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Mittwoch, 27.02.2002 | Drucken |
Folgen-fuer-muslime
Neonazis verprügel muslimische Frauen schrieb:
Berliner Zeitung, 01.02.2002
Neonazis verprügeln Frauen - Polizei lässt dieTäter wieder frei
Jugendliche griffen in Hellersdorf drei Libanesinnen an / Ein26-jähriges Opfer wurde schwer verletzt / Zwei Angreifer legten Geständnis ab
Während des Berufsverkehrs am Mittwochhaben jugendliche Neonazis drei libanesische Frauen und ein Kind angegriffen.Dabei wurden zwei Frauen verletzt, eine davon schwer. Wie die Polizei und einesder Opfer sagten, haben zahlreiche Zeugen tatenlos zugesehen.
Der Angriff ereignetesich im belebten Zentrum von Hellersdorf, nahe des Geschäfts- undEinkaufszentrums "Helle Mitte". In der Nähe liegen ein Kino,Hochschule, U-Bahnhof, Rathaus und Einkaufsläden. Die 26-jährige Nasrine S. wohnt in Hellersdorf. Gemeinsam mit ihrerSchwiegermutter Faowzie S. (46), die inCharlottenburg lebt, war sie einkaufen. Mit dabei waren auch ihr siebenjährigerSohn und eine 42-jährige Tante. Alle waren auf dem Heimweg zu Nasrine S. und warteten an der Straßenbahnhaltestelle Stendaler Straße/Ecke Quedlinburger Straße auf die Straßenbahnder Linie 18. Außer ihnen stiegen an der Haltstelle auch vier Jugendliche indie Straßenbahn. Sie setzten sich hinter die drei Frauen und das Kind undfingen an, die Libanesinnen anzupöbeln. Sie beleidigten sie und riefen"Ausländer raus".
Nur zwei Zeugen halfen
Als die Frauen nichtreagierten, erhielt die Schwiegermutter von NasrineS. einen Faustschlag an den Kopf und einen Fußtritt in den Rücken. Eine Haltestelle später, an der RiesaerStraße, wollten die Frauen aussteigen. "Dabei riss ein Jugendlicher der26-Jährigen das Kopftuch herunter und zerrte sie an den Haaren aus derBahn", sagte ein Polizeisprecher. "An der Haltestelle gab es dannweitere Schläge." Als die Schwiegermutter NasrineS. helfen wollte, schlug ihr einer der Täter ins Genick und in den Rücken."Die Straßenbahn war voller Leute und auch an der Haltestelle wartetenviele Menschen", sagte Nasrine S. gestern Abendim Krankenhaus. Die einzigen, die ihr geholfen hätten, seien jedoch derStraßenbahnfahrer und ein 20-jähriger Fahrgast gewesen.
Wie die Polizeibestätigte, vertrieben diese die Schläger. Die Beamten selbst waren zuerst von Nasrine S. alarmiert worden. Die 26-Jährige hatte noch inder Straßenbahn übers Handy bei der Polizei angerufen. Die Beamten konnten dievier Täter nach der Tat festnehmen. Sie sind zwischen 16 und 21 Jahren alt undkommen aus Marzahn und Lichtenberg. Alle vier waren angetrunken. Drei der vierJugendlichen rechnet die Polizei der rechten Szene zu. Sie sind bereitseinschlägig bei der Polizei bekannt. Zwei der Festgenommenen haben inzwischenihre Tat gestanden. Sie gaben als Motiv ihre rechtsextremistischeGrundeinstellung, Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass an. Nach denVernehmungen wurden sie wieder freigelassen. Bei Jugendlichen gebe es außerordentlichhohe Ansprüche an Haftgründe, hieß es zur Begründung.
Der polizeilicheStaatsschutz hat die weiteren Ermittlungen übernommen. Die beiden Frauen wurdenin das Krankenhaus Kaulsdorf eingeliefert. Die Schwiegermutter von Nasrine S. wurde nach ambulanter Behandlung wiederentlassen. Sie erlitt Platzwunden, unter anderem am linken Ohr, und Prellungen.Ihre Schwiegertochter dagegen erlitt wegen eines Faustschlages an den Kopf einschweres Schädel-Hirn-Trauma. Sie musste in der Klinik bleiben, war aber ansprechbar."Ich habe Angst, weiter in Hellersdorf zu wohnen", sagte sie. DieFamilie werde sich nun überlegen, ob sie nicht wegziehen sollte. Nasrine S. sagt auch, dass sie den Schlägern nicht zumersten Mal begegnet sei. Schon vor einigen Tagen sei sie von denselbenJugendlichen auf der Straße angepöbelt worden.
In Marzahn-Hellersdorfhat der Vorfall Empörung ausgelöst. Das Bezirksamt verurteilte den Vorfall"auf das Schärfste" und rief die Bürger "zu mehrZivilcourage" auf und zu schnellem, entschiedenem Eingreifen in solchenSituationen. Auch dieAusländerbeauftragte des Bezirks, Elena Marburg, reagierte empört: "DasScheußlichste an der ganzen Sache ist, dass die meisten Leute das habengeschehen lassen." Oft würden Pöbeleien gegen Ausländer und Anspucken garnicht angezeigt. Berlins Ausländerbeauftragte Barbara John sagte: "ZweiDrittel aller Gewalttaten gegen Ausländer passieren in den östlichenBezirken." Dasbewusste Wegschauen bei Gewalttaten hat nach Ansicht der Gewerkschaft derPolizei (GdP) einen ganz bestimmten Grund. "Wer sich als Zeuge zurVerfügung stellt, muss viele Schwierigkeiten in Kauf nehmen - bis dahin, dasser vor Gericht unter Druck gesetzt wird oder befürchten muss, selber angeklagtwerden zu können", sagte Eberhard Schönberg, Berliner GdP-Vorsitzender.Und: "Wer dann auch noch verletzt wird, während er jemandem hilft, bekommtkeine Entschädigung."
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