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Mittwoch, 16.07.2003

Folgen-fuer-muslime



Nadeem Elyas: Wie lange halten wir es ohne Krieg aus? Augsburger Friedensrede schrieb:



Wie lange halten wir es ohne Krieg aus?
Augsburger Rede zu Frieden und Toleranz

Dr. Nadeem Elyas
Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland
2. Juli 2003, Stadttheater in Augsburg



Ein bemerkenswerter Akt der Friedensdiplomatie ereignete sich im Jahre 797. Es galt, erste Kontakte zum Orient zu knüpfen und einen Friedensgruß zu überbringen. Für diese einfache Botschaft brauchte man ganze fünf Jahre. Die Reise nahm ihren Anfang in Aachen und führte über Jerusalem nach Bagdad. Die Akteure waren nicht geringer als Karl der Große und der Abbaassidenkalif Haroun al Rasheed. Als die Abgesandten und der jüdische Dolmetscher im Jahre 802 nach Aachen zurückkamen, brachten sie nicht nur Grüße und Friedensbekundungen mit. Im Gepäck hatten sie eine Radzahnruhr als Geschenk Haroun ar Rasheeds für Karl den Großen. Ein weiteres Geschenk begleitete sie auf vier Beinen, ein weißer Elefant namens Abul Abbas. Das gewichtige Geschenk führte dazu, dass der Rückweg viel länger dauerte als der Hinweg.
Zur Besieglung eines Friedensvertrags braucht man heute keine Uhr und keinen weißen Elefanten. Fünf Jahre braucht man nicht um erste Kontakte zu knüpfen, dies geht sekundenschnell im Zeitalter des Internets. Dennoch sind immer weniger Menschen bereit, diesen bequemen Weg des Friedens zu beschreiten.
Den beiden Oberhäuptern gelang es damit immerhin, den Frieden zwischen ihren Völkern zu sichern. Es blieb ihnen erspart, das Losungswort Urban des Zweiten "Deus lo vult" "Gott will es" zu hören und zuzusehen, wie im Namen Jesu Christi Mord und Vernichtung Muslime und Juden heimsuchte.

Grausamkeit des Fortschritts
Die Kreuzzüge waren nicht die ersten und nicht die einzigen Kriege der Menschheitsgeschichte. Vor allem waren sie nicht die einzigen, die durch Missbrauch einer Religion geführt wurden. Vielmehr scheinen gewaltsame Konflikte überhaupt zum Grundverhalten der Menschen zu gehören. Waren es nicht die Söhne Adams, die den Anfang machten? Zieht sich diese blutige Spur nicht bis heute noch durch alle Epochen und Kulturen hindurch? Auch in unserer heutigen so genannten zivilisierten Welt mangelt es nicht an Kriegen und gewaltsamen Konflikten, obwohl es der Menschheit - global gesehen - nicht an Ressourcen, Fortschritt, Wissen und Erfahrung fehlt. Ist die Gewaltbereitschaft ein genuiner Bestandteil der Schöpfung oder ist sie eine Folge eines gestörten Gleichgewichts, der fehlenden gerechten Verteilung der Ressourcen und der vermissten Chancengleichheit?

Nelson Mandela schrieb im Vorwort des "World Report on Violence and Health", der Ende 2002 von der World Health Organiszatioin veröffentlicht wurde: "Das zwanzigste Jahrhundert wird uns als das Jahrhundert, das durch Gewalt gekennzeichnet war, in Erinnerung bleiben". In jenem Jahrhundert kamen durch Kriege und direkte gewaltsame Konflikte 110 Millionen Menschen ums Leben, viel mehr als in irgend einem anderen Jahrhundert. Wird das 21. Jahrhundert womöglich das 20. JH. an Grausamkeit übertreffen? Betrug die Zahl der gewaltsamen Konflikte im Jahr 2000 36 Kriege, sind sie im Jahre 2002 nach Angaben des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung auf 42 angestiegen. Sie nahmen nicht nur an Zahl zu; an Unmenschlichkeit, Grausamkeit und Vernichtung übertrafen die Kriege der letzten Dekaden bei Weitem alles bisher gekannte. Forderte im Jahre 1991der Golfkrieg 2278 Opfer unter der Zivilbevölkerung, sind es nach Untersuchung der Presseagentur AP heute schon 3240 zivile Opfer des Irak-Krieges, wobei der gewaltsame Konflikt noch im Gang ist.

Moral in der Krise
Von Krieg zu Krieg erleben wir nicht nur überdimensionale Steigerung der Vernichtungskraft der Kriegsmaschinerie, sondern auch weiteres Absinken der Kriegsbaronen in den Sumpf der Unmenschlichkeit.
Die Kriegsrhetorik wurde zu einer Wissenschaft hochstilisiert. Durch Spitzfindigkeiten, wie: "Konsequenzen aufzeigen", "Analogien bilden", "Induktive Erfahrung", "Berufung auf Autoritäten" und "moralische Argumentation", wird versucht, den geplanten bzw. den tobenden Krieg zu legitimieren und ihn den Zuschauern moralisch vertretbar zu machen.
Verbrechen, wie "ethnische Säuberung", Massenvergewaltigung, Deportationen, Sippenhaft und gezielte Liquidierungen, erleben wir heute in unserem so gepriesenen zivilisierten fortschrittlichen Zeitalter. Maßstab für Ablehnung oder Akzeptanz einer Tat ist oft nicht, was getan wird, sondern, wer es tut und gegen wen es getan wird. Sollte das Rechtfertigen eines Verbrechens nicht selbst als ein Verbrechen gelten? Sind nicht manchmal das Hinwegschauen, das Zusehen und das Jasagen moralisch schlimmer als die Tat selbst?
So gesehen zählt die Moral zu den ersten Opfern der Kriege unserer Zeit. Sie musste vor der Übermacht der Gewalt ihre Prinzipien aufgeben und sich neu definieren. Sie wurde instrumentalisiert, um die Untaten der Gewalttäter als moralische Taten, ja als Rettung der Welt verkaufen zu können. Wie makaber klingt es, wenn Karl Otto Hondrich in der FAZ schreibt: "Die für unsere Zeit charakteristischen asymmetrischen Militärkonflikte nach dem Muster des Irak-Kriegs tragen als Schritte in eine hegemoniale Weltgewaltordnung zumindest die Hoffnung in sich, dass jeder geführte Krieg den nächsten unwahrscheinlicher macht. Dahinter verbirgt sich ein soziales Ordnungsprinzip. Und Ordnung ist moralisch: weil Ordnung des Lebens besser ist als sein Zerfall."
Nach dieser Sichtweise muss die ja Menschheit den USA für den Vietnamkrieg dankbar sein, bei dem zwei Millionen Menschen getötet und drei Millionen verwundet wurden, und bei dem zwölf Millionen ihre Heimat verloren. Russland müssen wir für den Tschetschenienkrieg dankbar sein, das mit 19.000 Toten in drei Jahren versuchte, eine neue Weltgewaltordnung zu schaffen, den USA für den Angriffskrieg im Irak, usw.
Schade, dass die Welt nichts davon merkte, welche Kriege durch diese asymmetrischen Kriege unwahrscheinlicher oder gar verhindert wurden. Elend und Vernichtung merken wir wohl als Folge eines jeden Krieges. Menschenrechtsverletzungen und die Aufgabe der eigenen Prinzipien merken wir, wie auf Guantanamo, wo seit 14 Monaten 680 Häftlinge - unter denen drei unter 16 Jahre - ohne Anklage und Rechtsbeistand festgehalten werden.
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Die Überwältigende Schlagkraft des einzigen Machtmonopols verbunden mit dem defizitären Rechtsbewusstsein, der Missachtung des internationalen Rechts und den moralischen Verfehlungen trugen nicht zur Herstellung einer allgemeinen Sicherheitssituation in der Welt bei. Das Misstrauen wächst sowohl bei den potentiellen Widersachern als auch bei den Verbündeten. Die Zahl derer, die in den USA eine potentielle Bedrohung sehen, nahm nach einer Befragung des renommierten "Pew Forschungsinstitut" fast überall zu, am deutlichsten in Indonesien, Russland und der Türkei. Das Vertrauen schwindet bei den eigenen Verbündeten. Immer weniger Menschen haben laut der eben erwähnten Studie eine positive Einstellung zu den USA, am deutlichsten in Deutschland, Frankreich und Russland, wo die positive Einstellung von 60 auf 36% sank.
Unter den engsten Verbündeten und Freunden blüht der Schmäh- und Schlagabtausch. Sogar mit Drohungen wird unter befreundeten Staaten und Völkern nicht gespart. Der Kolumnist Shaul Zadka schreibt in der israelischen Zeitung Ma´rif: "Das heutige Europa ist eigentlich bereit, Israel für seine Beziehungen zur muslimischen Welt zu opfern. Mit anderen Worten, Jeder normale Israeli sollte Europa als seinen Feind betrachten. ... Wenn Israel in die Ecke gedrängt werden sollte, wenn ihm eine existentielle Gefahr droht, dann würde es keine andere Wahl haben, als die Waffe des Jüngsten Tages auch gegen diejenigen einzusetzen, die seinen Feinden das Potential für Massenvernichtungswaffen geliefert haben.. Die Botschafter der EU-Staaten in Israel sollten eine Übersetzung dieses Artikels erhalten, damit sie verstehen, dass ihre Länder einfach zu weit gegangen sind."
Kriegerische Religionen?
Bei dieser wirren Lage stellt sich die Frage, warum versagten bisher all unsere ethischen Vorsätze? Warum konnten unsere Moralkodizes, die wir aus den Quellen unserer Offenbarungsreligionen beziehen, einen derartigen menschlichen Verfall nicht verhindern?
Für manche klingen diese Fragen paradox, denn für sie gelten geradezu die Offenbarungsreligionen als Quellen all diesen Unheils. Für sie sind die Religionen weniger Friedensstifter als Brandstifter, finden sie in den Quellen den göttlichen Auftrag an Noah: "Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut wird durch Menschen vergossen." Die Thora kennt nach ihrer Meinung keine Gnade, schreibt sie vor,: "Auge um Auge, Zahn um Zahn." Sogar Jesus Christus predigte nach ihrer Lesart Gewalt und Entzweiung: "Glaubet nicht, ich sei gekommen, Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert." Für sie gilt der Islam ohnehin als die Religion der Gewalt, des Hasses und der Unterdrückung, spricht doch der Koran diese deutliche Sprache: "Und kämpft auf Gottes Weg diejenigen, die gegen euch kämpfen, doch übertretet nicht! Gott liebt nicht die Übertreter. Und tötet sie, wo immer ihr auf sie trefft, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben, denn Verfolgung ist schlimmer als Töten!"
Für sie beweist die Geschichte aller Religionen, dass sie hinter so viel Unheil auf Erden stecken, wie die Kreuzzüge, die Inquisition, die Hexen- und Ketzerverbrennungen, die Eroberungskriege der Muslime, die Strafen in der islamischen Lehre usw. Der Absolutheitsanspruch und der Sendungsauftrag in den Offenbarungsreligionen werden gerne als Grund genannt für deren intolerante Haltung und Kompromisslosigkeit, die letztendlich zu der Gewaltbereitschaft ihrer Anhänger mit der Folge sämtlicher Konflikte und Kriege auf der Welt.

Eine solche verallgemeinerte Sicht führt zu einer falschen Analyse der Konfliktsituationen und folglich zur Verfehlung der richtigen Vorgehensweise bei der Verhinderung und Bewältigung der Konflikte. Diese Verurteilung der Religionen ist aus folgenden Gründen falsch:

1. Das selektive Lesen der Quellen und das tendenziöse Herausreißen bestimmter Aussagen aus dem gesamten Zusammenhang gibt eine verzerrte unrealistische Vorstellung von diesen Religionen. In der Tat beinhalten die Quellen aller Offenbarungsreligionen Stellen, die - aus dem Zusammenhang gerissen - ein grausames menschenfeindliches Bild geben. Gerechterweise muss aber jede Religion - wie auch jede Ideologie - als Gesamtbild gesehen und beurteilt werden.
2. Unter dem Begriff "Religion" verstehen manche die in Anlehnung an die Lehre gelebte Praxis der Anhänger jener Religion, auch wenn sie sich manchmal weit weg von der eigentlichen Lehre befindet oder gar im Widerspruch dazu steht. Die Gleichsetzung der Religionsanhänger mit der Religion selbst führt dazu, dass diesen Religionen das falsche Verständnis oder das falsche Verhalten dieser Menschen angelastet wird.
3. Um eine bestimmte Religion heute auf Friedfertigkeit oder Gewaltbereitschaft zu prüfen, muss man sich mit der heutigen Lehre und den verbindlichen Aussagen der repräsentativen Vertreter dieser Religion befassen. Das Heranziehen bestimmter geschichtlicher Verfehlungen oder Auslegungen ist weniger aussagekräftig, wenn es um Analyse aktueller Konflikte geht.
4. Die Annahme, dass die Offenbarungsreligionen die Schuld für die meisten Konflikte unserer Zeit tragen, ist falsch. Fast alle gewaltsamen Konflikte und Kriege unserer Zeit sind mit hegemonialen, politischen, ethnischen und wirtschaftlichen Zielen verbunden. Auch bei Konflikten, die zwischen religiösbezeichneten Kriegsparteien stattfinden, wie in Nordirland, Bosnien, Kaschmir oder Ayodhja, geht es nicht um die Religion, sondern um gesellschaftliche oder politische Interessen.
5. Die Behauptung, die Muslime seien die Urheber aller oder der meisten tobenden Kriege und Konflikte, ist falsch. Ein Blick auf die Liste des Heidelberger Instituts für internationale Konfliktforschung zeigt, dass bei einer großen Zahl dieser Konflikte Muslime gar nicht beteiligt bzw. nicht Urheber sind. Ja meist sind sie sogar Opfer dieser Gewalt.

Liegt es am Islam?
Nicht erstmals durch die Veröffentlichung des Buches "Clash of Civilisation" von Hungtington, aber danach erst recht und intensiv wird die These von der Zwangsläufigkeit eines Zusammenpralls der Kulturen und Zivilisationen vertreten. Eine ganz besondere Rolle wird dem Islam beigemessen. Giovanni Sartori nimmt in seinem Buch "Explosion des Erdballs" faktisch die gleiche Haltung ein, auch wenn er dem Anschein nach dies mit den Worten ablehnt: " Ich glaube nicht an einen Krieg zwischen den Kulturen, aber die Islamische Welt wird dennochstets ein Feind unserer Kultur bleiben und versuchen, sich unserer zu bemächtigen." "Der Islam ist ein Feind der Demokratie und der Koexistenz, deshalb sollten wir es ihm nicht möglich machen, sich zu etablieren." Dies findet eine weitere Stärkung in seinem nächsten Buch "Die multikulturelle Gesellschaft": "Dass die westliche Gesellschaft und der heutige Islam sich nimmer versöhnen werden, davon bin ich fest überzeugt."
Bei solchen Thesen, für die groß propagiert wird, festigt sich bei vielen die Überzeugung, dass es manchen nur darum geht, dem Westen ein neues Feindbild zu verschaffen. Die Behauptung eines Automatismus des Konflikts ignoriert die historische Tatsache, dass es Jahrhunderte des zivilisierten Miteinanders zwischen Muslimen, Christen und Juden gab. Monumentale Zeugnisse dieser friedlichen Koexistenz sind nicht nur in Nordafrika, im Nahen Osten und der Türkei zu sehen, selbst die Geschichte Europas legt Zeugnis ab für die Friedfertigkeit der islamischen Kultur während deren Existenz in Andalusien und auf dem Balkan. Vorbildhaft beweist das islamische Land Malaysia heute, wie unter islamischer Mehrheit die verschiedensten Kulturen und Religionsgemeinschaften friedlich zusammenleben können.
Diese gelebte Realität, sowie die Geschichte des Islam zeigen die Umsetzung der Lehre des Islam als Religion des Friedens, auch wenn einzelne Muslime, seien sie Staatsoberhäupter (wie Saddam), Gruppenführer (wie Abu Sayyaf) oder Privatpersonen, sich nicht immer nach seiner Lehre verhalten oder diese Missbrauchen. Vor einem solchen Missachten bzw. Missbrauch ist keine Religion, keine Ideologie und kein Gesetz gefeit. Es darf uns nicht wundern, dass gerade diese Leute am versiertesten sind in der Heranziehung der Belege aus dem Koran oder aus den Sprüchen des Propheten, mit denen sie paradoxerweise ihre Missachtung oder ihren Missbrauch kaschieren. Zugegeben, dies macht es den Nichtmuslimen nicht leicht, das unislamische Verhalten als solches zu erkennen. Und so werden dem Islam von vielen Nichtmuslimen das für islamisch gehaltene Fehlverhalten mancher Muslime angelastet.
Sollten die heutigen Staaten in der Islamischen Welt ihr Verhalten nach dem Islam ausrichten wollen, würden in der islamischen Welt ganz andere Verhältnisse herrschen, gezeichnet von der Pflicht zur Respektierung des Internationalen Rechts, der Einhaltung der Menschenrechte, der Unterbindung von Gewaltanwendung gegen das eigene Volk und gegen andere Völker, der würdevollen Behandlung der Frauen, der politischen Partizipation sämtlicher Gesellschaftsschichten und der Einhaltung vieler Werte, die die westliche Gesellschaft ihr eigen nennt. Dass dies alles nicht immer im Interesse mancher Machthaber liegt, bedarf keiner weiteren Betonung.

Die Islamische Welt in die Pflicht nehmen!
Dies darf nicht so verstanden werden, dass die heutigen islamischen Länder deshalb automatisch ein Gefahrenpotential für die westliche Welt darstellen. Trotz all ihrer Mängel und Schwächen kann die Islamische Welt bei der Schaffung und Erhaltung des Weltfriedens jedem ein Partner sein. Dies darf jedoch nicht mit dem Preis erkauft werden, das diktatorische Verhalten und die Unterdrückung des eigenen Volkes durch manche Machthaber hinzunehmen. Auch solche Ungerechtigkeiten waren oft genug Ausgangspunkte für viele lokale oder gar überregionale und internationale Konflikte.
Staatsoberhäupter, Gruppierungen und einzelne Muslime müssen an Hand der Werte ihrer Religion und laut ihrer eigenen Aussagen und Bekundungen zum Frieden von der gesamten Welt in die Pflicht genommen werden. Ein im Westen fast völlig unbemerkt gebliebenes historisches Dokument wurde am 10. Januar 2002 vom Internationalen Islamischen Gelehrtenrat in Mekka verabschiedet. Dieses "Mekka Manifest" erteilt dem Terrorismus eine deutliche islamisch fundierte Absage. Gelehrte aus der gesamten islamischen Welt veröffentlichten in diesem Dokument eine islamische Definition des Terrorismus und stellten fest, "dass Extremismus, Gewalt und Terrorismus nicht im Geringsten zum Islam gehören. Diese Verhaltensmuster bergen in sich ungeheuerliche Auswirkungen und stellen eine Übertretung und eine Ungerechtigkeit gegen andere dar, die im Widerspruch zum Koran und zur Tradition des Propheten stehen. Der Internationale Islamische Gelehrtenrat erklärt vor der gesamten Welt, dass die Tötung einer einzigen Person nach islamischen Maßstäben in ihrer Abscheulichkeit der Tötung der gesamten Menschheit gleichkommt." Das Dokument führt als Beleg den Koranvers vor: "Aus diesem Grunde haben wir den Kindern Israels vorgeschrieben: Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne dass es einen Mord begangen oder auf der Erde Unheil gestiftet hat, so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte."

Deutschland und seine Muslime
Auf die vom Zentralrat der Muslime in Deutschland am 20. Februar 2002 veröffentlichte Islamische Charta sei hier verwiesen, in der die Mitglieder des Zentralrats sich einstimmig für Bejahung der Rechtsstaatlichkeit unseres Landes und der im Grundgesetz garantierten Menschenrechte aussprechen. Im Artikel 18 der nach ihrer Verabschiedung von den meisten in Deutschland aktiven islamischen Verbänden angenommen wurde, lautet es: "Er (der ZMD) verurteilt Menschenrechtsverletzungen überall in der Welt und biete sich hier als Partner im Kampf gegen Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Sexismus und Gewalt an."
Wir finden, dass solche grundsätzliche Aussagen eine wichtige Grundlage für das Verhältnis des deutschen Staates und der deutschen Gesellschaft zu der muslimischen Bevölkerung darstellen. Auch der Friede in unserer Gesellschaft muss von vielen der bereits erwähnten Voraussetzungen ausgehen. Die Muslime Deutschlands müssen nach ihrem eigenen Selbstverständnis und ihrer gelebten Praxis beurteilt werden. Weder historische Begegnungen mit dem Islam, noch Verständnisse und Auslegungen anderer Muslime, noch Verhalten Dritter in der großen weiten islamischen Welt sind auf die hiesigen Muslime übertragbar. Sie sind einzig und allein für ihre eigene Ansichten und ihr eigenes Verhalten verantwortlich zu machen. Der Sozialfriede in Deutschland hängt stark von dem gegenseitigen Vertrauen zur muslimischen Bevölkerung ab. Gerade dieses Vertrauen der Muslime in ihren Staat wird nach dem 11. September 2001 zunehmend durch leichtfertige polizeiliche Maßnahmen aufs Spiel gesetzt. Das Verbieten verfassungsfeindlicher Vereine wird nicht nur vom ZMD begrüßt; wir sehen darin eine Bereinigung der islamischen Landschaft, so dass ein vertrauensvolles Verhältnis zu den restlichen 99% der Muslime möglich wird. Der Aktionismus mancher Sicherheitsorgane in den letzten Monaten mit Durchsuchungen von mehr als 70 Moscheen, Stürmung der Gebäude zu Nachtsstunden oder während der Gottesdienste mit schwer bewaffneten Hundertschaften, Entweihung der Gebetsräume, Störung des Freitagsgebets, Festnahmen von angeblich "mutmaßlichen Terroristen", die vom Haftrichter am gleichen Tag wieder freigelassen werden, all das nagte stark am Vertrauen der Muslime in ihren Staat, zumal es sich hierbei, bis auf die verbotenen Vereine, um bewiesenermaßen unbescholtene Bürger und Vereine handelte. Mit anderen Worten: Durch solche Pannen der Sicherheitsorgane verspielt der Staat sein Kapital bei seinen Muslimen.
Trotz allem stehen die meisten Muslime zu ihrem Staat und fühlen sich zur Wahrung des Sozialfriedens verpflichtet.
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Die Stadt Augsburg hat Erfahrung und eine bald 450-jährige Tradition in der Friedensstiftung. Diese Stadt ist heute besonders geeignet, eine historische Initiative zur Sicherung des Sozialfriedens, besonders in Bezug auf die muslimische Bevölkerung Deutschlands, ins Leben zu rufen. Die Mitwirkung muslimischer Friedensforscher im geplanten Friedensinstitut der Universität und die Einbeziehung muslimischer Bürgerinnen und Bürger Augsburgs bei der täglichen Konfliktprävention und Konfliktbewältigung können erste Schritte auf dem langen Weg des Friedens sein.
In diesem Sinne sehen wir die Existenz der Muslime in Deutschland als Chance, sowohl für den Islam und die Muslime, als auch für Deutschland und Europa. Unsere Identität sehen wir nicht allein im Muslimsein sondern auch in unserer Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaft. Unser Vertrauen gilt nicht nur dem Islam, sondern auch Deutschland und Europa. Europa, das durch seine Erfahrungen und Opfer in vielen Kriegen ein anderes, ein reiferes Verhältnis zum Frieden hat, als manche Länder der "neuen Welt". Auch die Erfolge Europas bei der Bewahrung des Friedens durch die KSZE und die konsequente ablehnende Haltung gegen den Angriffskrieg im Irak beweisen, dass die Welt für den Erhalt und die Sicherung des Friedens auf eines nicht verzichten kann: das "alte Europa".



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