Newsnational Donnerstag, 15.04.2010 |  Drucken

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DIK – "alter Wein in neuen Schläuchen" und Muslime bleiben Ausländersache

Zentralrat hält Kritik an der Deutschen Islamkonferenz (DIK) weiter aufrecht – Zukunft des KRM und die Rolle DITIB - Umfrage: Fast die Hälfte der Muslime kennt die DIK nicht

Deutsche, arabische, bosnische oder schiitische Muslime sind spärlich bis gar nicht auf der neuen DIK vertreten. Wenn man einmal von den Einzelpersonen absieht, gibt es dort außer den türkischen Verbänden (DITIB, Türkischer Bund, der alevitische AABF-Verband und VIKZ) keinen einzigen nicht-türkischen Verein. Es sein denn die angemahnten Reformen der DIK (s.u.)greifen und der ZMD als multiethnischer Verband kann so am Ende mitmachen. Doch die Islamkonferenz in der jetzigen Form ist weit davon entfernt, den Muslimen ein reales und auf deutsche Verhältnisse zugeschnittenes Abbild zu verschaffen.

Neben dem extrem starken türkischen Überhang zeigt die ministerielle Neuverortung der DIK II in Abteilung Ausländerpolitik des Innenministeriums, dass Islam in Deutschland politisch ausländisch, allenfalls vielleicht noch türkisch verstanden wird.

Der ZMD-Generalsekretär Aiman Mazyek hatte in einem TAZ-Interview (siehe untere Link) dies kritisiert und gesagt, dass die Islamkonferenz leider keine Anerkennung des Islam als deutsche Religionsgemeinschaft in Deutschland anstrebt. „Der Grundfehler ist, dass der Innenminister sie als Integrationskonferenz versteht. Die Islamkonferenz macht aber nur dann Sinn, wenn sie religionspolitisch begriffen wird und eng an verfassungsrechtlichen Prinzipien arbeitet.“

Ungewollt Rückendeckung bekommt der deutsche Innenminister de Maizière vom türkischen Religionsminister Ali Bardakoğlu, der u.a. auch als Präsident seiner Religionsbehörde die türkischen Imame in Deutschland für die DITIB-Moscheen bestellt. „Wir werden Europas Imame in der Türkei ausbilden”, attestiert Bardakoğlu in der türkischsprachigen Türkiye und erteilt damit auch den jüngsten Vorschlägen des deutschen Wissenschaftsrates eine zumindest indirekte Absage. Dieser hat sich nämlich für eine Ausbildung von Imamen in deutschen Hochschulen stark gemacht, was besonders beim ZMD, aber auch beim Islamrat Unterstützung fand. Bardakoğlu zeigte sich vor tausenden versammelten Muslimen anlässlich des Prophetentages vor ein paar Tagen in Holland zwar erfreut darüber, dass immer häufiger auch in der Landessprache religiöse Dienste angeboten würden; „von türkischsprachigen Freitagsansprachen und Predigten werde man niemals Abstand nehmen.“ so der Religionsminister wörtlich.

Zentralrat hält Kritik an der Islamkonferenz weiter aufrecht

Einen Monat vor der Neuauflage der Deutschen Islamkonferenz hat der Zentralrat der Muslime erneut eine Reform des Konzeptes und bei Themenwahl und personeller Besetzung zahlreiche Änderungen verlangt. «Wir wollen keine unverbindliche Konferenz, das wäre sinnlos, was wir brauchen, sind zeitnahe und konkrete Lösungen von Problemen wie der Islamfeindlichkeit», sagte der Zentralrats-Vorsitzende Ayyub Axel Köhler der Nachrichtenagentur dpa am Dienstag in Köln.

Köhler kritisierte erneut die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) eingeschränkte Teilnehmerliste für die Konferenz im nächsten Monat. 2006 war die Islamkonferenz vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur besseren Integration der rund vier Millionen Muslime in Deutschland ins Leben gerufen worden. Nun habe der Nachfolger de Maizière für die zweite große Runde «über die Köpfe der Muslime hinweg über Konzepte, personelle Zusammensetzung, Inhalt und Themen entschieden», sagte Köhler. Er habe den Minister daher erneut um ein klärendes Gespräch gebeten. Davon hänge ab, ob der Zentralrat an der Neuauflage der Islamkonferenz teilnimmt.

Die Muslime stören sich nach Köhlers Worten an der Zusammensetzung des Gremiums: «Da sind Leute dabei, die nicht legitimiert sind, zum Beispiel die Türkische Gemeinde in Deutschland, die kein religiöser Verein ist, auch wenn dort Muslime Mitglieder sind. Aber dann könnte man auch den ADAC in die Islamkonferenz berufen, denn da sind auch viele Muslime Mitglieder.»

Zukunft des KRM

In dem oben genannten TAZ-Interview räumt Mazyek auch Fehler in der Arbeit beim Koordinierungsrat ein (siehe auch unterer Link).„Im Nachhinein war es ein großer Fehler, dass die übrigen Verbände dem Hinhalten von DITIB, eine vereinsrechtliche KRM-Satzung zu unterschreiben, nicht entschiedener entgegen traten. Das hätte den KRM verbindlicher gemacht….Der KRM bleibt sicherlich wichtiges Beratungsgremium aller muslimischen Spitzenverbände, nicht mehr aber auch nicht weniger.“ so das ZMD-Vorstandsmitglied.

DIK bei Muslimen weniger bekannt als bei Nichtmuslimen

Unterdessen wird nach einem «Spiegel»-Bericht zufolge deutlich, dass in der Bevölkerung, insbesondere bei der muslimischen, die Deutsche Islamkonferenz eher unbekannt ist. Die Hälfte der Migranten und 43 Prozent der muslimischen Zuwanderer hätten noch nie etwas davon gehört, berichtet das Nachrichtenmagazin über eine repräsentative Befragung des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) in Westdeutschland. In der übrigen Bevölkerung habe nur ein Drittel keine Ahnung von der Konferenz. Damit wird auch deutlich, dass bei den Nichtmuslimen die DIK bekannter ist als bei den Muslimen selber. Dies kommt nicht von ungefähr. So paradox dies im ersten Moment klingt, die Bundesregierung hat mit der DIK eher die eigenen Wähler im Auge, und macht sich weniger Gedanken, wie eine verbesserte Integrationspolitik für Muslime formuliert werden kann.


Lesen Sie dazu auch:
Demokratische Streitkultur auch bitte auf der Deutschen Islamkonferenz - Kommentar von Aiman A. Mazyek in der ZAMAN
Es ist Zeit die Muslime mit ihren Religionsgemeinschaften anzuerkennen - TAZ-Interview des Generalsekretärs des ZMD

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