Artikel Samstag, 20.10.2012 |  Drucken

Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik - Ein Instrument zur Verständnisförderung zwischen Deutschland und der Islamischen Welt - Von Mohammed Khallouk

In öffentlichen Debatten um Außenpolitik in Deutschland standen bisher sicherheitsstrategische und außenhandelsrechtliche Fragen im Vordergrund. Das Institut für Auslandsbeziehungen (IFA) war sich jedoch stets bewusst, dass die Kulturvermittlung ein ebenso wichtiger Bestandteil der Außenpolitik ist bzw. sein sollte. Vor diesem Hintergrund gründete man im Jahre 2004 den Wissenschaftlichen Initiativkreis Kultur und Außenpolitik (WIKA), der mittlerweile vom emeritierten Karlsruher Germanistikprofessor Bernd Thum geleitet wird. Da letzterer zugleich als Vorsitzender der Stiftung Wissensraum Europa Mittelmeer (WEM) amtiert, widmet der WIKA bei der Beurteilung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) Deutschlands und Europas naturgemäß dem Arabo-islamischen Raum und dort insbesondere den Maghrebstaaten eine erhöhte Aufmerksamkeit.

Im diesjährigen WIKA Workshop, der am 11. und 12. Oktober 2012 an der TU Dresden stattfand und gemeinsam mit dem dortigen MitteleuropaZentrum organisiert wurde, stellte die „Fort- und Weiterbildung für Akteure des Auswärtigen Kultur – und Bildungspolitik“ den zentralen Diskussionsgegenstand dar. Nach der Begrüßung und einer kurzen Einführung von Bernd Thum stellten Wissenschaftler und aktive auswärtige Kulturvermittler in verschiedenen Vorträgen die mannigfaltigsten Aspekte der AKBP heraus.

Möge sich Deutschland gewahr werden, welchen Beitrag es als „Nation der Dichter und Denker“ steuern kann

Im ersten Vortrag beispielsweise erläuterte Andreas Klaßen vom Auswärtigen Amt (AA), wie die Ausbildung der Akteure in der AKBP aus Sicht der Regierung erfolge und mit welchen Mitteln zum Erfolg geführt werden solle. Als wichtigstes Ziel seines Amtes nannte er die Förderung eines positiven, zugleich aber differenzierten Deutschlandbildes im Ausland. Er betonte die Bedeutsamkeit der mit den ausländischen Partnern gemeinsam entwickelten und durchgeführten Kultur- und Bildungsprojekte, um einem imperialistischen Überheblichkeitshabitus entgegenzuwirken. Hierzu ist vor allem eine interessengeleitete Konzentration auf bestimmte Staaten oder Kulturkreise zu vermeiden. Die Umbrüche in der Arabischen Welt hätten die deutsche Regierung zu Erkenntnis geführt, dass die deutsche AKBP bedeutsame Regionen in ihrem Engagement bislang weitgehend vernachlässigt habe. Deshalb werde aktuell eine Neuausrichtung vollzogen.

Bernd Thum stellte anschließend die theoretischen Grundlagen und Leitbegriffe von Politik, Kultur und Bildung vor und skizzierte die spezifischen Konzepte der Auswärtigen Kulturpolitik. Auch er erkannte die Förderung eines positiven Deutschlandbildes als ein grundsätzlich erstrebenswertes Leitziel an. Zu unterscheiden sei jedoch zwischen einer auf Werbung oder gar Propaganda ausgerichteten Strategie, welche versuche, die Gesellschaft des Auslands zur unkritischen Zustimmung zur allgemeinen deutschen Politik zu beeinflussen. Darin sah er keine AKBP und befürwortete stattdessen den Dialogansatz, in dem versucht werde, gegensätzliche Positionen miteinander zu erörtern und zu einer Verständigung zu gelangen. Hierfür sei die Bildung, die Förderung der Kenntnis voneinander sowie die Bereitschaft, sich in die Perspektive des Anderen hineinzuversetzen, von zentraler Bedeutung.

Der Politikwissenschaftler Daniel Ostrowski benannte diese divergenten Ansätze des öffentlichen Gegenübertritts zum Ausland und zu fremden Kulturen. Dem auf Werbung hinauszielenden Ansatz wies er den Terminus der „Public Diplomacy“ zu, dem dialogischen Ansatz der AKBP hingegen jenen der „Cultural Diplomacy“. Letztere werde als immer bedeutsamer erkannt, da erstere vom Adressat leicht durchschaubar sei und mangels Vertrauensbasis kaum dazu beitragen könne, fest sitzende Ressentiments zu überwinden.

Der Generalsekretär der IFA, Roland Grätz, stellte die Vielzahl der Akteure vor, die auswärtige Kulturpolitik betreiben und deutsche Kultur nach außen vermitteln. Die Spannweite reicht von unmittelbar dem Bund, den Ländern oder der EU unterstehenden Institutionen über die Wirtschaftsverbände, Sportverbände bis hin zu den deutschen Schulen im Ausland. Mögen alle diese Akteure vom allgemein formulierten Ziel einer Förderung des Ansehens Deutschlands im Ausland geleitet sein, eine steuernde Institution, ein gemeinsamer Referenzrahmen oder gar eine Koordination dieser von z.T. gegensätzlichen Interessen motivierten Kulturmittler findet nicht statt.

Jene Koordination wäre auch kaum zu erreichen, da sich die mannigfaltigen Akteure auf die unterschiedlichste Weise legitimieren. In bestimmten Bereichen ist aber durchaus eine Kooperation von Kulturmittlern verschiedenen Charakters möglich. Dies betrifft insbesondere den Bildungssektor, wo beispielsweise die öffentlichen Bildungsträger im Ausland auf den Erfahrungsschatz privater oder körperschaftlicher Träger zurückgreifen können. Wie Thum u.a. weist auch Grätz der auswärtigen Bildungspolitik ein wesentliches Zukunftspotential zu, da durch Bildung das Interesse an Deutschland und an deutscher Kultur geweckt werden kann.

Dass Kultur in einer Marktwirtschaft auch den Gesetzen von Angebot und Nachfrage unterliegt, rückt der Politologe Udo Metzinger in den Blickpunkt. Dem gilt es von staatlicher Seite durch gezielte Förderung ein wenig entgegenzusteuern, besonders, wenn Wertedialog und Demokratieförderung mit der auswärtigen Kulturpolitik erreicht werden sollen.

Für die Demokratieförderung erachtet die in Dresden habilitierte Politologin Melanie Morisse-Schilbach allerdings in geringerem Maße die staatlich institutionalisierte Außenpolitik als wesentlich, als mehr die auf ein gemeinsames, im beiderseitigen Interesse stehendes Ziel ausgerichtete internationale Wissenschaftskooperation. Am Beispiel der wissenschaftlichen Untersuchung der Umweltprobleme im Mittelmeer gemeinsam mit algerischen, aber auch anderen nordafrikanischen Wissenschaftlern verdeutlichte sie, dass ein wertfreier wissenschaftlicher Diskurs auch die Nachfrage nach demokratischer Partizipation an relevanten politischen Entscheidungen nach  sich ziehen kann.

Interessengeleitete Konzentration auf bestimmte Staaten oder Kulturkreise vermeiden

Zwar ist in der Regel Wissenschaft nicht wertfrei, sie sollte es im Interesse der Demokratieförderung vielleicht nicht einmal absolut sein, sie fördert jedoch ein Reflektieren von Anderen als gegeben apostrophierter Sachverhalte, woraus ein Hinterfragen politischer, bislang nicht zur Disposition gestellter Autoritäten erwachsen kann.

Gerade die Arabische Welt hat kürzlich bewiesen, dass Bildung und Wissenschaft zur Demokratisierung beitragen können. Schließlich fußten die jüngsten Revolten auf der höheren Bildung der jüngeren Generation, die sich von den autokratischen Herrschaftseliten nicht mehr in gleichem Maße wie die Generation davor bevormunden lässt.

Möge sich Deutschland gewahr werden, welchen Beitrag es als „Nation der Dichter und Denker“ steuern kann, dass auch in anderen Teilen des Globus, nicht zuletzt in der arabo-islamischen Region, gestützt auf jeweils eigene kulturelle Traditionen, freies Denken zum Fortschritt trägt. Der WIKA-Workshop 2012 und das darin zum Ausdruck gelangte praktische Engagement verschiedener Teilnehmer verleihen die Hoffnung, dass sich der auf gemeinsamen Zielen mit dem Anderen beruhende Dialoggedanke in der AKBP landesweit durchsetzt.


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