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Freitag, 08.11.2019 | Drucken |
Landesvorsitzender des ZMD, Daniel Abdin hielt eine Rede über die Opfer des Pogroms und des Holocausts
Sehr geehrter Herr Dr. Wunder, sehr geehrte Frau Seiler, sehr geehrter Herr Balin, sehr geehrter Herr Prof. Haas, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
In meinem Namen sowie Im Namen des ZMD Landesverband Hamburg, grüße ich Sie ganz herzlich und freue mich sehr, hier ein Grußwort sprechen zu dürfen.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstörten SA- und SS-Truppen mehr als 8000 jüdische Geschäfte. Überall brannten Synagogen.
Wir haben dieses Verbrechen an die Menschheit zwar nicht miterlebt, doch alleine, wenn man nur darüber liest, gleicht es einen Horrorfilm, es verursacht ein Gefühl des Ekels, des Abscheus und der Fassungslosigkeit.
Millionen von Juden wurden auf enorm brutaler Weise zum Opfer des Nazi Regimes im drittenreich. Dafür müssen wir uns alle schämen.
Deshalb ist es sehr wichtig immer wieder den Opfern zu gedenken und unsere Gesellschaft zu mahnen.
Mit großer Sorge beobachten wir, dass der wachsende Antisemitismus für unsere Jüdischen Geschwister leider immer wieder erfahrbar ist. Die jüngsten Zunahmen der antisemitischen und antimuslimischen Vorfälle bzw. Angriffe in Deutschland sind beängstigend.
Angriffe, Beleidigungen, Anfeindungen, Einschüchterung, Gewalt und Sachbeschädigung von jüdischen Einrichtungen: Für Jüdinnen und Juden in Deutschland gehört Antisemitismus zum Alltag.
Ein gezielter Anschlag wie in Halle durch einen rechtsextremen Täter, bei dem mehrere Menschen getötet wurden und noch viel mehr gezielt ermordet werden sollten, ist eine gesteigerte Form der Gewalt gegen Juden in Deutschland.
Ich habe mich früher immer wieder gefragt, warum die Juden in unsere Gesellschaft in der Öffentlichkeit nicht erkennbar sind? Mittlerweile weiß ich, dass die Angst der Jüdinnen und Juden in Deutschland als solche erkannt zu werden berechtigt ist.
Judenhass, Fremdenhass und Islamfeindlicher Rassismus verursacht durch radikale Menschen die respektlos, intolerant und menschenfeindlich sind, ist leider in der jüngsten Zeit eine gelebte Realität.
Antisemitismus und Islamfeindlicher Rassismus in Deutschland sind zwei Seiten einer Medaille. Juden und Muslime teilen in unsere Gegenwart die gleiche Diskriminierungserfahrung.
Des gegenwärtigen Alltags des Antisemitismus war im Drittenreich die Grundlage für den Holocaust. Und wenn wir das nicht so sehen und entschieden bekämpfen, dann wird es für uns alle irgendwann zu spät sein.
Zu lange sind Neonazis verharmlost worden, auch wenn vor rechter Gewalt gewarnt wurde, wurde diese nicht ernst genommen.
Gab es Gewalt gegen Migranten, wurde ein rechter Hintergrund oft sofort ausgeschlossen. Nur in diesem Klima der Ignoranz und des systematischen Wegsehens konnte zum Beispiel die Terrorzelle des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ über Jahre unbehelligt morden.
Überhaupt haben sich Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit zum gemeinsamen ideologischen Leitthema des Rechtsradikalismus und Rechtspopulismus überall in Europa entwickelt. Hiermit hofft man nämlich, Zuspruch bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein zu erhalten – und nicht selten gelingt dies.
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen eine beunruhigende Zunahme rechtspopulistischer Einstellungen gerade im Milieu der Gebildeten, der Besserverdienenden, allgemein der gesellschaftlichen Mitte.
In diesen gesellschaftlichen Milieus wird eine zunehmend aggressive Ablehnung und Abwertung gegenüber solchen Menschen festgestellt, die als „kulturell fremd“ und/oder „volkswirtschaftlich nutzlos“ etikettiert werden.
Neben Arbeitslosen, HartzIV-Empfängern und Behinderten wendet sich diese Ideologie der Ausgrenzung und Abwertung immer mehr gegen Juden und Muslime als Inbegriff des „Fremden“.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns eine sehr wichtige Frage stellen: Nehmen wir die Bedrohung unseres gemeinsamen europäischen Demokratie Selbstverständnisses durch den herrschenden Antisemitismus und den islamfeindlichen Rassismus überhaupt ernst genug?
Antisemitische und Islamfeindliche Agitation nehmen zunehmend alarmierende Dimensionen an; der jüngste Angriff auf eine Synagoge in Halle, sowie diverse Angriffe auf Moscheen auf Bundesebene sind der Beweis dafür, dass die Stimmung in der Gesellschaft vergiftet ist.
Unsere Gesamtgesellschaft und ihre öffentlichen Repräsentanten müssen sich dazu mehr durchringen, diese Form von Extremismus als solchen wahrzunehmen und zu brandmarken.
Selbstverständlich haben die Medien und die Politik eine sehr große Verantwortung um den gesellschaftlichen Frieden zu wahren. Gerade in unserer Gegenwart wo die Welt einen Rechtsruck erfährt.
Wir müssen für mehr Aufklärung insbesondere unter den Jugendlichen sorgen, mehr über unsere Deutsche Geschichte lehren und verdeutlichen, dass was im drittenreich an Gräueltaten gegen die Juden und andere Minderheiten geschah sich nie wiederholen darf.
Unsere aller Aufgabe ist es, sichtbar zu machen, dass Juden in diesem Land nicht allein dastehen. Die Juden müssen sich auf die aktive Solidarität ihrer nicht jüdischen Mitmenschen verlassen können. Oft soll es vermeintlich die Religion oder andere Kulturen sein, die uns trennen und Gesellschaftsprobleme bereiten. Aber fehlende Bildung und vorschnelle Interpretationen anderer Lebensweisen fallen hierbei viel drastischer ins Gewicht. Denn Bildung ist die beste Präventionsgrundlage gegen Intoleranz, Radikalisierung und Diskriminierungen jeglicher Art.
Ich denke, dass die Verantwortung für unseren gesellschaftlichen Frieden bei uns allen, (bei der Politik, Medien, Zivilgesellschaft und insbesondere bei den Religionsgemeinschaften) liegt.
Zum Dialog und zum Austausch unter den Religionen gibt es keine Alternative. Die Freundschaft zwischen den Gläubigen sowie zwischen allen Fassetten der Gesellschaft muss den bestehenden Schwierigkeiten und Unterschieden widerstehen - So kann sie zu einem Anziehungspunkt für alle Menschen werden, die auf der Suche nach einer gerechteren und menschlicheren Welt sind. Alltagsrassismus ist leider nichts Neues in Deutschland, was wir erleben ist, dass es offener geschieht und legitimer erscheint, sich rassistisch und antisemitisch zu äußern.
„Ich selbst bin ein großer Freund von Brückenbau, von Sensibilisierung in unterschiedlichen Richtungen. Denn, das Thema ist sehr wichtig und gehört zu unser aller Alltag und wir müssen gemeinsam was dagegen tun, für ein gesundes Miteinander.“
Vielen Dank
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