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Montag, 21.08.2006
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Kampf gegen Extremismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – Von Aiman A. Mazyek

Muslime wollen keine Sündenböcke sein – Kaum vertrauensvolle Signale

Mit Abscheu und Ekel stehen die Muslime weltweit den geplanten Attentaten gegenüber; ob das nun die geplanten Anschläge in London oder die nicht gezündeten Zugbomben zwischen Aachen und Koblenz sind.

Ein Mordversuch bleibt ein Mordversuch, egal welche Religion die Täter haben. Ich fürchte allerdings, dass die Muslime wieder doppelt dafür bestraft werden: Zum einen sind sie selber Opfer terroristischer Anschläge - das haben z.B. die Anschläge in London, Madrid oder anderswo in der Welt gezeigt - zum anderen werden alle Muslime als Terroristen stigmatisiert, weil in der Öffentlichkeit oft genug nicht unterschieden wird zwischen friedliebenden Muslimen und den Attentätern.

Für mich sind solche Taten auch ein Zeichen dafür, dass sich die Extremisten schon längst aus der muslimischen Gemeinschaft verabschiedet haben. Solche Taten haben mit dem Islam nichts gemein. Dass wir als normale Menschen hier in Europa leben, arbeiten, zur Schule gehen, studieren, das ist das eigentliche Gesicht des Islam, das nur zu oft verzerrt wird von einigen Wenigen, die sich überdimensioniert Gehör verschaffen über die Medien. Ein trauriges Beispiel ist wieder die gegenwärtige Debatte. Sie offenbart nicht selten eine gegenüber den Muslimen hetzerische und stark vorurteilsbeladene Tendenz, gepaart mit zum Teil verblüffenden Vereinfachungen und einer gegenüber der reinen Faktenlage unkritischen Berichterstattung. Die Folge ist mal wieder die Erhärtung des Generalverdachts.

Die vereitelten Terroranschläge von London und Koblenz haben in Deutschland die ohnehin hektische Sicherheitsdebatte weiter angefacht. Doch Sicherheitsaktionismus wäre die falsche Reaktion und trifft nur den übergroßen Teil der friedlichen Muslime und verändert womöglich unsere freiheitliche Gesellschaft nachhaltig – aber nicht unbedingt nicht zum Besseren.

Die gegenwärtige Situation bekommt nochmals weiter an Schub, wenn man die außenpolitischen Verwerfungen im Nahmen Osten ansieht.
Über diese Vorgänge gab z.B. es in den muslimischen Gemeinschaften in den letzten Wochen Wut und Trauer. Der Protest wird jedoch meist in friedliche und demokratische Kanäle gelenkt. Das ist sicherlich auch ein Verdienst der vielen Moscheen und muslimischen Verbände. In meiner Heimatgemeinde zum Beispiel hat eine Familie jetzt durch den Krieg in Palästina drei Angehörige verloren. In Mönchengladbach ist fast eine ganze deutsch-libanesische Familie, die Urlaub in Libanon gemacht hat, ausgelöscht worden. Die muslimische Gemeinde versucht, damit fertig zu werden, aber im Ergebnis sind die Proteste friedlich und sie richten sich an die verantwortlichen Politiker, dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten; dass die muslimischen Gemeinden hier unter einem enormen Druck stehen, findet hierbei kaum Beachtung.

Und doch wünsche ich mir von den Moscheevorstehern oder den Imamen noch mehr Unterstützung in Richtung Aufklärung und Friedensengagement für diese, unsere eine Welt, die uns allen gehört und für die wir alle gemeinsam Verantwortung tragen.

Aber man kann nicht nur die Muslime alleine auferlegen, dagegen etwas zu unternehmen. Der Kampf gegen den Extremismus jeder Art ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Anstatt weitere Sanktionen und Strafen anzudrohen und Muslime subtil oder auch (vermehrt) direkt als Sündenböcke darzustellen, muss die Politik auch ein Signal aussenden: Ihr seid hier ein Teil der einen Welt, wir können diese unserer Welt nur gemeinsam befrieden. Leider höre ich von Politik und insbesondere auch von Kirchen und anderen öffentlichen Stellen kaum solche Worte und Signale – Sie würden uns alle gut tun.

(wird als Reihe fortgesetzt)




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