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Dienstag, 08.06.2010
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Gewaltstudie: Islam an allem Schuld?

Zentralrat kritisiert fehlende Ursachenforschung, monokausale Begründungen der Studie und fordert: Imame besser und hierzulande auszubilden

Muslim, Macho, religiös, gewaltbereit - mit dieser plakativen Formel befeuert eine neue Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN von Prof. Pfeiffer) und des Bundesinnenministeriums die Islamdebatte in gewohnter Richtung: der Islam ist gefährlich, bleibt fremd und ist latent gewalttätig.

Wie vor zwei Jahren mit der vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebene Studie „Muslime in Deutschland“ (Prof. Wetzel) erliegen die Macher der Versuchung mit soziökonomischen und bildungspolitischen Erklärungsversuchen zu geizen und stattdessen monokausal „den Islam“ als Begründung ins Feld zu ziehen. Zudem kommt noch hinzu, dass die Untersuchung ausschliesslich männliche Probanden heranzog.

Zudem weißt die Studie einmal mehr NICHT auf, WIE zukünftig die Muslime als Bündnispartner im Kampf gegen Radikalisierungstendenzen unter Jugendlichen, die sich muslimisch/türkisch/arabisch nennen, zu gewinnen sind und Programme dazu entwickelt werden könnten. Stattdessen wird auf die, zugegeben in der Mehrheit schlecht ausgebildeten und auf die Herausforderung im Land kaum vorbereiteten Imame herumgehackt, ohne nennenswerte konkrete Vorschläge zur Verbesserung in dieser Richtung zu präsentieren. Lediglich auf die Studie über die Imame von Rauf Ceylan - als Beweis sozusagen - hinzuweisen greift zu kurz, denn er kritisiert zurecht den Import vieler Imame aus dem Ausland, aber schweigt sich darüber aus, wie sich Politik bisher erfolgreich dagegen gewehrt hat, Ausbildungsgänge mit den Religionsgemeinschaften und der Wissenschaft gemeinsam in Deutschland zu entwickeln.

„Die Botschaft, die Imame seien Schuld an der Gewaltbereitschaft junger Muslime ist vollkommen aus der Luft gegriffen“, sagte die Grünen-Politikerin der Hannover Presse. Die Imame würden damit zu „neuen Sündenböcken der Nation“. Es gebe keinerlei Erkenntnisse für solche Zusammenhänge aus den Studien von Professor Pfeiffer oder aus anderen Studien.“ Polat warnte davor, bestehende Vorurteile weiterhin zu bedienen.

Wer "A" sagt muss auch "B" sagen

Aiman Mazyek, Generalsekretär im Zentralrat der Muslime in Deutschland stellt klar, dass die Forderung Pfeiffers zu kurz greife: "Wer A sagt, der muss auch B sagen. Wir fordern schon seit vielen Jahren eine Imamausbildung in Deutschland, doch diese kann die Politik nach unserer Verfassung nicht selber machen: Die Länder sind gehalten dies in Absprache mit islamischen Gemeinden zu tun. Einfach nach der Ausweisung ausländischer Imame zu rufen, hat populistische Züge", sagte Mazyek gestern der Frankfurter Rundschau . "Der Verfassung Rechnung tragen und Ausbildungsgänge mit den Muslimen zu organisieren, ist das Gebot der Stunde. Das habe ich von Herrn Pfeiffer aber nicht vernommen."

Auch Niedersachsens Integrationsministerin Aygül Özkan (CDU) plädiert für "eine zielgerichtete Weiterbildung der Imame in Deutschland". Grundsätzlich gelte: "Die jungen Menschen der dritten oder vierten Generation der Einwanderer brauchen positive Vorbilder."

Dass eine Macho-Kultur mit frauenfeindlichen Elementen und einem speziellen Ehrenkodex die Gewaltbereitschaft auch unter muslimischen Jugendlichen - meist aus bildungsfernen Schichten – vorhanden ist, bestreitet niemand, auch die muslimischen Verbände nicht.
Man verwahrt sich aber gegen die Analogie: der Islam ist an allem Schuld. Im Gegenteil, auch hier gilt: Je mehr man sich mit der Religion wirklich beschäftigt, desto stärker gibt es Veranlassung umzukehren für die Jugendlichen, d.h. vom Drogen- und Alkoholkonsum Abstand zu halten, ehrenvoll sich dem weiblichen Geschlecht zu zeigen und von der Gewalt abzuschwören. Denn wie heißt es in einem Hadith unseres Propheten: „Ein guter Muslim ist der, vor dem die Menschen in Sicherheit sind“. Wenn sich also gewaltbereite muslimische Jugendliche tatsächlich mit den Islam näher beschäftigen, werden sie schnell erkennen, dass sie einem gewaltigen Irrtum unterliegen und im Widerspruch zum Islam leben.

Gegen monokausale Erklärungsmuster

Deshalb sind größte Fragezeichen zu setzen, wenn die KFN-Studie einen deutlichen Zusammenhang zum Grad der Religiosität bei jungen Muslimen herstellt. Zurecht kritisiert der Zentralrat der Muslime, dass die Erklärungen nicht weit genug führen: "Es fehlt die seriöse Expertise über die Ursache des Phänomens", sagt Mazyek, "wer viele Jahre lang Diskriminierung im Alltag erlebt hat, entwickelt krankhafte Abwehrmechanismen. Manche gewaltbereiten Gruppen tragen dann die Religion als Flagge vor sich her, doch ihre Religiosität ist völlig diffus", so Mazyek. "Hier hätte Herr Pfeiffer klären müssen, was Religion für die Befragten tatsächlich bedeutet. Viele haben gar nichts mit den Glaubensgemeinden zu tun."



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