Artikel Freitag, 09.01.2009 |  Drucken

Ein unnötiger Krieg

Von Jimmy Carter

Ich weiß aus persönlicher Beteiligung, dass die verheerende Invasion des Gaza-Streifens durch Israel leicht hätte vermieden werden können.

Nachdem wir Sderot im letzten April besucht und den ernsthaften psychologischen Schaden gesehen hatten, der durch die dort einschlagenden Raketen verursacht wurde, haben meine Frau Rosalynn und ich den Beschuss aus dem Gazastreifen als unentschuldbar und terroristisch bezeichnet. Obwohl Opfer nur selten waren (drei Tote in sieben Jahren), war die Stadt durch die unvorhersehbaren Einschläge traumatisiert. Rund 3000 Einwohner sind zu anderen Kommunen umgezogen und die Straßen, Spielplätze und Einkaufszentren waren fast leer. Bürgermeister Eli Moyal versammelte eine Gruppe von Einwohnern in seinem Büro, um uns zu treffen und hat sich darüber beschwert, dass Israel die Raketen nicht gestoppt hat, weder durch Diplomatie, noch durch militärische Aktionen.

In der Kenntnis, dass wir bald Hamas-Anführer aus Gaza und Damascus sehen würden, versprachen wir Perspektiven auf einen Waffenstillstand zu erörtern. Vom ägyptischen Geheimdienstchef Omar Suleiman, der zwischen Israelis und der Hamas vermittelt hatte, lernten wir, dass eine grundsätzliche Differenz zwischen den beiden Seiten bestand. Die Hamas wollte einen allumfassenden Waffenstillstand in der Westbank, wie auch in Gaza, während die Israelis eine Diskussion über Gaza hinaus verweigerten.

Wir wussten, dass 1.5 Millionen Bewohner von Gaza ausgehungert wurden, da der UN-Berichterstatter für das Recht auf Nahrung befunden hatte, dass die akute Mangelernährung in Gaza auf gleichem Stand wie die in den ärmsten Nationen in der südlichen Sahara war; Mehr als die Hälfte aller palästinensischen Familien aßen nur eine Mahlzeit am Tag.

Palästinensische Führer aus Gaza waren nicht auf allen Streitfragen festgelegt und behaupteten, dass Raketen die einzige Möglichkeit für sie sei, ihre Einsperrung zu beantworten und ihre humanitäre Zwangslage zu dramatisieren (öffentlich bekannt zu machen, Anm. des Übersetzers). Allerdings stimmten die höchsten Hamas-Führer aus Damaskus der Berücksichtigung eines Waffenstillstands ausschließlich in Gaza zu, sofern Israel den Gaza-Streifen nicht attackierte und normale humanitäre Lieferungen an palästinensische Bürger zuliesse.

Nach ausgedehnten Diskussionen mit denen aus Gaza, willigten auch diese Hamas-Führer ein, jedweder Friedensabmachung zuzustimmen, die zwischen den Israelis und dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas - der auch die PLO anführt - ausgehandelt wird, sofern diese von der Mehrheit der Palästinenser in einem Referendum oder durch eine gewählte Einheitsregierung bestätigt wird.

Da wir nur Beobachter und nicht Unterhändler waren, gaben wir diese Information an die Ägypter weiter und sie verfolgten das Waffenstillstandsvorhaben weiter. Ein Monat später informierten uns die Ägypter und Hamas, dass alle militärischen Aktionen von beiden Seiten und alle Raketenabschüsse am 19. Juni (2007, Anm. des Übersetzers) für eine Periode von sechs Monaten eingestellt werden und dass humanitäre Lieferungen zum normalen Stand wiederhergestellt werden, der vor dem israelischen Rückzug in 2005 existierte (ungefähr 700 Lastwagen täglich).

Aufgrund der Widerwilligkeit Israels, jedwede Verhandlungen mit Hamas zuzugeben, waren wir nicht in der Lage, dies in Jerusalem bestätigt zu bekommen, aber der Raketenbeschuss wurde bald eingestellt und es gab einen Anstieg in Lieferungen von Nahrung, Wasser, Medikamenten und Kraftstoff. Dennoch war der Anstieg zu einem Durchschnitt von etwa 20% des normalen Stands. Außerdem wurde diese brüchige Waffenruhe teilweise am 4. November gebrochen, als Israel einen Angriff startete, um einen defensiven Tunnel zu zerstören, der von Hamas innerhalb der Grenzen Gazas gegraben wurde.

Bei einem anderen Besuch in Syrien Mitte Dezember war ich bemüht, die herannahende sechs Monate Frist zu verlängern. Es war klar, dass das herausragende Problem die Öffnung der Übergänge nach Gaza war. Vertreter vom Carter Zentrum haben Jerusalem besucht und trafen sich mit israelischen Offiziellen und fragten, ob dies im Austausch für die Beendigung des Raketenfeuers möglich wäre. Die israelische Regierung schlug informell vor, dass 15% der normalen Lieferungen möglich wären, wenn Hamas zuerst jegliches Raketenfeuer für 48 Stunden einstellte. Dies war inakzeptabel für die Hamas und es brachen Kämpfe (eigentlich: Feindseligkeiten, Anm. d. Übersetzers) aus.

Nach 12 Tagen der “Kämpfe” berichtete die israelische Armee, dass mehr als 1000 Ziele beschossen oder bombardiert wurden. Während dieser Zeit hat Israel internationale Bemühungen zum Erreichen eines Waffenstillstands zurückgewiesen - mit vollkommener Unterstützung aus Washington. Siebzehn Moscheen, die amerikanische internationale Schule, viele private Häuser und viel von der elementaren Infrastruktur des kleinen aber stark bevölkerten Gebiets wurden zerstört. Das bezieht die Wasserversorgungssysteme, Elektrizität und Sanitär ein. Schwere zivile Verluste werden von mutigen medizinischen Freiwilligen aus vielen Nationen berichtet, während die glücklichen von ihnen die Verwundeten mit bei Licht von Dieselgeneratoren operieren.

Die Hoffnung ist die, dass wenn weitere Anfeindungen nicht länger produktiv sind, Israel, die Hamas und die Vereinigten Staaten einen neuen Waffenstillstand akzeptieren werden. Dann werden die Raketen wieder aufhören und ein angemessener Stand an humanitären Lieferungen wird zu den überlebenden Palästinensern durchgelassen, mit einer Überwachung der publik gemachten Übereinkunft durch die internationale Gemeinschaft. Der nächste mögliche Schritt: ein permanenter und umfassender Frieden.

Der Autor war Präsident von 1977 bis 1981. Er gründete 1982 das Carter Zentrum, ein Verein zur Förderung von Frieden und Gesundheit weltweit. (Quelle: toomuchcookies.net, Erstveröffentlichung auf Englisch in der Washington Post vom 08.01.2009).



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