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Mittwoch, 04.05.2016 | Drucken |
Kirche und Juden zeigen AfD die rote Karte
Verfassungswidriges AfD-Programm steht am Pranger
Hamburg (KNA) Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wirft der AfD vor, sie wolle mit ihrer Haltung zum Islam die Gesellschaft spalten. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strom sagte am Montag auf NDR Info, Teile der Partei stellten die Religionsfreiheit in Frage. Es sei mit der christlichen Grundorientierung nicht vereinbar, wenn gegen gesellschaftliche Gruppen pauschal Stimmung gemacht werde.
«Was man auf gar keinen Fall akzeptieren kann, ist Hetze gegen Menschen. Erst recht nicht dann, wenn sie sich in Gewalttaten zeigt», sagte der bayerische Landesbischof. Bedford-Strom kritisierte zudem, dass sich die AfD nicht zu der steigenden Zahl von fremdenfeindlichen Angriffen in Deutschland geäußert habe. «Hunderte fremdenfeindliche Straftaten wurden in den ersten Monaten dieses Jahres in Deutschland begangen. Dazu habe ich ein klares öffentliches Wort der AfD vermisst. Der Parteitag hätte die Welle von Gewalt gegen Schutzsuchende geschlossen verurteilen müssen - gerade wenn man in der Flüchtlingspolitik solche Thesen verbreitet wie die AfD.»
Die evangelische Kirche werde gemeinsam mit den anderen Religionen «klare Kante» gegen jede Form von Fundamentalismus zeigen, sagte Bedford-Strom. Dazu müsse man die Menschen ins Gespräch bringen. Durch Kontakt entstehe Empathie. «Es gibt Menschen, die verunsichert sind. Wenn dann eine Partei scheinbar einfache Antorten gibt, mag sie für manche attraktiv sein. Diese Sprüche haben aber keinen Bestand mehr, wenn sich die Menschen persönlich begegnen. Ich glaube nicht, dass die AfD ein nachhaltiges Phänomen ist.»
Unterdessen haben der Zentralrat der Juden und der Zentralrat der Muslime sich dazu geäußert. Das in Stuttgart verabschiedete AfD-Programm ist nach Ansicht des Zentralrates der Muslime durchzogen von «Demagogie und Populismus». Der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Montag) sagte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek: «Ein solch islamfeindliches Programm hilft kein Deut, Probleme zu lösen, sondern spaltet nur unser Land.» Ein Minarett-Verbot löse weder soziale Ungerechtigkeiten noch Rentenprobleme, so Mazyek.
Zuvor hatte auch der Zentralrat der Juden die religionspolitischen Beschlüsse des Afd-Parteitags in Stuttgart heftig kritisiert. «Die programmatischen Beschlüsse der AfD vom Wochenende haben die religionsfeindliche Haltung dieser Partei glasklar deutlich gemacht. Damit verlässt die AfD den Boden unseres Grundgesetzes», erklärte Präsident Josef Schuster am Sonntag in Berlin. Vor allem die gegen den Islam gerichteten Passagen im Programm zeigten die Intoleranz und Respektlosigkeit der Partei vor religiösen Minderheiten, so Schuster weiter. Einen Angriff auf das Judentum stellt nach den Worten des Zentralratspräsidenten die Ablehnung des Schächtens dar. «Dies dürfen wir nicht hinnehmen.» Die Ausführungen im Parteiprogramm seien «der durchsichtige Versuch, unsere Gesellschaft zu spalten und das friedliche Miteinander zu hintertreiben».
Wie bekannt wurde haben diverse Politiker zum AfD-Programm Stellung bezogen. Nach dem Programmparteitag der AfD haben Politiker von Union, SPD und Grünen den Kurs der rechtspopulistischen Partei scharf kritisiert. Als «Angriff auf fast alle Religionen» bezeichnete der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Armin Laschet, die religionspolitischen Beschlüsse der AfD. Im ARD-Morgenmagazin erklärte der Politiker am Montag: «Vier, fünf Millionen Muslime leben im Land. Insofern weiß jeder, sie sind Teil dieser Gesellschaft.»
Nach den Worten von Laschet will die AfD den christlichen Religionsunterricht in seiner heutigen Form abschaffen. «Sie haben andere Regeln, die Juden und Muslime betreffen. Sie haben quasi den Islam als Fremdkörper in Deutschland bezeichnet und gesagt, der gehört nicht in diese Gesellschaft. Und das spaltet, und das muss gerade eine christdemokratische Partei, für die der Glaube eine gewisse Bedeutung hat, aufschrecken.»
Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) erklärte im Deutschlandfunk, die Afd sei eine Angstmacherpartei. Ihre Aussagen zum Islam seien brandgefährlich. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bezeichnete das Grundsatzprogramm der AfD als «reaktionär» und die Haltung der Partei zum Islam als «irrsinnig». Der in Düsseldorf erscheinenden «Rheinischen Post» sagte sie: «Die AfD hat sich ein tief reaktionäres Programm gegeben und betreibt mit Rassismus und Islamfeindlichkeit eine Spaltung unserer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft.»
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warf der AfD in der Zeitung «Die Welt» plumpen Populismus vor. Die Partei sei gegen den Islam, den Euro, die EU, bleibe konstruktive Vorschläge aber weitgehend schuldig. SPD-Vize Ralf Stegner bezeichnete die AfD als «zerstrittene und wirre Rechtsaußen-Partei». «Ihr Prinzip ist es, Sündenböcke zu benennen, aber keine Lösungen anzubieten.»
Weiterhin hat sich auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen zur AfD geäußert. Er hat davor gewarnt, in der Islamdebatte umbescholtene Muslime in einen Topf mit Terroristen zu werfen. Im ARD-Morgenmagazin erklärte Maaßen am Montag: «Was wir hier in Deutschland brauchen, ist eine Koalition gegen den Extremismus. Und dafür brauchen wir auch die Muslime in Deutschland, die Moderaten, die auf der Grundlage unserer Verfassungsordnung mit uns zusammen gegen den Extremismus ankämpfen wollen.»
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