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Montag, 04.05.2009 | Drucken |
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Roland Kochs Rendevouz mit den Arabern
Förderung der attraktiven deutschen Wirtschaft bedeutet auch keinen Wahlkampf mehr auf dem Rücken von Minderheiten zu machen
Heute beginnt die acht-tägige Nahostreise des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Die 40 Mann starke Wirtschaftsdelegation soll Riad, Maskat, Abudhabi und Dubai besuchen. Dort sollen sich deutsche Unternehmen vorstellen und arabische Investoren sollen nach Deutschland geholt werden.
Ob Opel auf der Tagesordnung steht, wurde auf Anfrage beim Pressereferat der hessischen Staatskanzlei nicht bestätigt. Jedoch nachdem Barclays Bank von der Qatar Investment Aurthority, dem Staat Qatar und dem qatarischen Unternehmen Challenger insgesamt £ 4.3 Milliarden erhalten hat wäre ein solcher Vorstoss nicht von der Hand zu weisen. Unwahrscheinlich bleibt jedoch, dass die renditebewussten Araber sich für Opel begeistern können, denn sie bevorzugen Energie-, Rüstungs -und Wassertechnik.
In vielerlei Hinsicht ist Koch’s Rendevouz mit den Muslimen auf der arabischen Halbinsel an einen Tisch ein Novum. Bisher hat er es noch nicht geschafft mit seinen eigenen muslimischen Wahlvolk sich an einen Tisch zu setzen. Im Gegenteil er und sein schulpolitischer Sprecher Hans Jürgen Irmer finden es gar »absurd, dem Islam Religionsfreiheit im Sinne unseres Grundgesetzes zu gewähren«, welches im Klartext bedeutet: Berufsverbot für kopftuchtragende Muslima, kein Religionsunterricht für Muslime und kein Halalfleisch in Hessen. Nicht gerade wirtschaftsfördendes Verhalten. Weltoffenes Frankfurt bedeutet halt nicht immer weltoffene Politk aus Wiesbaden.
Muslime investieren hierzulande und keiner spricht (zurecht) von Islamisierung
Khadem Al Qubaisi, CEO von Aabar Investments, hat im März 2009 die Investition von € 1.95 Mrd. in Daimler vereinbart und damit 9.1% Anteile für sein Unternehmen erworben (wir berichteten). Da hat keiner von einer „Islamisierung“ von Mercedez gesprochen. Auch die Qatarische International Petroleum Investment Company, wiederum von Muslimen geleitet, hat 70% von der MAN Tochter Ferrostahl abgekauft. Die emiratischen Investoren Harvest United Enterprise haben mit € 200 Million in das Berliner Zoofenster investiert. Abudhabi geht voran und baut auf Solarenergie mit dem Ziel innerhalb von 10 Jahren 7% seines Energiekonsums mit Sonnenkraft abzudecken. Natürlich hofft deutsche Solartechnik dabei zu sein, denn unsere Solartechnik gehört zu den Pionieren. Freilich ist auch Fraport als deutsches Vorzeigeunternehmen der neue Servicemanager von Riad und Jeddahflughafen.
Frankfurt ist bereits im Nahen Osten, und das schon sehr erfolgreich. Und während in Berlin und München, Araber neutral und geschäftsmässig vorgehen, polemisieren die ewig gestrigen noch über Geisterprobleme “Burka” und “Islam als Herausforderung”. Wenn es um’s Geld geht bleibt man sachlich, wenn Wahlen anstehen, wird man jedoch polemisch. Da wird mal schnell über das Thema Ausländerkriminalität (letzte Wahl), doppelte Staatbürgerschaft (vorletzte Hessenwahl) oder den Kirchenbau in Saudi Arabien (siehe auch unterer link) auf den Rücken von Ausländern und Muslimen hierzulande „brutalstmöglich“ Wahlkampf gemacht.
Muslimische Bildungseliten gehen aus Deutschland
Mit allem Stolz können deutsche Muslime wie etwa Dr. Bodo Rasch auf ihren Beitrag beim Bau der Schattenschirme in der 1400 Jahre alten Prophetenmoschee in Medina verweisen. Gleichzeitig finanzieren saudische Philanthropen, die hier ungenannt bleiben möchten, 250 Stipendien pro Jahr für deutsche und andere europäische Studenten. Deutsche muslimische Ingenieure und Manager leiten Unternehmen oder sind im Mittelmanagement in der ganzen Welt aktiv dabei und fördern die deutsche Wirtschaft auf täglicher Basis.
Doch aus Deutschland und Hessen fliehen viele muslimische Bildungseliten. Frankfurt ist nicht London oder Dubai. Gebetsnischen in den Kanzleien und Eliteuniversitäten, Islamic Finance in den Banken, Halalfleischindustrie, islamische Schulen und Kopftuch am Gericht –solche Offenheit zieht Menschen naturgemäss nach England und die Vereinigten Staaten. Wissenschaft und Business haben schon immer gerade wegen Internationalität geblüht und junge deutsche Muslime sind bereits wegen der heimatlichen anti-muslimischen Politik abgewandert oder erwägen dies (in einer der nächsten Berichte gehen wir anhand einer repräsentativen Untersuchung diesen Punkt näher ein). Enklavenweise findet man sie wieder in England, Amerika und im Nahen Osten. Der Grund: mehr Religionsfreiheit und wirtschaftliche Aufstiegschancen.
Täglich profitieren deutsche Unternehmen durch Innovation im Nahen Osten, und umgekehrt durch Investoren in Deutschland. Es ist ein gegenseitiges Befruchten, das Muslime schon seit 1400 Jahren pflegen –unabhängig von Religion. Mit 400 Millionen Muslimen in Indien, 200 Millionen in China und dem islamischen Malaysien und den Ölstaaten sind Muslime unvermeidbar auch Geschäftspartner. Langfristig muss Frankfurt und Deutschland generell sich der Globalisierung anpassen und konkret attraktiver werden.
Koch soll die Muslime hierzulande nicht vergessen, wenn es ihn wegen der heimischen Arbeitsplatzsicherung nach Arabien zieht
Wenn Koch zu den Muslimen im Osten fährt um die hessische Wirtschaft zu fördern, soll er auch seine hessischen Muslime daheim versuchen für sich zu gewinnen. Schafft er dies, schafft er es auch andere fremde Investoren, Studenten und Professionals –egal ob malaysische Muslime, indische Sikhs und Hindu- anzuziehen. Konkret würden die Eckpunkte beeinhalten Halal-industrie nicht blockieren, islamische Privatschulen zulassen, Berufsverbot für kopftuchtragende Frauen aufheben, Universitäten weiterhin dem akademischen Wettbewerb ausliefern und endlich eine hessische Initiative auf Bundesebene starten Steuerhindernisse bei Islamic Banking Produkten aufzuheben. Dann wird auch Hessen ein Stück näher an London und Dubai kommen und ein noch viel interessanterer Standort sein, als er schon ist. Um Gewinner der Globalisierung zu sein, setzt man sich draußen und zu Hause mit allen an einen Tisch. Vielleicht lernt das Koch endlich und verspricht nie mehr Wahlkampf auf den Rücken von Minderheiten zu machen?
Autor: Taris Ahmad, LLM arbeitet bei einer englischen internationalen Grosskanzlei in London und Riad. Er kommt ursprünglich aus dem Hochtaunuskreis und war dort u.a. Mitglied des Kreistages
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