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Montag, 07.10.2024

Stellungnahme des KRM: Ein Jahr Krieg und Leid im Nahen Osten

Der Koordinationsrat der Muslime zeigt sich enttäuscht darüber, dass auch ein Jahr nach Ausbruch des Krieges eine einseitige Berichterstattung sowie eine öffentliche und politische Parteinahme vorherrschen

Seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober und den darauffolgenden militärischen Reaktionen Israels leidet die gesamte Region nun seit einem Jahr unter anhaltender Gewalt, die uns nicht nur zutiefst erschüttert, sondern unsere Werte und sogar Menschlichkeit auf die Probe stellt.Die grausamen Angriffe der Hamas, bei denen am 7. Oktober 2023 über 1.200 Israeli getötet wurden, haben weltweit Bestürzung ausgelöst. Unser tiefes Mitgefühl gilt weiterhin den Opfern dieses Anschlags. Gleichzeitig gilt unser Mitgefühl auch den über 42.000 Opfern im Gazastreifen und den tausenden Opfern im Libanon sowie den Millionen Menschen in der Region, die schutzlos in diesen Strudel der Gewalt gerissen wurden.

Die Solidarität mit dem jüdischen Volk darf nicht dazu führen, dass Kriegsverbrechen an Palästinensern ignoriert oder gerechtfertigt werden. Die historische Verantwortung Deutschlands beinhaltet auch die Pflicht, jede Form von Vertreibung, Kollektivbestrafung und Völkermord, egal gegen wen sie sich richtet, konsequent abzulehnen. Dies gilt auch für die Palästinenser. Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) hat in seinen früheren Erklärungen wiederholt auf diese Verantwortung hingewiesen.Nach einem Jahr des Krieges, der Vertreibung und des Leids, in dem selbst vor dem Einsatz von Hunger als Waffe nicht zurückgeschreckt wurde, muss festgestellt werden, dass die internationale Gemeinschaft versagt hat. Auch die deutsche Politik und Öffentlichkeit haben versagt. Viel zu lange wurde populistischen und extremistischen Politikern, die nur darauf gewartet haben, die Region ins Chaos zu stürzen, mit unkritischer Unterstützung und Solidaritätsbekundungen Vorschub geleistet. Eine solche Haltung kann nicht als historische Verantwortung ausgelegt werden, wenn sich Extremisten nach 10 Monaten Krieg ermutigt fühlen, den Krieg und das Leid auf das Westjordanland, den Libanon und den ganzen Nahen Osten auszuweiten. Freundschaft erfordert es, Freunde auch vor Fehlern zu warnen und sie von Unrecht abzuhalten, vor allem wenn Berichten der UN und anderer Beobachter zufolge Kriegsverbrechen verübt, unzählige Kinder getötet und verstümmelt, Hunger als Waffe eingesetzt und eine Region in Schutt und Asche gelegt wird.


In Deutschland müssen wi –Muslime, Juden, Christen und Menschen aller Weltanschauungen – entschlossener als je zuvor gegen Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit zusammenstehen

In Deutschland müssen wir – Muslime, Juden, Christen und Menschen aller Weltanschauungen – entschlossener als je zuvor gegen Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit zusammenstehen. Gemeinsam müssen wir für die Opfer dieses Konflikts beten, denn angesichts der Ohnmacht scheint uns nur noch das Gebet gegen den unsäglichen Terror und die Gewalt zu bleiben. Doch neben dem Gebet müssen wir auch jede Form von Extremismus klar benennen und verurteilen, unabhängig davon, von wem sie ausgeht – sei es von Muslimen, Juden oder Christen. Das fortgesetzte Wegschauen hat zehntausende Leben gekostet und die Welt für Juden und Muslime unsicherer gemacht. Dieser Spirale der Gewalt müssen wir entschlossen entgegentreten.

Der Koordinationsrat der Muslime zeigt sich enttäuscht darüber, dass auch ein Jahr nach Ausbruch des Krieges eine einseitige Berichterstattung sowie eine öffentliche und politische Parteinahme vorherrschen. Zaghafte Einlenkungsversuche einiger Politiker und Medien in den vergangenen Monaten sind zwar bemerkenswert, doch noch lange kein Durchbruch. Das bloße Erwähnen palästinensischer Opfer in Nebensätzen wird der Menschenwürde nicht gerecht und ist keine angemessene Antwort auf ein Jahr voller Unrecht. Diese Ungleichbehandlung und die Ignoranz gegenüber dem Leid tragen maßgeblich dazu bei, dass viele junge Menschen desillusioniert und resigniert sind. Denn sie verfolgen auch die Berichterstattung aus anderen Ländern, die oftmals ein gänzlich anderes Bild darstellen.


Wir beten dafür, dass der Krieg bald endet, dass ihm nicht noch mehr Menschen zum Opfer fallen. Unsere Gebete sind bei den Opfern dieses Krieges, und unsere Solidarität gilt allen friedvollen Bemühungen, diesen Krieg zu beenden. Wir beten dafür, dass alle Geiseln freikommen und alle Vertriebenen wieder in ihre Heimat zurückkehren können. Für die Verletzten des Krieges erbitten wir baldige Genesung. Gebete müssen durch Handlungen begleitet sein.Daher ist die Politik und insbesondere der deutsche Staat aufgerufen, sich für einen sofortigen Waffenstillstand sowie nachhaltig und entschlossen dafür einzusetzen, dass beide Völker in Frieden leben können und damit dieses Trauma, das bereits Jahrzehnte andauert, endlich ein Ende findet. Sämtliche Verbrechen müssen mit rechtsstaatlich und völkerrechtskonform aufgeklärt und geahndet werden. Viel zu lange haben Menschen in diesem jahrzehntelangen Konflikt leiden und Unvorstellbares wie Enteignung, Vertreibung, Gewalt, Terror und Krieg erleiden und miterleben müssen, dass machthungrige Extremisten in diesem Kontext das Geschehen diktiert haben.

Das muss nun ein Ende finden."

Köln, 7.10.2024




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