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Montag, 08.01.2007

Leserbriefe



Gerd Steiner (Wien) schrieb:
Leserbrief zu: EU bremst türkische Beitrittsverhandlungen deutlich ab


Ich fände es für den Islam in Europa als einen Nachteil, wenn die Türkei EU-Mitglied wäre.

Zur Zeit stehen wir vor der Chance, dass sich ein "weißer Islam", also eine mittel- und westeuropäische Variante entwickelt. Dass es mehrere Varianten gibt, zeigen die Rechtsschulen oder der "Islam noir" in Westafrika, welcher sich sicher von jenem in Indien oder Südostasien (z.B. Indonesien oder Malaysia) unterscheidet.
Meine Sorge um die Entwicklung eines europäischen Islam, der auch im Stande wäre die Impulse abendländischer Werte wie Vielfalt, Freiheit und Menschenwürde (inkl. Frauenrechte) in die muslimische Welt zu tragen, betrifft die hohe Wahrscheinlichkeit der türkischen Dominanz.

Die Geschichte zeigt, dass diese Sorge nicht zu Unrecht besteht. Der Islam soll nicht mit dem Türkischen gleich gesetzt werden, noch dazu, wenn die Offenbarung in klassischem Arabisch erfolgte. Gerade als die Türkei besonders europäisch sein wollte, hat sie die arabische Schrift abgeschafft ...

Die Mondsichel, oft mit dem Islam assoziiert, war ein Symbol der osmanischen Herrscher-Dynastie und ist heute noch, in Verbindung mit dem fünfzackigen Stern, ein Symbol der Türkei. Zur Zeit des osmanischen Reiches bestand jedenfalls (z.B. im Streit des Kalifats) eine Dominanz der Türken im Islam, vergleichbar mit jener der USA heute bei den evangelikalen Christen und Freikirchen.

Ich orte die Gefahr, dass die Türken, wäre ihr Land EU-Mitglied, sich als die europäischen und vielleicht auch als die besseren Muslime im Verhältnis zu den Arabern oder zu den Afrikanern sehen.

Außerdem gibt es so einige türkische Muslime, die meinen, in Deutschland könne man zwar gut arbeiten, aber es existiere kein Anstand hier. Ich gehe davon aus, dass jener in Deutschland angestrebte Ansatz, worin sich Muslime hier als "Muslim in Deutschland" sehen eher europäischer ist, als viele Praktiken in der Türkei. Ein Muslim in Deutschland (oder Frankreich, Österreich ...) ist für mich viel eher ein Muslim in Europa als dies bei den Türken der Fall wäre.

Für mich gilt es ein Europatum auch kulturell zu bewahren. Gleich wie wir uns (als Christen) von den Amerikanern unterscheiden, unterscheiden wir uns (auch als Muslime) von der Türkei, welche freilich nicht bloß - wie viele bildlich glauben - aus Istanbul und aus der Ostküste der Ägäis besteht.

Es besteht aber die Möglichkeit, dass die Türkei als Brücke zwischen Abend- und Morgenland auftritt. Bis dahin sollte sich aber der o.g. "weiße Islam" entwickelt und ausgeprägt (z.B. durch eine eigene Rechtsschule) haben.


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