Artikel Mittwoch, 07.03.2007 |  Drucken

Kamelle, dä Prinz kütt . Von Witz und Macht – Dagmar Maryam Schatz

2006 ging es in so mancher Variante durch die Medienlandschaft: die Angst vor dem Islam – und nicht immer wurde das Wörtchen „gewalttätig“ hinzugefügt. Eine Oper wurde abgesetzt, ihre Wiederaufführung unter Polizeischutz gestellt, und auch die Crème de la Crème der deutschen Unterhaltung konstatierte, man würde ja gerne Witze über den Islam machen, traue sich aber nicht. Sogar die Ikone der deutschen Fernsehunterhaltung, Harald Schmidt bekannte ihr Gefühl. Deutschlands Karnevalisten ließen sich ebenfalls vernehmen, und hier tat sich das Düsseldorfer Festkomitee hervor. Dieses Jahr hatte man dann wieder Mut gefasst. Sind denn solche Wagen nicht lustig?

Hier wird –„humoristisch“ – transportiert, was z.B. Henryk Broder uns schon lange erzählt, und was auch die Grundüberzeugung so manches „Islamkritikers“ (und der -kritikerinnen desgleichen ist: die Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus/Terrorismus ist „feinsinnig“(Broder), will heissen, überflüssig.

Nun, solcher Humor folgt einer schlechten Tradition: 1937 wurden in Mainz weinpanschende „Talmudjuden“ mit einem eigenen Wagen bedacht, und es gehörtem Repertoire vieler Humoristen der damaligen Zeit, das Jiddische nachzuäffen: „Han mer gemacht Eintopf“, will sagen, betrügerisch Wein gepanscht. Und in einem Karnevalslied aus meiner Heimatstadt Köln im Jahr 1937 heisst es:
„Et deit sich alles freue, Mir sinn jetz bahl su wick, mir wääde jetz in Deutschland, die Jüdde endlich quitt, en jeder Stroß do hadde mer, Neh Jüddelade stonn, et jitt noch immer domme, die dobei kaufe jonn. Met dä Jüdde es jetz Schluß. Se wandere langsam us.“

Sind die Ähnlichkeiten nicht verblüffend? Scheint es nicht so zu sein, dass es um Humor überhaupt nicht geht, sondern darum, auf alle erdenkliche Art und Weise immer nur ein und dieselbe Botschaft zu transportieren? „Wer die Macht hat, hat die Definitonen“, heisst es in Alice im Wunderland. Und wer erinnert sich nicht an jenen Abt, der in „der Name der Rose“ mit Bezug auf humorfeindliche Passagen der altgriechischen Philosophen lieber Menschen sterben und sein Kloster abbrennen liess, als „das Lachen“ zu dulden.
Ganz offensichtlich heisst es auch: „Wer die Macht hat, hat den Humor“. Doch könnte es auch heissen: „Wer Objekt von Witzen ist, ist angekommen in einer Gesellschaft.“ Ich glaube, das hat auch unser Aiman A. Mazyek in seinem Artikel für die „Welt am Sonntag“ vor einigen Wochen gemeint, als er schrieb, er habe bei „Borat“ die Witze über Muslime vermisst (siehe unterer link)

Naja, die mittlerweile nicht nur von der türkischen Community geschätzten Comedians wie z.B. Kaya Yanar, Django Asül, Serdar Somuncu sind nicht dezidiert muslimisch, das ist wahr – aber vielleicht ist der erste dezidiert muslimische Comedian in Deutschland dann auch eine Frau, wie die britische Stand-up-Comedienne Shazia Mirza, die direkt nach dem 11. September mit einem Hejab auftrat und deren Vorstellung mittlerweile legendär ist:

„Mein Name ist Shazia Mirza – so steht es wenigstens auf meinem Pilotenschein“. Es kann sich ja schon mal jemand mit der Lektüre des grossartigen Mullah Nasruddin, des muslimischen Eulenspiegels, warm laufen, dem die Stadt Buchara ein Denkmal errichtet hat. Ja, der Humor ist eine zu ernste Angelegenheit, als dass die Muslime ihn nur den anderen überlassen könnten.





Lesen Sie dazu auch:
Über das verkrampfte Verhältnis deutscher Humoristen und Künstler zum Islam

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