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Sonntag, 14.10.2001

Leserbriefe



Wilko Fokken schrieb:



Die westlichen Medien werden von Islamexperten einseitiger Berichterstattung geziehen, die Gleichung: "Muslim gleich Fundamentalist gleich Terrorist" sei absurd. Von Moslems hier im Westen wird versichert, der Islam sei eine friedliche Religion und durchaus nicht mit Terror und Krieg in Verbindung zu bringen.

Da bleibt die Frage offen, warum der weltweite Terror gegen andersartige Kulturen fast ausschließlich von Islamisten betrieben wird, warum die "Ungläubigen" von
Moslems nicht mehr geachtet sind als Tiere (Peter Scholl-Latour), ähnlich wie für einen nationalsozialistischen Herrenmenschen die östlichen Völker nur Untermenschen
waren.

Die Religion des Islam beruht auf dem Koran, dem "ungeschaffenen Wort Gottes". Auch für die Christen gab es Zeiten, in denen man glaubte, die Bibel sei Punkt für Punkt von Gott diktiert (Verbalinspiration); die Reformation öffnete nach manchen Verwirrungen den Geist für eine kritischere Bibelforschung. Analog zum Islam war man auch unter der marxistischen Herrschaft seines Lebens nicht sicher, wenn man sich von der "wissenschaftlich bewiesenen, unbezweifelbaren" sozialistischen Wahrheit verabschiedete. Wieweit das jüdische Gesetz als unmittelbar göttlich gilt, weiß ich nicht, vermute jedoch aufgrund des Verhaltens der Juden in Palästina, daß auch da eine Art Verbalinspiration nicht fern ist. Ich hörte, daß man als Nichtjude geschlagen wird, wenn man in Jerusalem einem orthodoxen Juden nicht Platz macht. Im Unterschied zum Islam wirkt der jüdische Glaube allerdings weniger missionarisch gegenüber Nichtjuden.

Wer seinen Gott - Jahve, Christus, Allah, Marx (you name it) - in der Tasche hat, kann auf die Dauer andersartige Auffassungen nicht ertragen: Sie lösen Zweifel am Bollwerk der eigenen Wahrheit aus. Toleranz ist die Frucht demütiger Erkenntnis, daß wir auf Erden Wahrheit nicht in Besitz nehmen können, vielmehr lebenslang, durch immer neue Zweifel hindurch, um sie zu ringen haben, ohne Aussicht auf eine "Endlösung".

Der heutige europäisch-christlich geprägte Mensch ist im allgemeinen weit im Geist, eng im Stofflichen: Toleranz gegenüber andersartigen Überzeugungen fällt ihm fast zu leicht, dafür lebt er in Furcht vor Armut, Krankheit und Tod (die Versicherungen verdienen glänzend daran); der orientalisch-islamistisch geprägte Mensch ist eng im Geist, weit im Stofflichen: Toleranz gegenüber andersartigen Überzeugungen fällt ihm fast zu schwer, dagegen kennt er wenig Furcht vor Armut, Krankheit und Tod. Natürlich gilt auch diese Regel nicht ohne kräftige Ausnahmen.

Wo fundamentalistische Überzeugungen herrschen, kann die zarte Pflanze der Toleranz nicht gedeihen, allenfalls eine taktisch begründete "friedliche Koexistenz"; das macht auch den Konflikt in Palästina so unlösbar. Der Besitz unbezweifelbarer Wahrheit entspricht übrigens der Beschreibung des Sündenfalls in der Bibel: "Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist".

Psychologisch beruht der Hang zum Fundamentalismus auf einer Regression: Wie ein Kind zur Mutter zurückgeht, um sich wieder sicher zu fühlen, flieht der Erwachsene vor den Verzweiflungen seiner geistigen Entwicklung, um nach festgefügten Lebensrezepten zu leben.

In unseren freiheitlichen Demokratien müssen wir uns nicht nur entschlossen gegen die Gewalt terroristischer Fundamentalisten wehren, sondern gleichzeitig ein Beispiel geben, daß auch der religiöse Sinn des Lebens, daß menschliche Reife und Kultur nicht auf engstirniger Befolgung von Vorschriften beruhen, sondern aus der freien Auseinandersetzung mit Zweifeln und Unsicherheiten des Lebens erwachsen. Dazu gehört auch die Verantwortung, weniger auf Kosten anderer Menschen und Völker zu
leben und die Seele nicht dem Vorteil zu opfern.

Gesetze und Strafen müssen sein, aber wenn diese nicht in guten Sitten wurzeln, wird es Zustände wie im heutigen Rußland geben. Eine menschliche, eine liebevolle Gesellschaft trägt mehr zum Abbau von Feindbildern bei als eine Gesellschaft, die von herzloser Habgier geprägt ist. Gute Sitten lassen sich ebensowenig am Reißbrett konstruieren wie schöne Städte: Sie benötigen eine lange Zeit zu wachsen.

"Traditionen sind etwas, was man nicht ohne Schaden aufgibt", sagt ein englisches Sprichwort, und: "Education is a man


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