Newsnational |
Dienstag, 27.05.2014 | Drucken |
Außergewöhnlich, ergreifend, mutig und zukunftsweisend
Sternstunde im Deutschen Bundestag – ZMD war zugegen beim Geburtstag des Grundgesetzes und bewertete die Festrede von Navid Kermani positiv
Das Grundgesetz wurde vergangenen Freitag (23. Mai) 65 und dennoch tadelte Bundestagspräsident Norbert Lammert in einer Feierstunde vergangenen Freitag im Bundestag die Verfassungsänderungen der vergangenen Jahre: „Das Grundgesetz hat nahezu den doppelten Umfang, ist damit zwar deutlich länger, aber nicht unbedingt deutlich besser geworden.“
Lebhafte Debatten sind für Gedenkstunden im Bundestagsplenum eher ungewöhnlich. Der Intellektuelle und Schriftsteller Narvid Kermani nutzte seine Rede (hier vollständig abrufbar) für eine Abweichung von der Gedenkroutine und formulierte Kritikam geänderten deutschen Asylrecht. Die 1993 umgesetzte Asylreform habe das Grundrecht auf Asyl in Deutschland "faktisch abgeschafft", sagte er. Seine Rede war außergewöhnlich, ergreifend, mutig und zukunftsweisend.
Redner aller Fraktionen dankten Kermani dafür, dass er die Gedenkstunde um eine lebhaften Gedankenaustausch bereichert habe. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) stellte klar, dass er Kermanis Positionen nicht alle teile: "Deutschland ist das Land, das am meisten Asylbewerber aufnimmt, das darf an einem solchen Tag auch nicht vergessen werden."
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann lobte die "lebhafte Feierstunde", die dem Geist des Grundgesetzes gerecht werde. Sein Linkspartei-Kollege Gregor Gysi dankte Kermani für eine "ausgezeichnete Rede". Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bezeichnete den Auftritt des studierten Orientalisten als "große Ehre".
Es gibt sie also noch, die Überzeugungskraft der politischen Rede. Den jüngsten Beweis dafür hat der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani geliefert, als ihm im Deutschen Bundestag zur Feier des Grundgesetzes das Kunststück gelang, den versammelten Politikern die Leviten zu lesen, ohne die Stimmung zu verderben
An der Feierstunde nahm auch Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) teil. Als besonders erfreulich bewertete der ZMD-Vorsitzende überhaupt die Tatsache, dass die zentrale Festrede von dem Schriftsteller Navid Kermani gehalten worden ist. Dazu sagte Mazyek:
"Ich bin heute als Deutscher hoch erfreut, dass erstmals ein muslimischer Schriftsteller eine solche wichtige Festrede im Hohen Haus zum Geburtstag unseres Grundgesetzes gehalten hat. Das ist an diesem Tag ein besonderer Ausdruck der Weltoffenheit unseres Landes.“
Kermani habe mit einem „leidenschaftlichen Appell für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen in Deutschland“ überrascht. Er habe auch im Namen der Muslime seinen Dank für die „grandiose Integrationsleistung“ Deutschlands ausgedrückt, so der ZMD-Vorsitzende. Überdies habe er gemahnt, „die Werte des Grundgesetzes stets mit Wort und Tat zu verteidigen“, so Mazyek. „Gelegentlich auch gegen Versuche des Gesetzgebers selber – wie zum Beispiel beim Asylgesetz“, fügte Mazyek hinzu.
Der Festredner Kermani kritisierte die 1993 eingeführte Drittstaatenregelung, nach der Menschen, die über ein Land ohne politische Verfolgung einreisen, kein Asyl in Deutschland bekommen. „Möge das Grundgesetz spätestens bis zum 70. Jahrestag seiner Verkündung von diesem hässlichen, herzlosen Fleck gereinigt werden“, sagte Kermani. „Wir können das Grundgesetz nicht feiern, ohne an die Verstümmelungen zu erinnern, die ihm hier und dort zugefügt worden sind.“
|
|
Hintergrund/Debatte
Bochum ehrt Ahmed Aweimer zum 70. Geburtstag ...mehr
Aiman Mazyek kommentiert das Verbot der Imam Ali Moschee: "Blaue Moschee - Islamisches Zentrum in Hamburg ...mehr
Medienanalyse: Rassismus in Medien, Recht und Beratung ...mehr
Jahresbericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte: Jeder Mensch möchte in Würde leben - Für viele Menschen bleiben diese Wünsche unerfüllt – auch in Deutschland ...mehr
Kalifat, Scharia-Polizei und Propagandisten - Von Aiman Mazyek ...mehr
Der Koran – 1400 Jahre, aktuell und mitten im Leben
Marwa El-Sherbini: 1977 bis 2009
|