Leserbriefe |
Freitag, 14.04.2006 | Drucken |
Leserbriefe
Marwan Hassan schrieb:
Zu dem Artikel: Keine Todesstrafe für afghanischen Konvertiten
Sie schreiben in Ihrem Artikel "Todesstrafe für den afghanischen Konvertiten" folgende Leitsätze:
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) bedauert zwar zutiefst jeden Fall eines Abfalls vom Islam - wir akzeptieren aber auch das Recht, die Religion zu wechseln. Der Koran untersagt jeden Zwang in Angelegenheiten des Glaubens. Außerdem bietet das islamische Recht einen breiten Spielraum für andere Lösungen in derartigen Fälle.
Einem Teil der Korangelehrten nach darf es nicht zum Glaubenswechsel kommen. Jedoch sind andere Gelehrte davon überzeugt, dass dies heute möglich sei. Sie begründen es damit, dass das Apostasieverbot in einer Zeit entstand, als die ersten Muslime um den Propheten Muhammad sich in militärischen Konflikten mit ihren Nachbarstämmen befanden. Glaubenswechsel war seinerzeit mit Hochverrat oder Desertion gleichzusetzen.
Nun zum ersten Punkt, dass das islamische Recht einen breiten Spielraum für andere Lösungen in derartigen Fällen bietet. Diese Aussage setzt also vorraus, dass die Todesstrafe einer vieler Lösungen ist. Dies ist nicht ganz richtig, auch wenn einige Gelehrte dies sich wünschen.
Ich möchte Ihnen und den Lesern hier belegen, dass die Todesstrafe für den "Abfall vom Islam" nicht islamrechtlich zu begründen ist. Das Argument der Todesstrafe baut auf Ihren zweitbenannten Punkt, wo Sie sagen, dass das Apostasieverbot in einer Zeit entstand, als die ersten Muslime um den Propheten Muhammad sich in militärischen Konflikten mit ihren Nachbarstämmen befanden. Glaubenswechsel war seinerzeit mit Hochverrat oder Desertion gleichzusetzen.
Wir müssen der Sache auf den Grund gehen. Zu Lebzeiten des Propheten, gab es keine solche Fälle. Wohl aber, waren dem Propheten viele Fälle bekannt von solchen Menschen die behaupteten in den Islam getreten zu sein, ohne dies in Wahrheit getan zu haben, die sogenannten (Munafiqun). Was hat der Prophet mit diesen getan? Ich kann nichts finden! Er hat sie geduldet, auch wenn er sie nicht mochte.
Von der Analogie her, sind solche die vom Islam "abfallen" wie sie es beschreiben in einem vergleichbaren Status. Demzufolge müssten Sie geduldet werden und nicht getötet.
Woher kommt dann das Urteil der Todesstrafe? Diese liegt verwurzelt im islamischen Rechtsystem, was allerdings nach dem Tode des Propheten entstand. Da der Koran nichts dazu sagt, noch die Sunna, berufen sich die angeblichen Gelehrten auf Ijmaa. Also den Konsens der Ummah. In diesem Konsens gilt, dass wenn alle mit einer Sache einverstanden sind, dass es als Beleg im Rechtsystem gilt. Die alten Gelehrten gingen davon aus, dass alles was die ersten vier Kaliphen taten, als Ijmaa gleichzusetzen ist.
Der erste Kaliph Abu Bakr führte die sogenannten Riddah-Kriege. Diese sind solche Feldzüge gegen die Beduinen welche sich vom Islam abwandten nach dem Tode des Propheten. Von dem her ist der zweite Punkt den Sie ansprechen zutreffend, aber er ist auch nur im Lichte des historischen Geschehens zu bewerten. Es hatte weniger mit Glauben zu tun, als damit, dass die Einheit des islamischen Reiches gefährdet war. Die Kriege wurden deshalb gegen die Kriegsfähigen geführt, nicht gegen Frauen. Nun war es untersagt im Kriege Frauen und Kinder zu töten.
Wäre die Strafe des Abfalls der Tod, dann würde Abu-Bakr auch die abgefallenen Frauen angegriffen haben, da im islamischen Recht Männer und Frauen gleich stehen.
Von dem her, hat der Krieg damals absolut nichts theologisches inne. Es war ein taktischer Krieg!
Entscheidend ist falls wir einen Koranvers finden oder nicht.
Nun sagt der Koranvers 18:29 "Und sag, dass Recht ist von eurem Herrn. So wer will mag glauben und wer will mag leugnen (nicht glauben)...."
Demzufolge hat jeder Mensch den freien Wille. Wer nun ein einen Glauben geboren ist, hat schon mal keinen freien Willen praktiziert, es sei denn er bekennt sich zum Islam aus eigener Überzeugung. Selbst wenn er den Islam annimmt und ihn wieder ablehnt, dies liegt in seinem freien Wille. Der Koran zählt zwar etliche Konsequenzen auf, für die die nicht glauben, aber er zählt meines Erachtens keine irdische rechtlichen Konsequenzen, geschweige denn die Todesstrafe!
Wie so oft, haben islamische Gelehrte nur das äußere des Islams genommen und das Denken um das Recht und den Islam vernachlässigt.
Gerade diese Aussagen schaden dem Islam und den Muslimen. Es ist höchste Zeit, dass wir als Muslime uns mit dem Islam auseinandersetzen.
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