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Montag, 19.01.2009 | Drucken |
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Feigheit der Politik, Feigheit der Medien. Ein Humanitärer Zwischenruf von Rupert Neudeck
In dieser Zeit, in der Gewalttätigkeit sich hinter der Lüge verbirgt und so unheimlich wie noch nie die Welt beherrscht, bleibe ich dennoch davon überzeugt, dass Wahrheit, Friedfertigkeit und Liebe, Sanftmut und Gütigkeit die Gewalt sind, die über aller Gewalt ist.
Eigentlich würden wir Humanitäre gern sofort etwas in dem Gaza Streifen tun, auch in dem von seinem Diktator Robert Mugabe heruntergewirtschafteten Land Zimbabwe. Aber die Politik erlaubt es nicht, die UNO bekommt es nicht hin, unser Außenminister Steinmeier schaut sich den Einschlag der Raketen im Gaza Streifen aus der sicheren ägyptischen Enklave vor der Grenze bei Rafah an.
So benehmen wir uns als Mitmenschen im Jahre 2009 gegenüber den Menschen in Not: schlecht. Sehr schlecht.
Ich sollte eigentlich am 11. Januar (Sonntag Abend) in der Anne Will-Talkshow sein. Ich war nicht nur eingeladen, mein Flug nach Johannesburg-Bulawayo (Zimbabwe) war schon auf Kosten der ARD um einen Tag verschoben. Ich bekam mit entzündeten Ohren die Nachricht, in der Runde wäre auch Daniel Barenboim, der wunderbare Chefdirigent nicht nur der Berliner Oper, sondern auch des West-Eastern Divan Orchestra, der mit diesem aus jungen jüdischen und arabischen Musikern bestehenden Orchesters 2005 in Ramallah diesen herrlichen Auftritt hatte. Es sollte zu meiner größten Freude auch Sumaya Ferhat-Nasar in der Runde sein, Biologie-Professorin an der Birzeit Universität und eine der stärksten Friedens- und Versöhnungsfrauen unter den Palästinensern. Es sollte auch der vormalige Botschafter Avi Primor dort sein, der trotz Regierungs-naher Positionen für die Wege der Verständigung offen war. Es sollte, wie ich aber erst später erfuhr, auch unser Ex-Außenminister Joschka Fischer dabei sein. Donnerstag, den 8. Januar hieß es Mittag 13 Uhr: April April. Es wurde alles abgesagt. Außer Spesen nichts gewesen.
Nun war die Sumaya Ferhat-Naser schon aus Palästina gejagt worden, was immer ein mindestens zwei Tage Unternehmen ist, weil sie ja nicht einfach über den Flughafen Tel Aviv herausfliegen kann. Sie muss die beschwerliche Reise über Jericho zur Allenby Bridge, dem Übergang zur jordanischen Seite und dann zum Flughafen in Amman unternehmen. Das dauert schon mal anderthalb Tage. Sumaya erfuhr es erst hier, dass sie sich diese Reise hätte sparen können. Eigentlich unverschämt.
Gott sei Dank hat sie am 12. Januar um 22.20 die Möglichkeit, in der Pause einer Live Übertragung bei 3sat eines Konzertes des West Eastern Divan Orchestra mit Barenboim etwas zu sagen zur Aufklärung der deutschen Öffentlichkeit. Wir halten in Deutschland ja von oben (Berlin) bis unten und von rechts nach links einfach nur den Standpunkt der Israelischen Regierung für den einzig möglichen.
Wir sind gerade seit dem 9.Januar dabei unsere erste große Solaranlage in Ruanda, als Energiequelle für unser „Nelson Mandela Educational Centre“ zu installieren. Als nächstes kommt das Begegnungszentrum auf dem Weinberg Daher an die Reihe, das unser Freund Daoud Nassar leitet. Der Berg mit seiner „Tent of Nations“ Begegnungsstätte liegt auf halber Strecke zwischen Beit Jala und Hebron und wurde aufgebaut, um Schulklassen der beiden Völker Gelegenheit zur Begegnung zu geben. Leider dürfen die israelischen Schulklassen gar nicht mehr auf die Westbank. Deshalb wäre es gut, künftig würden auch deutsche Schulklassen dort mal Station machen. Es gibt dort billige Unterkünfte in Zelten (20.- US $ pro Nacht plus Essen), es gibt einen Fußballplatz, man kann essen, man kann dort Volleyball und sogar Theater spielen. Vor zwei Jahren haben Schülerinnen und Schüler in dem kleinen Amphitheater „Romeo und Julia“ aufgeführt, das Stück, in dem zwei Clans und Familien nicht zueinander kommen sollen. In diesem Jahr könnten wir uns das Stück „Die Gerechten“ von Albert Camus vorstellen, in denen Befreiungskämpfer alles tun, um nur ja kein Kind mit einer revolutionären Bombe oder Rakete zu gefährden. Und diese Bombe auch nicht werfen, als sie sehen, dass in der Kutsche des Großtyrannen auch sein Kind sitzt
Wir werden diese 5 KW Solaranlage auf dem Berg installieren, wir hoffen, dass wir die Anlage, die bei einer Israel Firma zu gutem Preis gekauft werden konnte, auch über die Mauer hieven und sie nach Daher zu dem „Tent of Nations“-Begegnungszentrum bringen können. Ab Mitte März sollte dort Solar Strom leuchten können.
Wieder habe ich in diesen fast ausweglosen Tagen mit so vielen hunderten Toten, Verletzten, mit so vielen jungen Menschen, die in den lebenslangen Hass getrieben werden durch Bombardierung und Militäroffensiven, den Albert Schweitzer (der sich 1912 nach Lambarene aufmachte und 1965 dort gestorben ist) gehört und gelesen, den großen Pilgervater unser aller Aktivitäten:
„Die Ehrfurcht vor dem Leben gebietet uns, den hilfsbedürftigen Völkern in aller Welt Hilfe zu bringen. In dieser Zeit, in der Gewalttätigkeit sich hinter der Lüge verbirgt und so unheimlich wie noch nie die Welt beherrscht, bleibe ich dennoch davon überzeugt, dass Wahrheit, Friedfertigkeit und Liebe, Sanftmut und Gütigkeit die Gewalt sind, die über aller Gewalt ist. Ihnen wird die Welt gehören, wenn nur genug Menschen die Gedanken der Liebe und der Wahrheit denken und leben“.
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