ägypten. In einer Reihe von Streitfragen, beispielsweise hinsichtlich der Geburtenkontrolle oder der Erlaubnis für eine Abtreibung bei Massenvergewaltigung als Kriegsmittel (Bosnien) hatte er moderate Standpunkte gegenüber seinem Vorgänger bezogen.
Als einer der wichtigesten Gelehrten hat er prominent den vorislamsichen Brauch der "Frauenbeschneidung" als ein Verbrechen geächtet.
Im vergangenen Jahr hatte Tantawi in seiner ägyptischen Heimat eine Kontroverse ausgelöst, weil er sein Missfallen wegen der Vollverschleierung einer muslimischen Schülerin zum Ausdruck brachte. Trotz seiner bisweilen kontroversen Positionen hat er stets ein Ohr für die Sorgen und Nöte der Menschen gehabt und in seiner persönlichen Art war Sanftmut einer seiner herausragenden Charaktereigenschaften.
Starkes Engagement im Dialig mit Juden und Christen
Noch vor ein paar Tagen empfing der Großscheich in Kairo den Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialogs, Kardinal Jean-Louis Tauran. Sie trafen auf das Ständige Komitee der Al-Azhar-Universität für den Dialog zwischen den monotheistischen Religionen, darunter auch auf den islamischen Rechtsgelehrten Scheich Muhammad Abd al-Aziz Wasil.
Ein Treffen mit Papst Benedikt XVI. vermied Tantawi, offenbar wegen der "Regensburger Vorlesung" des Papstes, dem er "Unkenntnis des Islam" vorwarf.
2002 hatte Tantawi gemeinsam mit dem damaligen anglikanischen Primas und Erzbischof von Canterbury, George Carey, eine islamisch-christlich-jüdische Dialogkonferenz in Alexandria organisiert. In der damaligen "Alexandria-Erklärung", die auch von dem israelischen Rabbiner und früheren Vizeminister Michael Melchior unterzeichnet wurde, war zu einer Verständigung zwischen den drei monotheistischen Weltreligionen und zu einem Ende der Gewalt im Nahen Osten aufgerufen worden.
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