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Samstag, 23.11.2013

Rabbinerausbildung in Potsdam: Nach 200 Jahre Forderung erfüllt

Am 19. November nahmen unter dem Dach der „School of Jewish Theology“ in Potsdam zum ersten Mal Studierende an einer europäischen Universität ein Studium im Fach Jüdische Theologie auf.
Somit erfüllte sich die fast 200 Jahre alte Forderung innerhalb des Judentums nach einer Gleichstellung der Rabbinerausbildung mit den Theologien der anderen Religionen.

In Anwesenheit zahlreicher Politiker, Religionsvertretern, Diplomaten und Repräsentanten aus Gesellschaft und Kultur fand die feierliche Eröffnung statt.
Die Bundesregierung war durch Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung vertreten.
Das Land Brandenburg durch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos, für SPD im Kabinett).
Dietmar Woidke erklärte: „Ich habe die Koalitionsverhandlungen vorzeitig verlassen. Dieser Termin hier war mir so wichtig, dass ich unbedingt dabei sein wollte. Die Koalitionsverhandlungen können warten.“
Der Botschafter Israels, Yakov Hadas-Handelsman, nahm ebenso an der feierlichen Eröffnung teil wie der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster.

Die Stadt Potsdam wurde durch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) vertreten.
Am 22. Februar 2012 fasste der Brandenburger Landtag auf Antrag von SPD, Linken, FDP und GRÜNEN einen Beschluss „zur Unterstützung des Aufbaus von jüdischen Gemeinden nach den schrecklichen Ereignissen der Shoa.“
Eine Religion und somit ein aktives Gemeindeleben braucht auch Verantwortliche. In der jüdischen Religionskultur zählen dazu Rabbiner und Kantore.
Unter Leitung von Rabbiner Prof. Dr. Walter Homolka fand bisher am Abraham-Geiger-Kolleg eine Ausbildung von Rabbinerinnen und Rabbinern statt. Diese Ausbildung wird nicht nur fortgesetzt, sondern ab sofort durch die Universität Potsdam intensiviert.
Im Beschluss des Landtags stand auch zu lesen: „Vor allem bittet der Landtag die Universität Potsdam, alle Maßnahmen zur Institutionalisierung der jüdischen Theologie zügig zu beraten. Der Landtag beauftragt die Landesregierung, die  Institutionalisierung der jüdischen Theologie an der Universität Potsdam zu unterstützen.“
Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann, Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjahr 2017, hielt die Festrede.
Sie wies in ihrer Rede u. a. daraufhin, dass 75 Jahre nach den Novemberpogromen von 1938 erstmals an einer deutschen Universität Jüdische Theologie gelehrt werde.
Prof. Oliver Günther, Ph.D, Präsident der Universität Potsdam, unterstrich in seiner Rede: „Die Eröffnung der „School of Jewish Theology“ markiert einen historischen Meilenstein in der Ausbildung liberaler und konservativer Rabbiner, der in Deutschland und Europa seinesgleichen sucht.“
Der israelische Botschafter sprach von einer „Renaissance und Wiedergeburt  jüdischen Lebens in Deutschland.“
Der Potsdamer Oberbürgermeister erinnerte an ein jüdisches Sprichwort: „Schon wegen der Neugier ist das Leben lebenswert.“ Er wünschte dem neuen Studiengang stets neugierige Menschen in den Hörsälen und außerhalb des Lehrbetriebs.
Landesrabbiner em. Dr. h. c. Henry G. Brandt, Vorsitzender der „Allgemeinen Rabbinerkonferenz und Ständige Studienkommission für das jüdisch-geistliche Amt, erklärte: „Dieses Licht aus Potsdam wird uns alle ab sofort erhellen.“
Rabbiner Prof. Dr. Walter Homolka ehrte mit der Abraham-Geiger-Plakette drei Brandenburger Landtagsabgeordnete für ihren unermüdlichen Einsatz „auf dem Weg zur Gleichstellung der akademischen Rabbinerausbildung mit den Theologien an deutschen Hochschulen. Wenn auf dem langen Weg zum heutigen Erfolg der Mut einmal zu sinken drohte, war es das Engagement dieser drei Abgeordneten, das uns zum Weitermachen anspornte und das die Kollegen im Parlament zu überzeugen und mitzureißen vermochte.“
Geehrt wurden Susanne Melior, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende; Andreas Büttner; FDP-Fraktionsführer und Peer Jürgens, wissenschaftspolitischer Sprecher der LINKEN.Vor Ort in der Potsdamer Universität befragten wir während der Feierstunde einige Teilnehmer:

Andreas Büttner, der FDP-Fraktionsvorsitzende, erklärte unserem Medium gegenüber: „Tief beeindruckt und tief bewegt bin ich heute. Man darf doch nie vergessen. Aus diesem Lande stammen auch die grausamen Mörder, die in Dachau, Auschwitz und den vielen anderen Orten des Schreckens 6 Millionen Menschen umbrachten. Unter den Opfern befanden sich zahlreiche Juden. Das muss uns für alle Zeit Mahnung bleiben. Um so erfreulicher ist es, mit ansehen zu können, wie ein Stück jüdische Normalität wieder vorhanden ist.“
Der LINKEN-Abgeordnete Peer Jürgens zeigte sich ebenfalls ob seiner Würdigung tief beeindruckt. Ferner erklärte er:„Hier und heute ist wieder jüdisches Leben, jüdische Religion und jüdische Kultur zu Hause. Diese neue Einrichtung dient auch dazu, dass alle Demokraten den Auschwitz-Leugnern und rechtsradikalen Volksverhetzern energisch entgegentreten.“

Hellmut Königshaus (FDP), Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages, sagte: „Nunmehr haben wir hier eine religiöse Emanzipation erlebt. Die jüdische Religion hat endlich den Stellenwert erfahren, der ihr gebührt.“

Der Botschafter Liechtensteins, Stefan von und zu Liechtenstein, betonte: „Mit Walter Homolka bin ich seit Jahren bekannt, sogar befreundet. Sein jahrelanger Traum, eine solche Stätte zu erschaffen, ist glücklicherweise Realität geworden. Rabbiner Prof. Homolka berät unser Land auch, wenn es um religiöse jüdische Fragen geht. Ebenso lassen wir uns gerne vom Zentralrat der Muslime in Deutschland bei religiösen islamischen Fragen beraten. In meinem Heimatland, das ja nun nicht zu den größten der Welt zählt, gibt es weder eine Synagoge noch eine Moschee. Aber: Dieser Zustand soll sich bald ändern.“
Rainer-Michael Lehmann gehört dem Berliner Abgeordnetenhaus an. Er ist Sprecher für Integration in der SPD-Fraktion.

Er teilte mit: „Man kann sich gar nicht genug freuen. Endlich ist ein weiteres Stück jüdische Normalität wieder festzustellen in dem Land, von wo der massenhaft organisierte Tod für Juden und andere Mitbürger ausging. Die Schaffung des neuen jüdischen universitären Studiengangs ist eine beeindruckende Leistung aller Beteiligten, die Respekt und Anerkennung verdient.“
(Text u. Fotos: Volker-Taher Neef, Berlin)








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