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Montag, 14.11.2016 | Drucken |
Nürnberger Menschenrechtler Heiner Bielefeldt warnt: Religionsfreiheit in Deutschland in Gefahr
Subtile oder offene Diskriminierungen gibt es nach Einschätzung von Fachleuten auch in Deutschland
Die Krise der EU zeigt sich für den Nürnberger Menschenrechtler Heiner Bielefeldt weniger am Brexit, sondern viel mehr an der Weigerung einiger Länder, muslimische Flüchtlinge aufzunehmen. Für ihn gehört diese Haltung zur einer weltweiten, «fatalen Tendenz» zurück zur Formel «Cuius regio, eius religio» - vom Sudan über den Irak bis nach Zypern. Kurz, statt das Menschenrecht auf Religionsfreiheit zu garantieren, fordere man vom Einzelnen, sich der vorherrschenden Religion und Kultur anzupassen, so Bielefeldt.
Er äußerte sich am Dienstag in Berlin bei einer Diskussion der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zum Thema der Flucht aus religiöser Verfolgung. Der just an diesem Tag aus dem Amt geschiedene UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit konstatierte eine solche Denkweise in abgeschwächter Form auch in Deutschland. So markiere der Begriff der Leitkultur ein «symbolisches Territorium». Die konfliktreiche christlich-jüdisch-aufklärerische Geschichte werde dazu künstlich harmonisiert, um sie vor allem gegen den Islam abzugrenzen.
Kritisch sieht Bielefeldt in diesem Zusammenhang eine «zivilreligiöse Aufladung des Grundgesetzes», das gegen den Islam in Anschlag gebracht werde. Das Grundgesetz sei aber keine Religion und der Islam keine Verfassung. Eine solche Vermischung der Ebenen setze nicht nur die Muslime einer fatalen Logik des Verdachts aus, sondern unterminiere auch das säkulare Verständnis des Staates.
Dabei redete Bielefeldt nicht der political correctness das Wort. Im Gegenteil, er forderte, alle Konflikte auf den Tisch zu legen, von den Übergriffen auf christliche Flüchtlinge über Religionskonflikte innerhalb des Islam bis hin zu den Übergriffen auf Muslime. Nach Angaben von Daniel Abdin von der Schura in Hamburg, dem Rat der Islamischen Gemeinschaften, kommt es vermehrt zu verbalen wie körperlichen Attacken auf Muslime: «Frauen wird das Kopftuch runtergerissen, sie werden beschimpft und bespuckt». Es sei «gruselig und beängstigend». Viele mieden inzwischen die U-Bahn.
Entsprechend vielfältig waren die Themen der gut zweistündigen Diskussion und das Bemühen um eine Einordnung. Das galt nicht zuletzt mit Blick auf die Studie der Menschenrechtsorganisation Open Doors zu Übergriffen auf christliche Flüchtlinge in Massenunterkünften. Johannes Brandstäter von der Diakonie Deutschland bestätigte, dass es nicht nur um Einzelfälle gehe, allerdings gebe es keine systematische Verfolgung. Auch Bielefeldt hatte wohl handwerkliche Anfragen an die Studie, betonte aber, dass die Realität zur Kenntnis genommen werden müsse: «Der größte Fehler wäre es, darüber einen Mantel des Schweigens zu legen», zumal dies den Populisten in die Hände spiele. Gefragt sei Solidarität gegenüber den Betroffenen und ein genaues Herangehen.
Thomas Kreitschmann, Abteilungsleiter im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sah in einigen der genannten Fälle «justiziable Vorgänge», in anderen «Mobbing», bei dem die Zivilgesellschaft gefragt sei. Einig waren sich alle, dass es in den Unterkünften Schutzstandards brauche, eine grundsätzliche Trennung nach Religionszugehörigkeit aber keine Lösung sei. Kreitschmann warnte vor einer Ghettobildung und Abdin vor Parallelgesellschaften - mit der Gefahr, «Extremisten wie den Salafisten das Feld zu überlassen».
In Beiträgen aus dem Publikum kamen vor allem Diskriminierungserfahrungen muslimischer Minderheiten durch andere Muslime zur Sprache. Ein Mitglied der Ahmadiyya-Gemeinde beklagt den systematischen Ausschluss seiner Gemeinschaft von Diskussionspodien, und ein Anhänger der türkischen Gülen-Bewegung berichtete, wie seinen Glaubensbrüdern der Besuch der Moschee verweigert werde. Nach Einschätzung von Abdin kann ein «Miteinander nur funktionieren, wenn wir uns als deutsche Muslime betrachten». Den deutschen Muslimen kommt nach seinen Worten «eine Schlüsselrolle bei der Integration» zu. Dazu müssten sie aber stärker einbezogen und unterstützt werden, verlangte er.
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