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Donnerstag, 01.03.2012 | Drucken |
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BMI stellt umstrittene Studie vor
ZMD stellt sich der Debatte - Muslime als selberverständlichen Teil in Deutschland anerkennen ist aktive Integration und die beste Prävention gegen Extremismus – Heftige Kritik von FDP und Opposition
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) fordert, aus der neuen Integrationsstudie des Bundesinnenministeriums die "richtigen Schlüsse" zu ziehen. "Wenn man sie richtig liest, beweist die Studie nur das, was wir immer gesagt haben", sagte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek am Donnerstag in Köln der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA)."Diskriminierung und Ausgrenzungserfahrungen gepaart mit einem falschen Religionsverständnis erzeugen Widerstand gegen die Integration."
Unmöglicher Zeitpunkt
Der ZMD widerspricht der der Untersuchung nicht grundsätzlich, sieht aber angesichts großer Integrationsleistung bei Muslimen die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt und kritisiert die Art und Weise und der Zeitpunkt der Veröffentlichung. Nämlich fünf Tage nach dem Staatsakt zum Gedenken an die Opfer der schlimmsten "Homegrown-Terror-Attentate" in der Geschichte Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg.
Zudem beinhaltet die Zuschreibung Muslim erhebliche Mängel, was wohl auch Innenminister Friedrich zu einer Relativierung heute in Potsdam veranlasste: „Das Gesamtbild sagt, die Muslime in Deutschland lehnen Terrorismus kategorisch ab. Zudem gebe es die Muslime als Kategorie eigentlich nicht. Das ist eine ganz vielschichtige Gruppierung." Außerdem warnte er nur „Teilergebnisse in den Vordergrund zu stellen“.
Die in Bild-Zeitung vorab veröffentlichten stark verkürzte Zusammenfassung (insgesamt umfasst die Studie über 700 Seiten, siehe auch unterer Link) zur Einstellung von Muslimen im Alter zwischen 14 und 32 Jahren ergab, dass eine Untergruppe existiert, die sich als mutmaßlich streng religiös bezeichnet "mit starken Abneigungen gegenüber dem Westen, tendenzieller Gewaltakzeptanz und ohne Integrationstendenz". Bei nichtdeutschen Muslimen in dieser Altersklasse träfe dies auf 24 Prozent der Befragten zu, bei deutschen Muslimen immerhin noch auf 15 Prozent. Als mögliche Ursachen für diese Radikalisierungstendenzen bei jungen Muslimen in Deutschland nennt die Studie selber die Wahrnehmung beziehungsweise das Erleben von "gruppenbezogener Diskriminierung" in Deutschland, "traditionellen Religiosität" in einigen Zuwandererfamilien und "autoritärer Einstellungen".
Aiman Mazyek forderte als Konsequenz aus der Untersuchung, nicht nachzulassen bei den Schritten den Islam anzuerkennen. "Die Studie kommt selbst zu dem Schluss, dass etwa Kopftuch- oder Minarettverbote nur den Extremisten nutzen." Es sei falsch, den Islam verallgemeinernd als repressiv und gewalttätig darzustellen. "Dann wenden sich die jungen Leute aus Frust erst recht dem Fanatismus zu." Mazyek rief die Politik dazu auf, den jahrelangen Einsatz der islamischen Verbände im Kampf gegen religiösen Extremismus stärker anzuerkennen und die Verbände mehr als Partner zu sehen. "Wir müssen weg von dieser Spaltung in 'Wir' und 'Ihr'." Der Islam sei richtig verstanden, wie das Mehrheit der Muslime zeigt, kein Hindernis für Integration.
Zugleich kritisierte der ZMD die Wortwahl des Innenministers bei der Vorstellung der Studie, der gesagt hat:"Wir akzeptieren nicht den Import autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten. Wer Freiheit und Demokratie bekämpft, wird hier keine Zukunft haben. Dazu sagte Mazyek in einem heutigen Interview von tagesschau.de (siehe auch unterer Link): „Wir sehen das grundsätzlich genauso wie der Innenminister, nur der Duktus macht uns Sorge, weil er vermissen lässt, dass die große Mehrheit der Muslime das genauso sieht. Auch wir bekämpfen jede fanatisierte Auslegung des Islam. Wir lehnen extremistische Tendenzen ab und treten ihnen ganz entschieden entgegen. Allerdings können solche Äußerungen wie die des Innenministers bewirken, dass der Islam grundsätzlich als Problem gesehen wird. Wir müssen aufräumen mit dem Vorurteil, dass der Islam zu Fanatismus und Gewalt neigt. Genau das ist nicht der Fall“.
Der ZMD sieht in der Studie in vielen Teilen aufgezeigt, wie man aus diesem Dilemma raus kommt: Nämlich durch einen praktischen Integrationsansatz, wonach die Politik mit den Muslimen gemeinsam einen Empowerment -Ansatz fährt und sie in ihrer Arbeit weiter bestärkt, sich gegen Extremismus zu immunisieren“ so Mazyek gegenüber der Nachrichtenagentur dapd in Berlin.
"Die Studie kommt selbst zu dem Schluss, dass etwa Kopftuch- oder Minarettverbote nur den Extremisten nutzen." Aiman Mazyek
Heftige Kritik des FDP-Koalitionspartners und der Opposition
Justizministerin distanzierte sich deutlich von dem Papier des Innenministeriums. "Ich warne davor, aus einer wissenschaftlichen Studie nur Schlagzeilen zu produzieren", warnte die FDP-Politikerin am Donnerstag in Berlin.
"Bürger, die islamgläubig sind, leben heute ganz selbstverständlich in Deutschland und sind hier zu Hause", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. "Wir sollten die Vorurteile der Vergangenheit und althergebrachte Reflexe endlich hinter uns lassen. Wir brauchen keine Debatte, die ein Zerrbild des Einwanderungslandes Deutschland vermittelt." Wenn man die Integrationsprobleme lösen wolle, dürfe man nicht von vornherein einer Gruppe Integrationschancen absprechen.
Kritisch äußerte sich auch Serkan Tören, integrationspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion: Er müsse sich wundern, dass das Innenministerium "erneut Steuergelder darauf verwendet, eine Studie zu finanzieren, die Schlagzeilen produziert, aber keinerlei Erkenntnisse", sagte Tören der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Viele junge Muslime nutzten das religiöse Bekenntnis lediglich zur Provokation und kulturellen Abgrenzung, es habe nichts mit tatsächlich gelebter Religion zu tun. Auch wenn junge Muslime gewalttätig würden, habe dies mit sozialen und nicht mit religiösen Fragen zu tun.
Die SPD warf dem Innenministerium Populismus vor: "Wer sich seriös mit der Abschottung und Gewaltbereitschaft von Jugendlichen befassen will, sollte dies nicht mit der offensichtlichen Intention tun, ganze Religionsgemeinschaften dem Populismus preiszugeben", erklärte die SPD-Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz.
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