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Donnerstag, 27.06.2013

Marburg: Grundsteinlegung für die erste ökologische Moschee Deutschlands

Muslime mit bisher ungekannten Lokalpatriotismus, der auch was damit zu tun hat, dass die Bevölkerung hinter dem Projekt stellt - Vorbild für andere Gemeinden in Deutschland

Wie kaum eine andere Stadt steht Marburg für religiöse Vielfalt und interreligiösen Dialog. Hatten schon Luther und Melanchton im 16. Jahrhundert in der ältesten protestantischen Universitätsstadt Glaubensfragen auf friedliche Weise miteinander diskutiert und mehr noch das  Nebeneinander von progressiver amtskirchlicher Theologie Bultmanns und zahlreichen konservativ eingestellten Freikirchen im frühen 20. Jahrhundert demonstriert, dass man in der Stadt an der Lahn den verschiedensten Ausrichtungen des Christentums bei gegenseitigem Respekt freie Entfaltung ließ, gehören mittlerweile auch die nichtchristlichen Religionen sichtbar zum Stadtbild hinzu.

Im Stadtteil Weidenhausen besitzen die Marburger Buddhisten ihren Tempel. Die Juden, die bis zur Reichspogromnacht bereits eine repräsentative Synagoge besessen hatten, mussten in der Nachkriegszeit sich in einem kaum als Synagoge erkennbaren Wohnhaus versammeln. 2005 konnten sie jedoch auf der Liebigstraße erneut ein Gotteshaus einweihen, das auch für Nichtjuden als Sakralbau wahrnehmbar ist. Bei den Muslimen hat dieser Prozess noch länger gedauert. Die 1986 eingerichtete Moschee in Marbach konnte ihre Ansprüche nicht dauerhaft befriedigen, wenngleich sie in einem historischen Gebäude liegt, in dem einst Alfred Wegener, der Entdecker der Plattentektonik, sein Domizil hatte.

Dem besonderen Engagement des Vorsitzenden der Islamischen Gemeinde Marburg (ZMD-Mitglied) und des Vereins Orientbrücke e.V., des Oberarztes für Sportmedizin und Schulterchirurgie am Marburger Universitätsklinikum Dr. Bilal Farouk El-Zayat, ist es zu verdanken, dass am 21. Juni 2013 auf der gegenüberliegenden Lahnseite, Bei St. Jost 17, endlich der Grundstein für ein Kultur- und Bildungszentrum mit Moschee gelegt werden konnte. Mit diesem Zentrum wollen die Marburger Muslime demonstrieren, dass ihre Religion nicht nur aus Beten, Fasten und der Freitagspredigt besteht, wenngleich diese einen nicht wegzudenkenden Bestandteil darin darstellen. Der Bezug zur - hierzulande mehrheitlich nichtmuslimischen - Außenwelt soll im Islam ebenfalls stets vorhanden sein.

Stadt und Religionsgemeinschaften stehen hinter dem Projekt

Die Anwesenheit von zahlreichen politischen Vertretern aller Lager aus der Stadt, aus dem Landkreis, sogar aus Bundestag und aus Hessischem Landtag, aber auch von Repräsentanten der beiden christlichen Kirchen ebenso wie der jüdischen Gemeinde an der Feier zur Grundsteinlegung lässt erkennen, dass die nichtmuslimische Umgebung in Marburg die Muslime in ihrer Mitte willkommen heißt und den Islam als ein gesellschaftsdienliches Element ihrer Stadtkultur anzuerkennen bereit ist.

Die Aufgeschlossenheit der Marburger gegenüber divergenten Kulturen und Religionen lässt sich im gegenwärtigen Stadtoberhaupt, Oberbürgermeister Egon Vaupel personifizieren, der sich bereits als Kulturdezernent in Ära seines Vorgängers Dietrich Möller für die Wiedererrichtung der Synagoge eingesetzt hat und nun seine begrenzten Möglichkeiten nutzt, um auch die Muslime bei ihrem wichtigsten Vorhaben der nächsten Zeit zu unterstützen. In seinem Grußwort brachte er die Verbundenheit der Marburger Muslime zu ihrer Stadt zum Ausdruck, die trotz eines Immigrationshintergrundes bei der Majorität von ihnen Identifikation mit Marburg und Marburger Lokalpatriotismus hat erwachsen lassen.

Möglicherweise haben sie sich sogar vom ökologischen Faible des Oberbürgermeisters anstecken lassen, denn die von der Stadt Marburg, stärker als von manch anderer Stadt geförderte Solarenergie wird auch das neu entstehende Kultur– und Bildungszentrum mit Moschee mit Strom versorgen und hat ihr bereits zur Grundsteinlegung den Ruf, als „Erste ökologische Moschee Deutschlands“ zu gelten, eingetragen. Zweifellos soll hiermit auch das mancherorts in Deutschland vorhandene Bild vom Islam als „einer ausschließlich aufs Jenseits konzentrierten Religion“ korrigiert werden.

Dazu dienen aber mehr noch die vielfältigen Aktivitäten, die in den Räumen des neuen Zentrums vorgesehen sind. Eingerichtet werden im oberen Teil des Gebäudes eine Mediathek, eine Bibliothek, eine Cafeteria, ein Feinkostladen und sogar Studentenappartments. Im Erdgeschoss soll sich im hinteren Teil auf 200 m² die Moschee erstrecken, die sich jedoch bei Bedarf zum Gemeindesaal im vorderen Teil hin erweitern lässt.

Für das Gesamtprojekt sind eine Bauzeit von zwei Jahren und Baukosten von 1,8 Millionen Euro veranschlagt. Ob die eingeplanten Aufwendungen letztlich ausreichen werden, ist ungewiss. Der Wert eines Gotteshauses lässt sich jedoch nicht nach wirtschaftlichen Rentabilitätskriterien bestimmen. Deshalb durfte man sich auch nicht kleinkariert aus Kostengründen vom Bauen abhalten lassen.

Der zur Grundsteinlegung ebenfalls eingeladene Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, zitierte dementsprechend den früheren Präsidenten des Zentralrats der Juden, Ignaz Bubis, mit den Worten „Wer baut, will bleiben.“

Selbstverständlich ist das Gebäude für das neu entstehende Islamische Zentrum in Marburg nicht für die Ewigkeit bestimmt. Mit ihrem Einsatz für ihre Mitglieder ebenso wie für die übrige Gesellschaft in und um Marburg hat die Islamische Gemeinde der Stadt dennoch einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dabei wurde ein Weg beschritten, der Bilal Farouk el-Zayat und seiner Gemeinde, so Gott will, auch im Jenseits hoch angerechnet wird. Auf jeden Fall wird es dem Islam die Stellung, die er mittlerweile im Stadtleben Marburgs erlangt hat, auch in der Architektur zuweisen (Mohammed Khallouk).



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