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Dienstag, 26.05.2009

Keine Muslime in der Bundesversammlung und beim Staatakt zum 60. Jahrestag des Grundgesetzes? – Kritisch auch eigene Versäumnisse aufdecken

Bundespräsident Horst Köhler ist gleich im 1. Wahlgang für weitere fünf Jahre in seinem Amt bestätigt worden. Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland Dr. Ayyub Axel Köhler hat ihm bereits gratuliert (siehe unterer link). Beim Staatsakt zum 60.jährigen Bestehen des Grundgesetzes war kein einziger Vertreter islamischen Religionsgemeinschaften eingeladen – das wirft kein gutes Licht auf das deutsche Protokoll.

In der letzten Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählten das gleiche Bild: Kein einziger Vertreter aus den muslimischen Gemeinden – wiederum keine gutes Bild und ein schlechtes Zeugnis, was Theorie und Praxis gelebter staatlicher Integration angeht.

In der Bundesversammlung, in der sich 1224 Mitglieder versammeln, gab es zwar Mitglieder der Bundesversammlung mit muslimischen Migrationshintergrund. Das betraf aber nur die die wenigen Bundestagsabgeordneten, die als Volksvertreter „geborene Mitglieder der Bundesversammlung“ sind.

Von den 16 Länderparlamenten aus kam kein muslimischer Vertreter Richtung Bundestag als Wahlmann oder Wahlfrau zur Wahl des Bundespräsidenten oder Bundespräsidentin.
Abdullah Borek, deutschstämmiger islamischer Theologe und Imam der Deutschen-Muslim- Liga e. V., sieht das mit großem Unbehagen. Er verweist gegenüber islam.de auf Bundesinnenminister Schäuble, der vor dem 1. einberufenen Islamgipfel sagte: „Im Land leben rund drei Millionen Muslime, aber wir haben keine Beziehung zur vielfältigen muslimischen Gemeinschaft, obwohl sie ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft ist.“

Abdullah Borek sagt, dass von den 3 Millionen Muslimen im Lande besäßen rund 1 Million den Deutschen Pass. Er spricht vom „moralischen Recht auf eine direkte Teilhabe an der Wahl des Bundespräsidenten.“

Während und in der Bundesversammlung am 23. Mai sprach islam.de mit Vertretern der Parteien zum Thema „muslimische Mitglieder in der Bundesversammlung.“
Der FDP- Bundestagsabgeordnete Hans- Michael Goldmann, Beauftragter seiner Fraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, begrüßt grundsätzlich diesen Gedanken. Dabei sollten alle Weltreligionen bei den Parteien in der Bundesversammlung repräsentiert werden. Das sei „ein Signal, dass man an die Religionen sende.“
Sein Fraktionskollege Christian Ahrendt verwies auf die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit. „Die Pluralität der Religionen kann in der Bundesversammlung zum Ausdruck kommen“, so der FDP- Bundestagsabgeordnete Ahrendt.

Der Schatzmeister der NRW-CDU und Landtagsabgeordnete Lothar Hegemann erklärte: „Das ist meine 6. Bundesversammlung, an der ich mitwirken darf. Warum soll z.B. der Zentralrat der Muslime nicht bedacht werden? Wir von der Union begrüßen so ein Vorhaben ausdrücklich. Die Union hat ja auch Frau Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, zur Bundesversammlung entsandt. Bei der nächsten Wahl kann ja auch durchaus ein Repräsentant des Zentralrates der Muslime zum Zuge kommen.“

Die Parteienvertreter können sich durchaus vorstellen, im Wechsel laden sie einen Vertreter einer Weltreligion zur Bundesversammlung ein. So ist auch gewährleistet, ein Religionsvertreter „klebt nicht“ immer am Rockzipfel einer bestimmten Partei. Alle demokratischen Parteien in der Bundesversammlung können so auch zum Ausdruck bringen, die Religionen haben in ihren Parteireihen und in ganz Deutschland ihren Stellenwert.

Eine Partei darf keine Religion vereinnahmen und keine Religion eine bestimmte Partei. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe, von 1994- 2005 SPD- Bundestagsabgeordneter, verzichtete ganz bewusst auf eine Mitgliedschaft in der Bundesversammlung und nahm als Gast ohne Stimmrecht teil. „Ich habe zum Bundespräsidenten ein sehr gutes Verhältnis. Herr Prof. Köhler hat sehr starkes Interesse für die Belange der Soldatinnen und Soldaten. Viele vertrauliche Gespräche habe ich mit dem Bundespräsidenten geführt, so genannte 4 Augen Gespräche. Da würde ich als Mitglied der Bundesversammlung in eine parteipolitische Ecke gestellt, in die ich nicht hinein möchte.“
So sollten nach Meinung von Reinhold Robbe auch Religionsvertreter sich niemals immer an eine Partei in der Bundesversammlung binden. Er selber steht einer religiösen Repräsentanz durch die anerkannten Weltreligionen „ sehr aufgeschlossen gegenüber. Das ist auch eine Bereicherung für die gesamte Gesellschaft.“ Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages bemerkte auch, in der Bundeswehr seinen auch viele Religionen vertreten. Das sei eben ein Spiegel der Gesellschaft.

Der Bundestagsabgeordnete von BÜNDNISS 90/DIE GRÜNEN, Thilo Hoppe, im Zivilberuf Diakon und Journalist bei der Evangelischen Zeitung und Evangelischen Rundfunk, will sogar allen anerkannten Religionen eine Stimme verleihen. So gibt es ja Zusammenschlüsse von kleineren Religionen, die sich unter einem gemeinsamen Dach regelmäßig treffen. Der „Sprecher dieses interreligiösen Dachverbandes bis hin zur Bischöfin Käßmann und eines Vertreters des ZMD“ könnten Mitglieder der Bundesversammlung sein. Das zeige doch „die tolerante Grundhaltung der demokratischen Parteien.“ Zwei Dinge gebe es immer zu beachten, so Thilo Hoppe. Erstens, es können keine „bizarren, obskuren Religionen oder Leute, die nur behaupten, sie seien eine Religion“ Anspruch auf eine Stimme in der Bundesversammlung erheben. Auch nicht als Mitglieder in einem interreligiösen Dachverband, in dem man durchgerutscht ist.

Zweitens, man muss für die Parteien Verständnis haben, diese könnten keine Wahlstimmen vergeuden. Gerade bei zu erwartendem knappen Wahlausgang muss man sich auf seinen Mann, seine Frau verlassen können. In diese Richtung äußerte sich auch Lothar Hegemann. Aber weder Lothar Hegemann noch Thilo Koch sehen darin ein allzu großes Problem. Jeder Zentralrat ist ja auch pluralistisch. Benennt eine bestimmte Partei den ZMD, ist der ZMD angehalten, einen Vertreter zu entsenden, der dieser Partei nahe steht oder sogar Mitglied in ihr ist. Das Gewissen und die freie Entscheidung ja, nur das Aufstellen von religiösen Vertretern darf aus Sicht der Parteienvertreter nicht dazu führen, man bekommt jetzt seine Leute nicht mehr durch, weil die Repräsentanten der Weltreligionen und/ oder interreligiöser Dachverbände zu einem unkalkulierbaren Risiko für die Mitarbeiter in den Parteizentralen werden.

Dazu müssen aber zuerst die muslimischen Repräsentanten bei den Parteien vorsprechen. Hier sieht Abdullah Borek auch ein Übel in den eigenen Reihen. „Niemand hat den muslimischen Verbänden verwehrt, Vorschlagslisten bei den Präsidenten der entsprechenden Länderparlamente einzureichen.“ Darin sieht er ein „klares Versäumnis seitens der Muslime, ihrer Organisationen und deren Funktionäre.“

Bei der nächsten Bundesversammlung im Jahre 2014 kann das Versäumte ja nachgeholt werden- die demokratischen Parteien scheinen zu wollen. Dann müssen wir Muslime die Parteien beim Wort nehmen und auch bei deren Türen vor dem Termin der Bundesversammlung anklopfen und auf ein „Herein“ hoffen.





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