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Mittwoch, 11.04.2018

Selbsternannte Verfassungsschützer torpedieren "Vorbildliche Integrationsarbeit" der Islamischen Gemeinde Gießen

Der Islamischen Gemeinde Gießen (IGG) wird derzeit ein Einfluss der vom Verfassungsschutz beobachteten Muslimbruderschaft unterstellt. Deshalb haben die Mitglieder um den IGG-Vorsitzenden Dr. Diaa Rashid juristische Schritte eingeleitet. "Es geht nicht nur um den Islam, es geht um unsere Demokratie", betont Aiman Mazyek. Der Vorsitzende des "Zentralrats der Muslime in Deutschland" warnt, dass in der Debatte um die IGG Grundrechte preisgegeben würden.

Untermauert wurde der Verdacht, dass die IGG von der Muslimbruderschaft beeinflusst sei, in der öffentlichen Debatte zuletzt mit dem Vorwurf, dass es Kontakte zu vier Organisationen gebe. Konkret genannt wurden die "Islamische Gemeinschaft Deutschland (IGD)", der "Rat der Imame und Gelehrten", das "Institut für Humanwissenschaften" und der "Fatwa-Ausschuss". Alle diese Organisationen werden vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet. Hätte die IGG um die Problematik wissen müssen? "Die Gemeinden und Moscheen machen in erster Linie Seelsorge und religiöse Betreuung", erklärt Mazyek, der der "Deutschen Islamkonferenz" als Mitglied angehört. Die meisten Gemeinden seien völlig damit überfordert, die ganze Bandbreite der Politisierung und Kriminalisierung zu übersehen, die sich hinter solchen Misstrauensdiskursen verbergen kann. Speziell die IGG habe in den vergangenen Jahren vorbildliche Integrationsarbeit geleistet und sich klar von der Muslimbruderschaft distanziert, was bekannterweise auch die Linie des Zentralrates sei. "Wir dulden, geschweige denn lassen uns beeinflussen von keiner Ideologie, sei sie religiös oder nationalistisch, sei sie links oder rechts begründet", so Mazyek.

Kontaktanalyse

Bei den Vorwürfen, mit denen sich die IGG jetzt konfrontiert sieht, laufe ein Schema ab, das der Zentralratsvorsitzende nicht zum ersten Mal erlebt. "Ein Pseudoexperte findet irgendwo ein Bild, das vielleicht bei einer Konferenz entstanden ist", erläutert Mazyek. Daraus entwickele sich eine Argumentationskette, bei der aus dem Foto ein Kontakt abgeleitet und die betroffene Person über mehrere Schritte kriminalisiert werde. "Das geschieht völlig unabhängig davon, ob sich der Pseudoexperte mit der Person auseinandergesetzt hat. Mit dieser Art des Vorgehens verlassen wir so viele wertvolle Prinzipien", unterstreicht der gebürtige Aachener. Er zählt dazu generell demokratische Werte sowie Grund- und Persönlichkeitsrechte. Da es gegen Muslime und den Islam in der Gesellschaft leider genug Vorbehalte gebe, entstehe durch diese Form der Argumentation schnell ein Misstrauen. Das wirke sich auf Grundrechte wie die Pressefreiheit aus: Ein Mensch, der im Rahmen einer solchen Kontaktanalyse kriminalisiert wurde, könne sich nicht mehr etwa mit einem Journalisten treffen. "Wir müssen die Grundrechte verteidigen", folgert Mazyek. Ihm seien Blogger bekannt, die im Internet immer wieder mit demselben Mechanismus arbeiteten und so jahrzehntelange Integrationsarbeit von Gemeinden zerstörten.

Was neben Fotografien die Basis für unterstellte Verbindungen zur IGD sein kann, macht Mazyek an einem Beispiel deutlich. Er weiß von einer "sehr erfolgreichen" Gemeinde in Deutschland, "deren einzige Verbindung zur IGD darin bestand, dass sie vor Jahrzehnten einen Pachtvertrag mit der Gemeinschaft abgeschlossen haben." Diesen Pachtvertrag habe man der Gemeinde schließlich zum Vorwurf gemacht und daraus konstruiert, dass sie der Muslimbruderschaft angehöre. "Alle Arbeit, die die Gemeinde vorher geleistet hatte, und auch die Auszeichnungen, die sie bekommen hatte, werden durch solche konstruierten Kontaktkriminalisierungen versucht, kaputtzumachen", berichtet der Vorsitzende des Zentralsrats, dessen Aufsichtsrat Rashid angehört. Mazyek beobachtet, dass die Diffamierung und Diskriminierung über Blogs und Internetportale in den letzten Jahren zugenommen habe. "Diese privaten Verfassungsschützer, die in Wirklichkeit als selbstgerechte Denunziationsplattformen daherkommen, schaden unserer Demokratie und spielen zudem den Rechten extrem in die Hände", analysiert der Zentralratsvorsitzende.

Rashid geht davon aus, dass es sich in seinem Fall um zwei Bilder handelt, die für die derzeitige Debatte genutzt werden. Sie seien 2011 bei einer Veranstaltung der IGD entstanden und zeigen den Gießener Vorsitzenden bei seiner Abschlussreise durch Deutschland. Wenig später sind der Arzt und seine Familie in Richtung Tunesien aufgebrochen, um dort nach der Revolution beim demokratischen Aufbau zu helfen und ein Jahr später zurückzukehren. "Ich war bei der Veranstaltung der IGD, weil dort so viele von den Gelehrten waren, von denen ich mich verabschieden wollte", erinnert sich der Pohlheimer. "Wir wollen einen Islam im deutschen Kontext, aber dafür brauchen wir Berater", unterstreicht Rashid, der wie alle anderen Mitglieder der Gemeinde ehrenamtlich arbeitet und auch die Freitagsgebete leitet. Anerkannte Gelehrte und staatliche Institutionen seien deshalb notwendig.

Die Veröffentlichung des vorstehenden Artikels auf unserer Website erfolgt mit freundlicher Genehmigung vom "Gießener Anzeiger", Autor Stephan Scholz



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