Artikel Donnerstag, 02.02.2023 |  Drucken

„Religiöse Institutionen schaffen es im Moment nicht, Menschen in Krisenzeiten Halt zu geben“

Aiman Mazyek im RND-Gespräch zu der jüngsten Forsa Umfrage, wonach Religionen trotz Großkrisen stark an Vertrauen einbüßen

Corona, Ukraine-Krieg, Klimakrise, Energie, Inflation – die Gesellschaft sieht sich von Krisen überlagert und mit zunehmenden Unsicherheiten konfrontiert. Da drängt sich die Frage auf, wem in schwierigen Zeiten Vertrauen entgegengebracht wird. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat dazu zum Jahreswechsel in einem 25 Institutionen umfassenden Vertrauensranking mehr als 4000 Menschen in Deutschland befragt.

Die Befragung zeigte auf, dass mit 81 Prozentpunkten besonders Ärzten und Polizisten als Helfer in der Not das größte Vertrauen entgegengebracht wird. Darauf folgen die Universitäten mit 74 Prozent. Banken trauen zwar weniger als die Hälfte der Befragten, diese gewinnen jedoch in Krisenzeiten um einige Prozentpunkte an Vertrauen hinzu.

Besonders an Vertrauen eingebüßt haben Religionen, allen voran die katholische Kirche und der Papst. Zur katholischen Kirche ist der Anteil derer, die ihr großes Vertrauen entgegenbringen, auf 8 Prozent gesunken. Der evangelischen Kirche bringen noch 31 Prozent großes Vertrauen entgegen, jedoch weniger als zum Kanzler, zur Bundesregierung oder zum Bundestag. Auch das Vertrauen zum Papst befindet sich mit nur noch 16 Prozent auf einen neuen Tiefstand. Am besten schneidet der Zentralrat der Juden mit 38 Prozent ab.

Religiöse Institutionen müssen Antworten liefern

Dramatisch sieht es ebenfalls für den Islam aus. Dieser belegt nach der katholischen Kirche mit 6 Prozent den vorletzten Platz nur noch vor den Werbeagenturen. ZMD-Vorsitzender Aiman Mazyek kommentierte die Umfrage in einem Artikel des Redaktionsnetzwerkes Deutschland (RND) als „bedrückend“. Die schlechten Umfragewerte für Religionen hingen damit zusammen, dass religiöse Institutionen in Deutschland es nicht schaffen würden, Menschen in Krisenzeiten ein Fundament zu schaffen, auf dem sie Halt finden könnten.

Mit Blick auf die Vertrauensverluste gegenüber dem Islam fügte Mazyek hinzu, gäbe es „kaum wahrnehmbare Positionen der islamischen Community in Deutschland zu den drängenden gesellschaftlichen Fragen.“ Jedoch sei dies auch dem Diskursniveau über den Islam in unserer Gesellschaft zu verschulden.

Andernorts, wie zum Beispiel im krisengeplagten Nahen Osten, schöpfen die Menschen durch das Festhalten in den Religionen Hoffnung. Dieses Potenzial dürfe in unseren Gesellschaften nicht durch die negativen Begleiterscheinungen von Krisen, die mit Hass, Burn-out oder Depressionen einhergehen, untergraben werden, warnte Mazyek abschließend.




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