Folgen-fuer-muslime Mittwoch, 21.07.2004 |  Drucken

Folgen-fuer-muslime



03.07.04 Polizeigewalt gegen einen Marokkaner schrieb:



Verprügelt, inhaftiert, mit Abschiebung bedroht - Was dem Mann einer
Österreicherin passieren kann - Aus der ZARA-Dokumentation

Es ist ein warmer Freitagabend Anfang Juli in Wien. Herr C. ist mit Freunden
unterwegs, später dann noch alleine in einem Lokal. Als er zahlen will,
kommt es zu einer - harmlosen - Diskussion mit der Kellnerin, ob er nur
eines oder zwei Biere konsumiert hat. Er zahlt beide Biere, doch einige
Gäste mischen sich ein, beschimpfen den Marokkaner. Es kommt zu einer
Rauferei zwischen ihm und etlichen anderen Gästen, die schließlich vom
Eintreffen der Polizei unterbrochen wird. Die BeamtInnen reden kurz mit den
Anwesenden und verlangen dann, dass sich der am Boden liegende C. ausweist.
Alle anderen Teilnehmer der Prügelei bleiben unbelangt, es wird kein
Protokoll aufgenommen. Herr C. hat seinen Pass nicht dabei - die
PolizeibeamtInnen legen ihm Handschellen an und gehen mit ihm zu Fuß zu
seiner Wohnung. Die Streife fährt langsam neben dem gefesselten Mann her.

"Schwere Körperverletzung und Vergewaltigung"

Beim Haus angelangt löst man die Handschellen. Herr C. klingelt seine
Ehefrau heraus, die schon über seinen Verbleib besorgt war. Auf ihre
entsetzte Nachfrage antworten die PolizeibeamtInnen: "Er ist wegen schwerer
Körperverletzung und Vergewaltigung verhaftet." Frau N. ist schockiert, wird
aber von den BeamtInnen angeherrscht, endlich den Pass ihres Mannes zu
suchen. Im Pass ist kein Visumvermerk (ein Verfahren dazu ist bereits im
Gange) - woraufhin die Polizisten Frau N. mitteilen, dass ihr Mann verhaftet
sei.

Frau N. ruft: "Bitte lassen sie meinen Mann in Ruhe!" - die Polizisten
drücken sie gewaltsam gegen die Wand. Als ihr Mann protestiert, wird er ins
Gesicht geschlagen. Er stürzt, ihm werden Handschellen am Rücken angelegt,
er wird auf die Straße gezerrt. Dabei beschimpfen die BeamtInnen sowohl ihn
als auch seine Frau ("Arschloch", "Fick dich", "Schlampe") und drohen: "Wir
schieben den Mann sofort ab!" Vor dem Haus ist inzwischen ein weiterer
Streifenwagen und eine Ambulanz eingetroffen, auch einige NachbarInnen
verfolgen seine Abführung. Als Frau N. fragt, wohin man ihn bringt, erfährt
sie nur: "Nach Marokko."

Nacht in der Zelle

Herr C. landet in einer Zelle am Kommissariat, wo er kurz mit einem Arzt
redet, der ihn jedoch nicht untersucht. Am nächsten Morgen möchte Herr C.
eine Anzeige gegen die PolizeibeamtInnen erstatten - dies wird ihm jedoch
nicht gewährt. Statt dessen will man von ihm wissen, wo er seine Frau kennen
gelernt habe, nimmt seine Fingerabdrücke, fotografiert ihn und führt ihn
einer Ärztin vor, die ihn abermals nicht untersucht.

Eigentlich spricht Herr C. gut Deutsch - doch um sicherzugehen, alles zu
verstehen, hätte er gerne einen Dolmetscher gesprochen. Auch dieser Wunsch
wird ihm nicht gewährt. Herr C. unterschreibt ein Protokoll, von dem er
keine Kopie erhält.

Nacht in Ungewissheit

Frau N. hat indessen eine Nacht in Ungewissheit hinter sich. Schon um 7 Uhr
morgens fragt sie beim nächstgelegenen Kommissariat nach. Immerhin - man
weiß, von wem die Rede ist: "Der Marokkaner! Der wird abgeschoben. Sie
dürfen ihn nicht sehen, gehen sie nach Hause", teilt ihr ein Polizist mit.
Frau N. lässt sich nicht abwimmeln und versucht telefonisch zu Informationen
zu kommen. Ein höherrangiger Polizeibeamter nimmt ihre Beschwerde ernst und
bittet sie zu einem Gespräch. Ihre von der gewaltsamen nächtlichen
Polizeibehandlung stammenden, sichtbaren Verletzungen werden fotografiert,
auch ein Polizeiprotokoll angefertigt. Sie fährt nun wieder zurück zum
Kommissariat, wo man ihr nun mitteilt, dass ihr Mann zu "99 Prozent"
freigelassen wird.

Verletzungen und Beschwerden

Als Frau N. ihren Mann schließlich am Samstag Nachmittag wieder sieht, hat
er ein blaues, geschwollenes Auge, Kratzer im Gesicht, blaue Flecken an den
Beinen, offene Wunden an den Handgelenken von den Handschellen. Zum Teil
stammen die Verletzungen wohl von der nächtlichen Prügelei im Lokal, bei der
Herr C. auch von einem Hund gebissen worden war (und alle anderen
TeilnehmerInnen von der Polizei nicht behelligt wurden) - zum Teil aber auch
von der Polizeibehandlung.

Seine Verletzungen ließ sich Herr C. am Tag darauf auch im Krankenhaus
attestieren. Der diensthabende Arzt riet ihm jedoch von einer Anzeige ab:
"Das bringt doch nur Ärger."

Das Ehepaar wandte sich an die ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen
von Rassismus - und werden gemeinsam mit ZARA eine Richtlinien- und eine
Maßnahmenbeschwerde gegen die PolizeibeamtInnen einreichen.

Büro für Besondere Ermittlungen ermittelt

In der Wiener Polizeidirektion ist man über den Vorfall bereits informiert,
hieß es auf Anfrage von derStandard.at. Laut Aussage eines Beamten waren die
Handschellen nötig, es sei zu "unerwartet aggressiven Handlungen des Herrn
C." gekommen. Ein Beamter sei verletzt worden - im Krankenhaus sei eine
Hodenprellung und eine Gelenkstauchung am rechten Handgelenk diagnostiziert
worden.

Aufgrund der Misshandlungsvorwürfe des Ehepaares hätte man jedenfalls schon
am 3. Juli das Büro für Besondere Ermittlungen eingeschaltet, so die
Polizeidirektion in ihrer Stellungnahme. Der Sachverhalt sowie ein Gutachten
des Amtsarztes über die Verletzungen von Herrn C. sei an die
Staatsanwaltschaft Wien weitergeleitet worden. (red)

© 2004 derStandard.at - Alle Rechte vorbehalten.


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