Newsnational Montag, 16.11.2009 |  Drucken

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Tödliches Risiko Kopftuchtragen

Es ist nur ein gradueller Unterschied, ob man eine kopftuchtragende Frau vom Spielplatz oder aus dem Klassenzimmer verbannt - ZMD plädiert für „verbale Abbrüstung“

Vorurteile gegen Minderheiten sind in Europa in einem "alarmierenden Ausmaß" verbreitet. Das zeigt eine Studie, die das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld in acht europäischen Ländern durchgeführt hat.

Jeder zweite Europäer aus diesen Ländern stimmt den Aussagen "Es gibt zu viele Einwanderer" und "Der Islam ist eine Religion der Intoleranz" zu. 43 Prozent der Befragten halten Homosexualität für unmoralisch, fast ein Drittel geht von einer "natürlichen Hierarchie zwischen schwarzen und weißen Menschen" aus, ein Viertel unterstellt, dass "Juden zu viel Einfluss" haben.

Dies Zahlen sind nicht überraschend, denn die führende Elite setzt mir markanten Negativbeispielen seit Jahren diese Akzente – zuletzt gesehen bei Theo Sarrazin. Wir dürfen uns nicht wundern, wenn dann die Bürger dieses auf Ungleichheit basierende Bild im Alltag umsetzen und zwar mit Diskriminierungen und geballten Vorurteilen.

Nur ein gradueller Unterschied

In diesem Zusammenhang zieht die Süddeutsche Zeitung ein bemerkenswertes und zugleich fatales Fazit aus dem Mordfall „Marwa El-Sherbini“. Da heißt es:
„Es bleibt die höchst beschämende und alarmierende Tatsache, dass es in Deutschland ein tödliches Risiko sein kann, ein Kopftuch zu tragen. Das sollte einigen zu denken geben. Es ist nur ein gradueller Unterschied, ob man eine kopftuchtragende Frau vom Spielplatz oder aus dem Klassenzimmer verbannt. Was man ihr verweigert, ist in beiden Fällen dasselbe: die gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.“

Dies hat wohl der oberste Verfassungsrichter Nordrhein-Westfalens, Michael Bertrams, auch im Blick, als er vor einigen Wochen folgenden verheerenden Satz aussprach und damit unverhofft Wegbereiter vieler weiterer Vorurteile und Eskapaden wurde; Er sagte: "Eine muslimische Lehrerin, die auf dem Tragen des islamischen Kopftuchs beharrt, bekennt sich deshalb nicht ohne Vorbehalt und widerspruchsfrei zu unserer Verfassung und unseren Werten".

Bemerkenswert deshalb, weil er nicht nur die Urteilsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts in Frage stellte, sondern weil er - was noch schlimmer ist - das staatliche Neutralitätsgebot, einen Pfeiler unseres säkularen Prinzips, umdefiniert sehen möchte.

Vor ein paar Tagen sind CDU und FDP im rheinlandpfälzischen Landtag gescheitert, kopftuchtragenden Lehrerinnen den Unterricht zu untersagen. Die bildungspolitische Sprecherin der SPD, Ulla Brede-Hoffmann, kommetierte dies so: „Das Tragen eines Kopftuches per se als Zeichen zu werten, dass eine Lehrerin Ansichten vertritt, die dem Geiste des Grundgesetzes widersprechen, ist eine willkürliche, pauschale Unterstellung“.

ZMD für verbale Abrüstung

Der ZMD appelliert deswegen an die Politik, die latente Islamfeindlichkeit endlich auf die politische Agenda zu setzten und Maßnahmen dagegen zu ergreifen. In der öffentlichen Debatte um Islam und besonders um das Kopftuch ist „verbale Abrüstung angesagt, damit potenziellen Tätern nicht wieder die Stichworte geliefert werden“.
Der Mordfall in Dresden hat vieles aufgezeigt, dennoch sträubt sich ein Teil unserer Elite offen darüber zu debattieren und daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen.

Dies kritisierte vor Tagen auch ein Kommentar im Berliner Tagesspiegel:
„Die wesentlichen Scharniere des ideologischen Gerüsts von Alex W. sind selbst in vielen bildungsbürgerlichen Köpfen verschraubt, und mit den Kopftuchgesetzen der Länder sind Versatzstücke solchen Denkens sogar rechtsverbindlich geworden. Dass Gesinnung und Tat hier nicht zu trennen waren, hatte vor Tagen vor allem das Plädoyer von Heiko Lesch nachgezeichnet, dem Bonner Rechtsanwalt, der den Witwer als Nebenkläger vertrat“.

Fazit: Es geht schon lange nicht mehr ums Kopftuch, schon gar nicht darum, wie oder wieviel Islam hierzulande angenommen wird. Es geht schlicht und ergreifend um die Toleranzfähigkeit unserer Gesellschaft als Ganzes. Der Lackmustest ist dabei einfach zu beschreiben: Bringt die Mehrheit der Gesellschaft die Kraft auf, Achtung und Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Andersaussehenden zu zeigen, oder nicht?




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