Newsnational Montag, 27.10.2014 |  Drucken


Bielefelder Moscheeanschläge aufgeklärt oder wieder nichts gelernt aus dem NSU-Terror?

"Ein Krimineller kann doch nicht auch noch ein Rassist sein?" Zentralrat kritisiert die Bielefelder Polizei, die ein rassistisches Tatmotiv des gefassten, vorbestraften und stadtbekannten Kriminellen aufgrund seiner eigenen Aussage weiter ausschließt – Viele Fragen offen

Die Polizei Bielefeld gab bekannt, dass der Verantwortliche für zwei im August verübte Anschläge auf Moscheen identifiziert worden sei. Zur Erinnerung: alleine in Bielefeld und Umgebung ereigneten sich in den letzten Wochen bis jetzt insgesamt 5 Anschläge auf Moscheen  - 11.08. und 19.08.09.2014 in Bielefeld, 26.09.2014 in Minden, 02.10.2014 in Delmenhorst und 11.10.2014 in Bad Salzuflen. d.H. 3 von 5 Anschlägen bleiben bis jetzt ungeklärt

Und nun der Satz der Bielefelder Polizei: „Der Täter stehe nicht im Verdacht, politisch-motiviert gehandelt zu haben“. Als angeblicher Grund wird angegeben, dass es sich um einen polizeibekannten Kriminellen und Drogensüchtigen handelt. Als Beweis ihrer These wird eine mögliche Schutzbehauptung des Vorbestraften zu Rate gezogen: Nach eigenen Angaben soll der Täter in den Moscheen nach Geld gesucht haben. Als er nicht fündig geworden sei, habe er aus „Frust“ eine beträchtliche Anzahl von Koran-Exemplaren in der Mitte des Gebetsraumes aufgestapelt und einmal mittels einer Kerze und beim anderen Mal mittels einer Imam-Kutte diese in Brand gesteckt.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) kritisiert den vorschnellen Ausschluss eines rassistischer Tatmotivs durch die Polizei. Der „Neuen Westfälischen“ sagte ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek heute: „Die Darstellung der Polizei, wonach hier ein Einzeltäter ohne politische oder religiöse Motive die Brände in den beiden Moscheen gelegt habe, müsse zumindest hinterfragt werden. Es sei "fahrlässig", dieser Version vorschnell Glauben zu schenken. Eine Moschee ist klassischerweise kein Ort, an dem man Diebesgut vermutet". Es spreche doch sehr viel dafür, dass hier jemand aus einem  "antimuslimischen Ressentiment"  heraus gehandelt habe.  Im übrigen sei es Allgemeingut, dass politische Extremisten auch "gewöhnliche" Straftaten, wie zum Beispiel Einbruchsdiebstahl-Delikte begehen. Die  NSU-Terroristen beispielsweise hätten Banküberfälle begangen, um ihre rechte Terrororganisation zu finanzieren.“

Nach der Aufdeckung des NSU-Terrors in Deutschland, haben Sicherheitsbehörden und Politik geschworen, von nun an, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit äußerst gering sei, stets ein fremden- oder islamfeindliches Tatmotiv genaustens zu prüfen und es auf jeden Fall nicht von vorneherein wie man das bei der katastrophalen Aufdeckung der NSU-Morde gemacht hat, auszuschließen

An dem Geständnis und den Darstellungen der Polizei zweifelt auch Cemil Şahinöz, Vorsitzender des Bündnisses Islamischer Gemeinden in Bielefeld (BIG), massiv. „Es gab in den letzten Wochen mehrere unaufgeklärte Moscheeanschläge in dieser Region. Die Taten ähneln sich. Hakenkreuzschmierereien, Beschimpfungen nach den Gebeten zählen wir nicht einmal mehr in der Statistik. Es geht nur noch um Brandanschläge. Daher möchten wir, dass die Ermittler die Anschläge als Gesamtbild betrachten und nicht als Einzelfälle“, sagte Şahinöz in einer verbreiteten Mitteilung.

Die Ergebnisse der Polizei werfen laut Şahinöz zudem viele Fragen auf. „Wer garantiert, dass die Aussage Diebstahl keine Schutzbehauptung ist? Verdeckt Diebstahl wohlmöglich andere Motive? Das kennen wir aus den NSU-Skandalen. Wer würde versuchen, Brandstiftung mit Diebstahl zu vertuschen? Das ist uns nicht schlüssig.“  

Der mittelose, angeblich sich Geld verschaffene „Einbrecher“ wird von Rechtsanwalt Dr. Lutz K. vertreten, heißt es im Westfalen Blatt. Der Tatverdächtige hat angegeben, die Idee zum Einbruch sei ihm spontan gekommen, als er an der Moschee vorbeigegangen sei«, erklärte Ermittlungsleiter Maringer. Warum er acht Tage später in einer Moschee an der Herforder Straße einbrach und erneut "spontan"  Feuer legte, wollte die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen nicht kommentieren.

Auch der Aufwand, den der Täter betrieben hat, um erneut in einer Moschee nach Geld zu suchen, scheint immens: „In der zweiten Moschee musste er Kameras verdrehen, Fenster aufbrechen etc. Diesen Aufwand würde ein Dieb nicht machen, der schon einmal in eine Moschee eingebrochen ist und nur 10 € gefunden hat.

Eins der unklarsten Tatsachen ist zudem, dass sich in der zweiten Moschee im Raum des Brandes ebenfalls eine Bücherkasse befand. Diese Kasse wurde nicht einmal berührt“, sagt Şahinöz. Zudem sei der Täter mit einer Kerze in die zweite Moschee gegangen. Dies deute auf die Absicht einen Brand zu legen, weniger auf die Absicht eines Diebstahls.

In dieses Bild der Zweifel fügt sich auch, dass der Täter die fahrlässig verreiteten Spekulationen der Polizei zu den Hintergründen des ersten Brands eins zu eins übernommen hat. Die Ermittler hatten bereits nach dem ersten Anschlag spekuliert, es handle sich bei dem gelegten Brand um eine Ablenkung für einen einfachen Einbruch. Dies führte dazu, dass man eine politische Motivation noch vor der Ermittlung quasi für die Tat ausschloss. Nur das bejerzete Eintreffen der muslimischen Zivilgesellschaft und Medien und damit verbundene aufmerksamkeit, lies die Ermittler zurückrudern.

Was zudem sehr nachdenklich macht ist dies: Nach der Aufdeckung des NSU-Terrors in Deutschland, haben Sicherheitsbehörden und Politik geschworen, von nun an, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit äußerst gering sei, stets ein fremden- oder islamfeindliches Tatmotiv genaustens zu prüfen und es auf jeden Fall nicht von vorneherein, wie man das bei der katastrophalen Aufdeckung der NSU-Morde gemacht hat, auszuschließen. In Bielefeld haben die Behörden das so nicht geamcht. (Quelle: islam.de/zentralrat.de, Neuen Westfälischen islamiq.de u.a.)



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