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Montag, 19.03.2012
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Der Westen und die syrische Sackgasse

Der Westen muss seiner moralischen Verantwortung gerecht werden und das Morden in Syrien stoppen – Von Abdel Mottaleb El Husseini

Verglichen mit den bisher gestürzten arabischen Diktatoren gilt Baschar Al Assad als Glückspilz in Sachen des erfolgreichen Machterhaltes und als Rekordhalter bei der Anwendung bestialischer Gewalt gegen das eigene Volk. Über 8000 Tote, Tausende Verletzte und Vermisste sowie zahlreiche verwüstete Städte, so sieht die traurige Bilanz des ersten Jahrestages des syrischen Aufstandes gegen die seit 1963 herrschende Diktatur aus. Und was taten bisher die arabische Liga und die internationale Gemeinschaft gegen die syrische Tragödie? Sie alle haben anfangs viel zu viel an die Vernunft Assads appelliert und später zutreffende Diagnosen für seinen politischen Autismus und die Pathologie seines Herrschaftssystems gestellt. Dies war schön und gut. Aber es führte nicht zum Ende des Blutvergießens. Die von der EU und der USA verhängten Sanktionen gegen Vertreter des syrischen Regimes haben auch nichts daran geändert. Scheinbar schlug die innere syrische Krise in eine Krise der UNO um, die durch die russische und chinesische Pro-Assad-Haltung innerhalb des UN-Sicherheitsrats gelähmt wird. Natürlich kann das Ende der Diktatur und die Demokratisierung Syriens selbst beim besten Willen nicht von Außen herbeigeführt werden. Den Preis für ihre Freiheit müssen die Syrer, wie überall auf der Welt, selbst bezahlen. Zudem stellt eine westliche militärische Intervention zugunsten der syrischen Opposition zumindest in der jetzigen Phase nicht unbedingt das beste Rezept für den Sturz des syrischen Regimes dar. Syrien unterscheidet sich wesentlich in seiner inneren politischen und konfessionellen Struktur und in seiner strategischen Bedeutung von Libyen. Die syrische Diktatur nutzte bisher erfolgreich die nationale und konfessionelle Vielfalt Syriens aus. Sie verbarrikadierte sich hinter der alevitischen konfessionellen Minorität, zu der Assads Dynastie und ihre treuesten Sicherheitsapparate gehören. Gleichzeitig konnte das Regime die Angst der Christen und Drusen vor der Machtübernahme der Islamisten im Falle seines Sturzes ausnutzen, um ihre Beteiligung an dem Aufstand zu verhindern. Die gleiche Politik des „teile und herrsche“ wird auch mit weniger Erfolg mit den oppositionellen Kurden, die bis jetzt nicht die volle Härte der Repression des Regimes erfahren haben, praktiziert. Mit seinem Bündnis mit Iran und der Hisbollah profiliert sich das syrische Regime als selbsternannter Beschützer der religiösen Minoritäten gegenüber der sunnitischen Mehrheit in Syrien und in der arabischen Welt.

Das syrische Volk benötigt politische Solidarität und materielle Hilfe, die ihr die Bewaffnung der Freien Syrischen Armee ermöglicht. Die vom Regime geschürte Angst vor einer angeblichen islamistischen Verschwörung in Syrien darf kein Gehör im Westen finden. Das Wegschauen der internationalen Gemeinschaft angesichts der Massaker in Syrien führt zur Radikalisierung des Aufstandes.

Der Westen muss Verantwortung übernehmen

Gegen den Missbrauch der Minoritäten durch die syrische Diktatur wurde sowohl von westlicher als auch von arabischer Seite sehr wenig getan. Beide Seiten versuchten bisher nur das Verhalten Assads zu verändern. Von einer klaren Forderung des Westens nach seinem Sturz ist immer noch nicht die Rede. Diese Politik erschwert den inneren Auflösungsprozess des Regimes und minimiert die Chancen einer alevitischen Palastrevolte gegen Assad. Auch vom Vatikan, der nach der Tragödie der irakischen Christen um die Zukunft der arabischen Christen fürchtet, kamen keine Impulse für die Trennung der Christen von der Diktatur und einer Beteiligung am Kampf der Opposition für ein demokratisches Syrien. Die Assad-Diktatur konnte sich bisher nicht nur dank ihres Bündnisses mit Russland, Iran und China halten, sondern sie profitiert auch vom Fehlen einer klaren Politik des Westens, die konsequent an der Seite der syrischen Opposition steht und auf die Rolle Assads für den bestehenden Status quo in der Region verzichtet. Und das ist keine einfache Aufgabe, weil die Demokratisierung Syriens erheblich von der Lösung des israelisch-arabischen Konfliktes und des iranischen Atomproblems abhängt und noch Unklarheiten über die regionale Ordnung nach dem arabischen Frühling bestehen. Die verständliche Entscheidung gegen eine nicht kalkulierbare militärische Intervention darf dem Westen nicht von seiner Verantwortung für das Ende des Massakers in Syrien befreien. Eine politische Anerkennung der demokratischen syrischen Opposition sollte an vorderster Stelle stehen, um den Druck auf Assad zu erhöhen und den syrischen Aufstand aufrechtzuerhalten. Das syrische Volk benötigt politische Solidarität und materielle Hilfe, die ihr die Bewaffnung der Freien Syrischen Armee ermöglicht. Die vom Regime geschürte Angst vor einer angeblichen islamistischen Verschwörung in Syrien darf kein Gehör im Westen finden. Das Wegschauen der internationalen Gemeinschaft angesichts der Massaker in Syrien führt zur Radikalisierung des Aufstandes. Schließlich gibt es keine Alternative zu einem Konsens zwischen dem Westen und dem russisch-chinesischen Duo im UN-Sicherheitsrat, um zumindest die Todesmaschinerie des syrischen Regimes zu stoppen. Die jetzige Mission des UN-Gesandten ist zum Scheitern verurteilt. Ohne internationales Mandat und ohne Druckmittel sind die Verhandlungen mit der syrischen Diktatur sinnlos. Die eloquenten Sprüche des Kofi Annan beeindrucken den syrischen Diktator nicht, der gleichzeitig verhandelt und mordet.

Abdel Mottaleb El Husseini ist freier Journalist und Autor. Erstveröffentlichung im Handelsblatt vom 14.03.2012 mit freundlicher Genehmigung des Autors



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