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Mittwoch, 13.11.2024
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Extreme bis extremistische Einstellungen in Deutschland auf dem Vormarsch mit Spiegelung in der Politik und MedienRassismus und anti-demokratische Tendenzen: Immer mehr Menschen in Deutschland neigen einer aktuellen Studie zufolge zu extremen Einstellungen - "Wir haben ein ernstes Demokratie-Problem.Gruppenbezogener Menschenhass, insbesondere gegen Muslime habe eine ganz neue Dimension erreicht"Berlin/Leipzig (KNA/Eigene) Rassismus und anti-demokratische Tendenzen: Immer mehr Menschen in Deutschland neigen einer aktuellen Studie zufolge zu extremen Einstellungen. In West wie Ost zeigten sich zuletzt weniger als die Hälfte der Menschen mit der Demokratie in ihrer gelebten Form zufrieden. Zugleich nähert sich die Zustimmung zu ausländerfeindlichen Aussagen im Westen den Werten im Osten an. Zu diesen zentralen Ergebnissen kommen die Autoren der "Leipziger Autoritarismus Studie 2024", die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.Die Studie mit dem Titel "Vereint im Ressentiment" erfasst seit 2002 regelmäßig die Einstellungen der Bevölkerung zu autoritären und demokratiefeindlichen Tendenzen. In diesem Jahr wurden 2.500 repräsentativ ausgewählte Menschen befragt. Die Studie entstand in Kooperation mit der grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung.Die Autoren der Universität Leipzig warnen davor, dass Ausländerfeindlichkeit im Westen - wie bereits im Osten - zu einer vorherrschenden Weltsicht zu werden drohe. So sei der Anteil der Befragten mit einem geschlossen ausländerfeindlichen Weltbild von 13 Prozent im Jahr 2022 auf 19 Prozent in diesem Jahr gestiegen. Im Osten lag er zuletzt bei 32 Prozent. Im Westen stimmte fast ein Drittel (31 Prozent) der Aussage zu, dass Deutschland durch "die vielen Ausländer überfremdet" sei, im Osten waren es 44 Prozent.Ausländerfeindlichkeit sei als "Einstiegsdroge in den Rechtsextremismus" nach wie vor sehr wirkmächtig, sagte die Co-Herausgeberin der Studie, Ayline Heller. Die Grenzen des Sagbaren hätten sich verschoben. Die Ablehnung gegen Migranten und Andersdenkende könne in Folge der Art, wie in Politik und Medien diskutiert werde, inzwischen sehr offen geäußert werden. Eine Folge: Auch die Ablehnung gegenüber Muslimen und Sinti und Roma hat laut Studie zuletzt zugenommen. Zwar stimmen bundesweit 90,4 Prozent aller Befragten der Demokratie als Idee zu. Doch die Zustimmung zur "Demokratie, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland funktioniert" findet nur noch bei 42,3 Prozent Anklang. Im Osten sank dieser Anteil von 53,5 Prozent im Jahr 2022 auf 29,7 Prozent in diesem Jahr, im Westen ging er von 58,8 auf 46 Prozent zurück. Nach einem jahrelangen Rückgang ist die Zustimmung zu antisemitischen Aussagen im Westen Deutschlands erstmals wieder angestiegen. Seit 2002 war die eindeutige Zustimmung zu mehreren judenfeindlichen Aussagen von 13,8 Prozent auf 3 Prozent gesunken. Nun nahm sie jedoch auf 4,6 Prozent zu. Im Osten Deutschlands sank der Anteil der Menschen mit eindeutig antisemitischer Einstellung im Vergleich zu 2022 hingegen von 3 auf 1,8 Prozent.Zugleich finden einzelne Aussagen wie der "Einfluss der Juden" sei zu hoch mit bundesweit rund 9 Prozent deutlich mehr Zustimmung. 13,2 Prozent aller Befragten finden zudem, dass es besser wäre, "wenn die Juden den Nahen Osten verlassen würden". Weitere 24 Prozent stimmen dieser Aussage zumindest teilweise zu. Einen bundesweiten Anstieg verzeichnet die Studie auch bei israelbezogenem Antisemitismus. Studienleiter Oliver Decker wies darauf hin, dass gerade dieser im linken Spektrum sehr verbreitet sei. Antisemitismus drohe zu einer Brückenideologie zu werden.Vor allem im Osten Deutschlands machen die Autoren der Studie einen rapiden Abstieg der Akzeptanz der Demokratie in ihrer aktuellen Form aus. Zwar stimmen bundesweit 90,4 Prozent aller Befragten der Demokratie als Idee zu. Doch die Zustimmung zur "Demokratie, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland funktioniert" findet nur noch bei 42,3 Prozent Anklang. Im Osten sank dieser Anteil von 53,5 Prozent im Jahr 2022 auf 29,7 Prozent in diesem Jahr, im Westen ging er von 58,8 auf 46 Prozent zurück - beides die tiefsten Werte seit 2006.In ihren Antworten äußerten die Teilnehmenden besonders häufig Unmut über Politiker und Parteien sowie über fehlende Möglichkeiten der Mitwirkung. Es gebe einen Wunsch nach einer "starken Partei", die "eine möglichst homogene Volksgemeinschaft" repräsentiere und in autoritärer Form Sicherheit biete, sagte Studienleiter Decker. Die Bindung an die traditionellen Parteien habe unabhängig vom sozialen Milieu bei Menschen mit einem geschlossen rechtsextremen Weltbild abgenommen: "Wählte 2006 der Katholik in Fulda noch die CDU und der Gewerkschafter in Leipzig die SPD, dann haben wir es heute damit zu tun, dass die abgewandert sind zur AfD."Die unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, warnte angesichts der Ergebnisse vor einer "Ressentiment-Republik". Die Studie zeige, was viele Menschen im Alltag beobachteten: "Wir haben ein ernstes Demokratie-Problem." Gruppenbezogener Menschenhass habe eine ganz neue Dimension erreicht. Ataman forderte von einer künftigen Regierung einen Nationalen Aktionsplan Antidiskriminierung sowie eine schnelle Verabschiedung eines Demokratiefördergesetzes im Bundestag.Studienleiter Decker verwies noch auf einen anderen Faktor, der einen sehr starken Einfluss auf die Einstellungen der Menschen in Deutschland habe: Die Ergebnisse zeigten, "dass die wirtschaftliche Krisenwahrnehmung sehr stark über die Akzeptanz der Demokratie entscheidet und sehr stark auch mit auf die Ressentiments wirkt". |