Newsnational Freitag, 13.03.2015 |  Drucken

ZMD begrüßt die Aufhebung des Kopftuchverbotes für Lehrerinnen

Nurhan Soykan: " Richtiger Schritt, weil es die Lebenswirklichkeit muslimischer Frauen in Deutschland würdigt und sie als gleichberechtigte Staatsbürger am gesellschaftlichen Leben partizipieren lässt" - Chronik der langjährigen Auseindersetzung

Das Bundesverfassungsgericht gab zwei Lehrerinnen aus NRW Recht, revidierte seine bisherige Rechtsprechung und kippte Rechtsprechung zum Kopftuchverbot.
Künftig soll keine abstrakte Gefahr für Neutralität und Schulfrieden mehr genügen, vielmehr muss eine "hinreichend konkrete Gefahr" von den jeweiligen Kopftüchern ausgehen. Auch die Privilegierung christlicher Symbole und Traditionen verstoße gegen das Grundgesetz, das Benachteiligungen aus religiösen Gründen verbietet, so die Richter.

Dazu sagte die Generalsekretärin des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD) Nurhan Soykan heute in Köln:
„Auch wenn das Urteil keine generelle Erlaubnis für das Kopftuch bedeutet, ist es sehr erfreulich. Es stellt klar, dass das Kopftuch an sich keine Gefährdung des Schulfriedens bedeutet. Es ist ein richtiger Schritt, weil es die Lebenswirklichkeit muslimischer Frauen in Deutschland würdigt und sie als gleichberechtigte Staatsbürger am gesellschaftlichen Leben partizipieren lässt.
Wir hoffen, dass dieses positive Signal in Gesellschaft und Strukturen schnell aufgenommen wird und die bisherigen Diskriminierungen bis hin zum faktischen Berufsverbot für muslimische Frauen bald der Vergangenheit angehören.“ so Soykan abschließend.

Chronik der langjährigen Auseindersetzung (KNA):

1961: Die Bundesrepublik und die Türkei vereinbaren ein Anwerbeankommen. In den folgenden Jahrzehnten kommen Millionen Türken als Gastarbeiter nach Deutschland - die meisten bleiben. Damit kommt auch das Kopftuch als Kleidungsstück muslimischer Frauen in die Gesellschaft.

2002: In seiner Islam-Charta bekennt sich der Zentralrat der Muslime in Deutschland zum Grundgesetz und fordert zugleich, in der Bundesrepublik müsse eine würdige muslimische Lebensweise möglich sein. Dazu zählt der Zentralrat das Kopftuch.

2003: Nach jahrelangem Rechtsstreit entscheidet das Bundesverfassungsgericht im Fall Fereshta Ludin mit fünf zu drei Stimmen, dass einer muslimischen Lehrerin nicht ohne ein konkretes Gesetz verboten werden darf, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen. Damit sind die Länderparlamente als Gesetzgeber am Zuge und erlassen in den folgenden Jahren unterschiedliche Regelungen.

2003: Das Bundesverfassungsgericht bestätigt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt von 2002, nach dem das Tragen eines Kopftuchs aus religiösen Gründen an einem nicht staatlichen Arbeitsplatz kein ausreichender Kündigungsgrund ist.

2004: Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) befasst sich erstmals mit dem Kopftuch und billigt das von türkischen Ausbildungseinrichtungen verhängte Verbot. Die Klage wegen eines Verstoßes gegen das Recht auf Religionsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung weisen die Straßburger Richter ab.

2011: Das Tragen einer Mütze in der Schule kann aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt als religiöse Bekundung gewertet und damit verboten werden. Das Gericht stellt darauf ab, dass die Kopfbedeckung «erkennbar als Ersatz für ein islamisches Kopftuch getragen wird». Der Fall kommt nach Karlsruhe.

2015: Das Bundesverfassungsgericht kippt in dem am 13. März veröffentlichten Urteil ein pauschales Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen in öffentlichen Schulen. Ein Verbot sei nur dann möglich, wenn das Tragen der muslimischen Kopfbedeckung eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden bedeute.



Ähnliche Artikel

» Gericht urteilt: Kopftuchverbot für junge Muslima nicht rechtens
» 13.03.2015 ZMD begrüßt die Aufhebung des Kopftuchverbotes für Lehrerinnen
» Kommt das Kopftuchverbot im Berlin über die Hintertür? Offener Brief der muslimischen Sozialdemokraten - Neutralität des Staates gefärdet
» Berliner sogenannte Neutralitätsgesetz ist "systematische und institutionalisierte Diskriminierung gegenüber Frauen mit Kopftuch"
» Fatwa gegen Ganzkörperschleier?

Wollen Sie einen
Kommentar oder Artikel dazu schreiben?
Unterstützen
Sie islam.de
Diesen Artikel bookmarken:

Twitter Facebook MySpace deli.cio.us Digg Folkd Google Bookmarks
Linkarena Mister Wong Newsvine reddit StumbleUpon Windows Live Yahoo! Bookmarks Yigg
Diesen Artikel weiterempfehlen:

Anzeige

Hintergrund/Debatte

Die Große Moschee in Duschanbe (Tadschikistan) ist das größte Gotteshaus in Zentralasien
...mehr

Film-Besprechung: "In Liebe, eure Hilde" - Dresens neuer Film erzählt eine tragische Geschichte aus der NS-Zeit auf der Berlinale 2024
...mehr

ZMD-Landesverband Rheinland-Pfalz in Staatskanzlei mit anderen muslimischen Religionsgemeinschaften: Kein Generalverdacht und: „Jüdisches und muslimisches Leben sind ein integraler Bestandteile des Landes"
...mehr

Daniel Barenboim mit DAG-Friedrich II von Hohenstaufen-Preis geehrt
...mehr

Buchkritik: "Faschismus" von Paul Mason – Von Aiman A. Mazyek
...mehr

Alle Debattenbeiträge...

Die Pilgerfahrt

Die Pilgerfahrt (Hadj) -  exklusive Zusammenstellung Dr. Nadeem Elyas

88 Seiten mit Bildern, Hadithen, Quran Zitaten und Erläuterungen

Termine

Islamische Feiertage
Islamische Feiertage 2019 - 2027

Tv-Tipps
aktuelle Tipps zum TV-Programm

Gebetszeiten
Die Gebetszeiten zu Ihrer Stadt im Jahresplan

Der Koran – 1400 Jahre, aktuell und mitten im Leben

Marwa El-Sherbini: 1977 bis 2009