Newsinternational Donnerstag, 14.07.2011 |  Drucken

Was soll noch im Nahen Osten verhandelt werden?

In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Guido Westerwelle haben 32 deutsche Botschafter und Konsuln im Ruhestand die Bundesregierung aufgefordert, die geplante Staatsgründung Palästinas im September bei der UN zu unterstützen

Vor einigen Tagen hat faktisch das Nahost-Quartett Verhandlungen mit den Israelis und Palästinensern auf Eis gelegt, entnervt aufgegeben und den lokalen Kräften vor Ort das Feld überlassen.

Weil die Zeit aber - durch ständige neue israelische Siedlungsbauten auf Palästinenser-Gebieten und aufgrund der immer noch nicht gelösten „Käfig-Haltung“ von knapp 2 Mio. Palästinensern in Gaza - gegen die Palästinenser läuft, schickt sich nun Fatah und Hamas an, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und im Herbst einen Palästina-Staat auszurufen. Die Mehrheit in der UNO sind dafür, die Mehrheit im UN-Sicherheitsrat dagegen.

In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Guido Westerwelle haben nun in diesem Zusammenhang 32 deutsche Botschafter und Konsuln im Ruhestand die Bundesregierung aufgefordert, die geplante Staatsgründung Palästinas im September bei der UN zu unterstützen - Hier der Brief im Wortlaut:

An die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland
Frau Dr. Angela Merkel

An den Bundesminister des Auswärtigen der Bundesrepublik Deutschland Herrn Dr. Guido Westerwelle

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,
sehr geehrter Herr Bundesminister Westerwelle,

wir bitten Sie um ein JA zu Palästina in den Vereinten Nationen Das ist ein Gebot der Menschlichkeit zur Beendigung einer unwürdigen Besatzungspolitik.

Der Ministerpräsident Israels hat kürzlich in Washington mit einem vierfachen NEIN die Tür zu Friedensverhandlungen geschlossen:

Er hört nicht auf, Siedlungen in den besetzten Gebieten zu bauen. Die Grenzen von 1967 plus Gebietsaustausch sind für ihn inakzeptabel. Zur Flüchtlingsfrage gibt es nichts zu verhandeln. Über Jerusalem will er gar nicht erst reden.

Wir wissen, Sie haben bisher für das Ziel einer Zweistaaten-Lösung auf die Verhandlungs-bereitschaft beider Seiten vertraut.

Worüber, glauben Sie, könnten die Palästinenser jetzt noch verhandeln? Ob sie 15 oder 20 Prozent des im Teilungsplan der VN von 1947 für den Staat Palästina vorgesehenen Gebiets behalten dürfen? Über die Zahl der jüdischen Siedlungen, die mitten im palästinensischen Staat verbleiben sollen? Oder über eine fortgesetzte Stationierung israelischer Truppen am Jordan?

Ohne ein markantes Signal von außen bleibt der Nahostkonflikt ungelöst.

Die Bundesregierung betrachtet fast alle der von Israel jetzt als nicht verhandelbar bezeichneten Positionen als unvereinbar mit dem Völkerrecht. So sehen es auch alle anderen Länder der Europäischen Union. Deshalb muss die Bundesrepublik Deutschland in den Vereinten Nationen mit einem Ja zu Palästina einen neuen Weg zum Ende einer Besatzung beschreiten, die nach mehr als 40 Jahren einer Annexion gleichkommt.

Wir lassen uns in der Anerkennung der historischen deutschen Verantwortung für die Existenz Israels von niemandem überbieten. Um so schmerzlicher empfinden wir es, wenn die Regierung Israels wichtige Grundprinzipien der westlichen Wertegemeinschaft missachtet.

Nach dem enttäuschenden Ergebnis des Besuchs von Ministerpräsident Netanjahu in Washington ist es jetzt an Europa, mit einer gemeinsamen Ja-Stimme dem Frieden im Nahen Osten eine neue Chance zu eröffnen Der überwiegende Teil der Staatengemeinschaft ist dazu bereit.

Auch nach der Aufnahme Palästinas in die Vereinten Nationen muss und wird es Verhandlungen geben. Das ist dann der richtige Zeitpunkt, über die legitimen Sicherheitsinteressen beider Seiten zu sprechen.

Mit vorzüglicher Hochachtung,

32 deutsche Botschafter und Generalkonsuln im Ruhestand:

Hans-Dietrich v. Bothmer, Friedrich Catoir, Wolfgang Dix, Rainer Dobbelstein, Ernst-Joachim Döring, Wolfgang Erck, Klaus Franke, Gerhard Fulda, Martin Hecker, Herbert Hoffmann-Loss, Hilmar Kaht, Arne v. Kittlitz, Maren Klingler, Norbert Klingler, Hagen Graf Lambsdorff, Thomas Läufer, Michael Libal, Peter Mende, Gunter Mulack, Gerhard Müller-Chorus, Fritjof v. Nordenskjöld, Erich Riedler, Klaus Ringwald, Martin Schneller, Ulrich Schöning, Uwe Schramm, Helmuth Schroeder, Rolf Schumacher, Cornelius Sommer, Ernst-Jörg v. Studnitz, Bernd Wulffen, Klaus Zehentner
Berlin, den 6. Juli 2011



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