Newsnational Donnerstag, 28.08.2025 |  Drucken


Thomas Rachel (rechts im Bild) neuer Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit - Besuch im Jahre 2022
Thomas Rachel (rechts im Bild) neuer Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit - Besuch im Jahre 2022

Wie der neue Beauftragte Thomas Rachel Kompetenz im Bereich der Friedenspolitik zurückgewinnen will

Die Abwicklung der Abteilung „Religion und Außenpolitik“ im Auswärtigen Amt folgte einer toxischen Debatte. Die neue Regierung versucht nun, die Scherben aufzukehren

Berlin. Die Ansiedlung des Amtes des Beauftragten für weltweite Religionsfreiheit, Thomas Rachel (CDU), im Auswärtigen Amt ist das deutlichste Zeichen für einen Kurswechsel. Sie ist eine späte Reaktion auf die Kritik (siehe dazu unten mehr)  und holt das Thema aus der Isolation zurück in die Diplomatie. In einem Interview mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) unterstrich Rachel jüngst die nun offizielle Linie: „Daher müssen auch wir in unserem Verständnis von Außenpolitik den Faktor Religion immer mitdenken, unabhängig davon, ob man selbst gläubig ist oder nicht.“ Diese Aussage wirkt wie ein verspäteter Widerruf der Vorwürfe, die zum Stillstand der Arbeit führten. Rachel betont den Dialog als zentrales Element – genau jene Stärke der alten Strukturen, die ihnen zum Verhängnis wurde. Rachels Worte sind ein Schritt in die richtige Richtung. Seine Anerkennung für die Arbeit des zerstörten Referats („Es war gut, dass...“) ist eine notwendige Rehabilitation.

Der Anfang vom Ende des damaligen Referates "Religion und Aussenpolitik" war nicht sachlich, sondern persönlich, vorverurteilend und öffentlich. Bevor die vor gut fünf Jahren bekanntgewordene Schließung der Abteilung für „Religion und Außenpolitik“ im Auswärtigen Amt (AA) vollzogen wurde, war sie bereits monatelang durch die Medien gewälzt worden. Auslöser war die geplante Einstellung einer muslimischen Vertreterin, die zuvor für den Zentralrat der Muslime (ZMD) tätig war. In einer aufgeheizten Debatte wurde das, unter Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) aufgebaute Referat der allzu bekannten Generalverdachtsdebatte zum Fraß vorgelegt und damit zu Nichte gemacht. Sehr zu Verwunderung von Botschaftern und Diplomaten. Priesen sie doch vorher die Zukunfträchtigkeit solch eines Projektes und da eine oder andere Land begann bereits mit ähnlichen Strukturen in den eigenen diplomatischen Abteilungen. Dabei ist zu bemerken: es geht nicht um Aneignung von Religiösem in der Politik, sondern um Wissen um das Religiöse, um als Moderatorin, Mediatorin und Krisenbewältigerin zu fungieren. Friedenspolitik durch Wissen um Religion. 2/3 der Weltbevölkerung ist religiös, da kann Deutschland ungeachtet, dass das Lande immer mehr areligiös wird, nicht hinterherhinken.


Diese toxische Verdachtsrhetorik war der Sargnagel solch einer zwar kleinen, aber bedeutsamen und wertvollen Abteilungen der deutschen Diplomatie. Nicht verwunderlich: Parallel wurde, im Laufe der letzten Legislaturperiode, die Unterstützung für die unabhängige Redaktion des erfolgreichen Dialogportals qantara.de – eine seit über 20 Jahren gewachsene „Brücke zwischen der islamischen Welt und dem Westen“ – eingestellt. Das Signal verheerend: Vorurteilsfreie Beschäftigung mit der islamischen Welt, insbesondere mit seinen nicht-staatsnahen Vertretern, war politisch nicht mehr so gewollt. Einmal mehr war das Projekt Opfer einer vor allen ideologisch behafteten Debatte geworden.

Eine gewisse Skepsis bleibt, ob nun ein Beauftragter die Lücke füllen kann, die eine ganze Abteilung und erfolgreiche Dialogmedien hinterlassen haben. Das Misstrauen und die öffentliche Anprangerung haben nachhaltig Schaden angerichtet. Wer künftig im AA diese sensitive Arbeit macht, wird unter einem viel strengeren, politisch aufgeladenen Blick stehen. Die damals mühsam aufgebaute Vertrauensbasis mit diversen religiösen Akteuren, insbesondere in der muslimischen Welt, ist beschädigt. Diese Brücken wiederaufzubauen, wird weit schwieriger sein, als sie abzureißen. Die Entscheidungen der Vorgängerregierung waren kein betriebswirtschaftlicher Akt, sondern ein von Ideologie und politischem Druck getriebener Bruch. Das Ergebnis: ein Verlust an Expertise, Dialogfähigkeit und Glaubwürdigkeit.

Die Versetzung von Thomas Rachel ins Auswärtige Amt ist ein wichtiges Signal der Einsicht und der versuchten Korrektur. Sie ist zu loben, denn sie zeigt den Willen, aus dem gemachten Fehler zu lernen. Die neue Regierung steht vor der Aufgabe, nicht nur Strukturen, sondern vor allem auch das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen. In einer Welt, die zu zwei Dritteln religiös ist, kann sich Deutschland diesen "Luxus" eines selbstverschuldeten Blindflugs kein zweites Mal leisten.(AM)




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