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Mittwoch, 12.09.2012 | Drucken |
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Schweigen im Behörden-Wald
Jetzt kommt raus: Geheimdienst versuchte den späteren Terroristen und Bombenbauer Uwe Mundlos als V-Mann anzuwerben - Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestages ist empört
Ein deutscher Geheimdienst hat also doch einmal versucht, den rechten Terroristen Uwe Mundlos als Informanten zu gewinnen. Der Anwerbeversuch selbst ist noch nicht so erschütternd. Schlimm ist, dass diese Information eher durch Zufall, als durch die ordnungsgemäße Herausgabe von Unterlagen an den Untersuchungsausschuss erfolgte und wie sich jetzt herausstellte, der Geheimdienst sehr wohl den späteren Terroristen Mundlos kannte.
Mundlos war zu der Zeit des Anwerbeversuches als V-Mann noch kein Terrorist, sondern ein junger Neonazi. Als er bei einer Befragung durch den MAD ein paar moderate Töne anschlug, witterte der Nachrichtendienst der Bundeswehr seine Chance. Er wollte einen Spitzel gewinnen, der die Behörden vor Angriffen auf Asylbewerber warnt. Mundlos ging nicht darauf ein.
Die Empörung der Abgeordneten, so schreibt die Süddeutsche Zeitung, über den alten MAD-Fund ist dennoch völlig berechtigt. Seit Monaten wird spekuliert, ob einer der Terroristen für einen Geheimdienst gearbeitet hat. Seit Monaten versuchen die Parlamentarier zu verstehen, warum der NSU unentdeckt morden konnte. Doch um die notwendigen Akten müssen sie bitten und betteln. Die Behörden haben noch immer nichts gelernt aus ihrem Versagen.
Mundlos, der sich später in der Neonazi-Kameradschaft 'Thüringer Heimatschutz' zum Bombenbauer und nach seinem Untertauchen 1998 zum Terroristen entwickelte, behauptete noch 1995 laut MAD-Akte: 'Er sei politisch unmotiviert und nicht an einer Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Partei/Organisation interessiert.' In der Ausländer- und Asylpolitik seien ihm diese 'zu radikal'. Eine folgenschwere und fehlerhafte Eischätzung, wie sich heute herausstellte.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin übt scharfe Kritik und fodert Auflösung der Geheimdienste
Unterdessen fordert Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin , die Inlandsgeheimdienste als Konsequenz aus den Ermittlungspannen bei den NSU-Morden aufzulösen. Bei diesen Institutionen habe eine Vertuschungsmentalität Einzug gehalten, die einen kompletten Neuanfang nötig mache.
Es habe mehrere Versuche verschiedener Geheimdienstbehörden gegeben, die Aufklärung durch den Untersuchungsausschuss des Bundestages zu hintergehen. Das belege, dass die Dienste in dieser Form nicht zu reformieren seien. "Mit diesen Institutionen und mit diesem Personal, das notorisch daran geht, das eigene Handeln gegenüber ihren Kontrollinstanzen zu vertuschen, mit diesen ist ein demokratisch gesteuerter Inlandsgeheimdienst, den wir brauchen, nicht möglich", sagte Trittin. Bei den Geheimdiensten habe eine Vertuschungsmentalität Einzug gehalten, "die geradezu genetisch in den Code dieser Behörden eingeschrieben ist"
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