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Dienstag, 10.03.2020

Bundespräsident: "Ja, es gibt weit verbreitete Muslimfeindlichkeit"

Zentrale Trauerfeier in Hanau - Die Spitzen des Staates kamen - Auch der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek und Hessens ZMD-Landesvorsitzender Said Barkan  erwiesen den Toten des Attentates die letzte Ehre und trauerten mit den Hinterbliebenen

Hanau (KNA) Zwei Wochen nach dem Anschlag von Hanau ist am Mittwochabend in einer zentralen Trauerfeier in der hessischen Stadt der zehn Todesopfer gedacht worden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte in seiner Ansprache: "Dieses Verbrechen geschah nicht zufällig." Die Tat habe "eine Vorgeschichte der Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit Migrationsgeschichte, von Muslimen, von angeblich Fremden".

Unter den 650 geladenen Trauergästen im Congress Park waren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesratspräsident Dietmar Woidke (SPD) und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Sie trugen sich wie Steinmeier in das Kondolenzbuch ein. Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD) und der ZMD-Landesvorsitzende von Hessen Said Barkan kamen ebenso nach Hanau, um den Toten des Attentates die letzte Ehre zu erweisen und mit den Hinterbliebenen zu trauen.

Am späten Abend des 19. Februar hatte den Ermittlungen zufolge ein 43-jähriger Deutscher in Hanau neun Menschen mit Migrationshintergrund, mienst Muslime, erschossen. Danach hatte er seine Mutter und sich selbst getötet. Die Bundesanwaltschaft attestierte dem Täter eine "zutiefst rassistische Gesinnung".

Der Trauerakt fand nun in stiller Atmosphäre statt, im Saal war vorne ein Windlicht aufgestellt, daneben stand eine weiße Stele mit neun Namen der Opfer des Anschlages und dem Zusatz, dass auch die Mutter des Attentäters zu den Opfern zähle.

"Die Opfer waren keine Fremden!" war in Großbuchstaben auf einer Leinwand auf der Bühne zu lesen. Angehörige der neun Getöteten mit ausländischen Wurzeln saßen mit Fotos der Ermordeten im Publikum. Immer wieder wurden bei der bewegenden Trauerveranstaltung die Vornamen der Getöteten genannt: Hamza, Ferhat, Mercedes, Sedat, Gökhan, Kaloyan, Said, Vili-Viorel und Fatih. "Sie waren unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Sie waren so viel mehr als das, was der Attentäter in ihnen sah", sagte Steinmeier.

Die Tat habe "eine Vorgeschichte geistiger Brandstiftung und Stimmungsmache", betonte der Bundespräsident und mahnte: "Ja, es gibt Rassismus in unserem Land - und das nicht erst seit einigen Wochen. Ja, es gibt weit verbreitete Muslimfeindlichkeit." Menschen mit dunklerer Hautfarbe oder mit Kopftuch erlebten Diskriminierungen, würden Opfer von Angriffen, von Beleidigungen und von Gewalt. Steinmeier warnte vor Spaltern: "Es gibt keine Bürger zweiter Klasse, keine Abstufungen im Deutschsein."




Er selbst wisse nicht, wie es sich anfühlt, im Alltag ausgegrenzt zu werden, so Steinmeier. "Als Mann mit weißen Haaren und weißer Haut, dessen Mutter aus Breslau nach Westdeutschland kam, muss ich meine Zugehörigkeit zu unserem Land nicht begründen." Er erlebe nicht, wie zermürbend es sei, immer wieder als Fremder behandelt zu werden. Aber auch wer diese Erfahrung nicht teile, müsse um sie wissen und bei Diskriminierungen von Mitbürgen widersprechen und eingreifen.

Bei der Trauerfeier, die auch auf Plätze der Stadt per Großleinwand übertragen wurde, gab es außer offiziellen Ansprachen auch die Rede eines Hanauer Kiosk-Betreibers, der mit mehreren der Getöteten befreundet war. Viele Menschen hätten nun einfach nur Angst, sagte er und forderte, so etwas dürfe "nie mehr passieren in Deutschland".

Hessens Ministerpräsident Bouffier dankte ihm ausdrücklich für seine Rede und sagte, nun sei Entschlossenheit "und vor allem dauerhaftes Handeln" erforderlich. Die Schwester des getöteten Hamza sagte, sie empfinde "grenzenlosen Schmerz und eine unfassbare Leere" über den Tod ihres Bruders.

Bundeskanzlerin Merkel sprach bei der - gemeinsam mit dem Bundespräsidenten besuchten - Veranstaltung aus protokollarischen Gründen nicht, wie es hieß. Am Ende der etwa 90-minütigen Trauerfeier legten Politiker, darunter auch Merkel, jeweils zusammen mit Angehörigen der Opfer weiße Rosen auf einem schwarzen Kubus auf der Bühne nieder.(KNA/Eigene)



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