Newsnational Freitag, 29.07.2022 |  Drucken

Mehrheit der Deutschen nimmt Rassismus wahr

Rassismus ist Alltag. Ca. 90% sind sich bewusst, dass es hierzulande Rassismus gibt - Eine kritische gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung bleibt jedoch aus, so die aktuelle Studie des DeZIM-Instituts

Rassismus findet in Deutschland weite Verbreitung. Längst ist er kein Randphänomen mehr, sondern tief im Alltag verwurzelt. 90% der Bevölkerung ist sich darüber bewusst, dass es in Deutschland Rassismus gibt. Gleichzeitig sind rassistische Einstellungen weit verbreitet. So glaubt etwa fast die Hälfte der Bevölkerung (49%) an die Existenz menschlicher „Rassen“.

Die im Mai 2022 veröffentlichte repräsentative Auftaktstudie „Rassistische Realitäten“ des Rassismus-Monitors, die vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) durchgeführt wurde, beleuchtet erstmals umfangreich die Auseinandersetzung unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen mit Rassismus.

Von April bis August 2021 wurden hierfür rund 5000 Menschen zu ihrer Wahrnehmung und Bewertung von rassistischen Vorfällen telefonisch befragt. Neben Angehörigen der Mehrheitsbevölkerung wurden zudem Gruppen befragt, die Rassismus selbst erfahren oder erfahren haben. Ein weiterer Aspekt aus dem Fragenkatalog umfasste die Bereitschaft, sich dagegen zu engagieren.

Mehrheit erkennt Rassismus an

Zunächst geht aus der Studie hervor, dass ein gesellschaftliches Problembewusstsein vorhanden ist. Die überwiegende Mehrheit der Befragten gab nicht nur an, dass es Rassismus in Deutschland gibt, ca. 60% stimmten ebenfalls der Aussage zu, dass Rassismus Alltag in Deutschland ist und es rassistische Diskriminierung in Institutionen gibt. Jeder Fünfte gab an, selbst von Rassismus betroffen gewesen zu sein, 45% der Menschen haben derweil schon einmal rassistische Vorfälle beobachtet. Zudem zeigt die Studie, dass etwa zwei Drittel der Befragten bereit sind, Rassismus entgegenzutreten, etwa bei Demonstrationen oder mit Zivilcourage im Alltag.

Doch trotz des gesellschaftlichen Problembewusstseins und der Bereitschaft zum Engagement gegen Rassismus offenbart die Studie auch, dass rassistische Denk- und Handlungsmuster stark in der Gesellschaft verankert sind.

So glauben etwa die Hälfte der Deutschen noch immer an menschliche „Rassen“. Ein Drittel der Befragten legitimieren die Ungleichheit sozialer Gruppen, indem sie ihrer Hierarchisierung zustimmen. Verfestigt werden diese Überzeugungen durch biologistische Vorstellungen, wonach jeder Dritte glaubt, dass einige ethnische Gruppen „von Natur aus fleißiger“ seien als andere und dass manche Kulturen minderwertiger seien als andere.

Darüber hinaus ist das Problembewusstsein nicht für alle Formen des Rassismus‘ gleichermaßen ausgeprägt. So werden Antisemitismus und Anti-Schwarzer Rassismus eher als solche erkannt als antimuslimischer, antiasiatischer und antislawischer Rassismus sowie Rassismus gegen Sinti und Roma.

Politisch korrekter Rassismus

Obwohl ein allgemeines breites Problembewusstsein in der Gesellschaft herrscht, halten viele Menschen noch an rassistischen Denkmustern fest und lehnen Kritik an Rassismus ab. Fast jede zweite Person hält Rassismuskritik für übertrieben und empfindet sie als Einschränkung der Meinungsfreiheit. 52% sind der Meinung, dass die Betroffenen zu „ängstlich“ (52%) und „überempfindlich“ seien. Zudem gab die Mehrheit an, dass Rassismus insbesondere von Rechtsextremen ausgehe.

Während die meisten Menschen anerkennen, dass es Rassismus in Deutschland gibt, der sowohl im Alltag als auch strukturell wahrgenommen und eingeordnet wird, verdeutlichen die Reaktionen der Befragten auf Rassismuskritik eine große Divergenz. Denn die Ergebnisse zeigen auf, dass das uneinheitliche Verständnis von Rassismus und die fehlende Auseinandersetzung mit der eigenen rassistischen Sozialisierung die größten Herausforderungen im Kampf gegen Rassismus bleiben.

Das DeZIM empfiehlt dahingehend Sensibilisierungsmaßnhamen, die zur Steigerung des Problembewusstseins führen sollen. Insbesondere in Schulen und durch politische Bildung sollen dabei rassistische Denkweisen angegangen und dekonstruiert werden sowie medial aufgegriffen werden.




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