Folgen-fuer-muslime Montag, 03.06.2002 |  Drucken

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Türkische Imbißinhaber vertrieben durch Neonaziattacken schrieb:



Türkische Imbißinhaber vertrieben
Junge Welt 01.06.2002
In sächsischer Kreisstadt Pirna kapituliert Familie
Sendilmen vor jahrelangen Neonaziattacken

Am gestrigen Freitag öffnete der türkische »Antalya-Grill« in
Pirna zum letzten Mal. Vor sechs Jahren war die fünfköpfige
Familie Sendilmen mit 300000 Mark Ersparnissen in die
Kreisstadt der Sächsischen Schweiz gekommen, heute drücken
sie 50000 Euro Schulden. Auf einem der Gästetische liegt die
Gewerbeabmeldung. Eine deutsche Freundin der Familie hilft
beim Ausfüllen. Sie wundere sich, daß es die Betreiber des
Imbißlokals überhaupt so lange ausgehalten hätten, sagt sie.

Denn seit vier Jahren geht die Angst bei ihnen um und hat sich
offensichtlich auch auf die Gäste übertragen. Am 1. Mai 1998
fing es an, als sich nach der Leipziger NPD-Demo einige
Glatzen erstmals hier austobten. Einiges an Mobilar ging
damals zu Bruch. Verbale Beleidigungen und Drohungen gibt
es inzwischen fast jede Nacht. Doch dabei blieb es nicht immer.
Ein tätlicher Übergriff brachte der Mutter des Besitzers im
Januar 2001 ein zertrümmertes Fußgelenk und damit ein
lebenslanges Handicap ein. Beobachtet haben die Sendilmens,
aber auch die lokale »Aktion Zivilcourage« eine seltsame
Tatenlosigkeit von Staatsanwaltschaft und Polizei. Entweder
blieb es nach Hilferufen bei polizeilichen Platzverweisen, oder
Verhaftete kamen schnell wieder auf freien Fuß. Oder aber die
Polizei erschien gar nicht erst.

»Die sind auf dem rechten Auge blind«, sagt die 21jährige
Tochter Selda unverblümt. Zum ersten Mal standen am
Himmelfahrtstag in diesem Mai zwei Streifenwagen zum Schutz
vor dem Lokal. Statt dessen wurden Vater Adem und Sohn
Recep selbst wegen Körperverletzung vor den Kadi gezerrt.
Weil sie sich wehrten - auch Selda hat einmal in ihrer
Verzweiflung mit dem Dönermesser gedroht, um ihre am Boden
liegende Mutter zu schützen. Bei der Verhandlung am Mittwoch
verwickelte sich ein angeblicher »Zeuge« aber in solche
Widersprüche, daß das Verfahren vom Amtsgericht zunächst
ausgesetzt wurde.

Die nachweisliche Beteiligung der militanten »Skinheads
Sächsische Schweiz« alias »SSS« an den Übergriffen trug im
Vorjahr zu deren Verbot bei. Nachgelassen haben ihre
Aktivitäten dadurch nicht. Jetzt rückt die Sonderkommission
»SokoRex« des Landeskriminalamtes in Pirna ein. Dieses späte
Bemühen honoriert die lokale »Aktion Zivilcourage« zwar,
vermißt aber klare Worte und klares Handeln der in Stadt und
Landkreis politisch Verantwortlichen. In der Region an der
Elbe, die als Hochburg der Neonazis in Sachsen gilt, sind allein
in den letzten sechs Wochen 28 Personen Opfer rechter
Gewalttaten geworden.


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